Boss Katana, Fender Mustang und der Midi-Beschiss

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Pfaelzers KSM

Boss Katana, Fender Mustang und der Midi-Beschiss

Beitrag von Pfaelzers KSM » Mittwoch 18. April 2018, 00:40

Liebe Kollegen,

in diesem kleinen Pamphlet möchte ich mich ein wenig über Herstellerpolitik echauffieren...hoffe, das ist das richtige Unterforum (wenn nicht bitte verschieben)....

Modelling-Amps wie der Fender Mustang, der Marshall Code und der Boss Katana (und andere) verfügen über eine USB-Schnittstelle, die neben der Benutzung als Audiointerface auch zur Programmierung/Editierung des Amps mit einem Rechner über USB dient. Der Brüller ist, das diese Editierung über MIDI-Befehle der Editor-Software erfolgt, die per USB übertragen werden, d.h. Midi ist bei den Amps voll implementiert...aber besagte Amps bieten entweder keine Midischnittstelle oder es können nur sehr rudimentäre Ampfunktionen über Midi geschaltet werden.
Im Klartext: Die Amps könnten deutlich (!!!) mehr, wenn nur eine Midi-Buchse vorhanden wäre und die Midibefehle nicht nur zum Editieren, sondern auch zum Fernbedienen des Amps freigeschaltet wären...und das gilt für alle Amps der Serie, d.h. auch die Katanas und Mustangs ohne Midischnittstelle sind genauso midisteuerbar wie die mit, es wurde halt bloß keine Buchse verbaut.... :evil:

Um ein Beispiel zu machen:
Beim Katana könnte man per Midi 8 (statt 4) Speicherplätze aufrufen, die Amp-Models umschalten, 6 (statt 3) Effekte ein- und ausschalten und mit etwas MIDI-CC-Programmierung sogar die Effektart umschalten (also z.B. zwischen Chorus und Flanger). Des Weiteren wäre die Steuerung jedes (!) Effektparameters, den man im Editor verändern kann, auch per Expressionpedal möglich....
-> Anders gesagt: Alles, was im Editor möglich ist, wäre auch per Midi schalt- bz. steuerbar :shock:
Und das alles würde nur eine 5-PIN-Buchse und ein kleines Script erfordern, das es uns ermöglicht, statt den Editor ein Midi-Pedalboard als Steuerung zu benutzen (es gibt im Web sowohl eine Freeware-Version für Linux, die das ermöglicht, als auch ein kommerzielles Produkt in Form des MIDX-20 von Primova). Das sowas in der Preisklasse problemfrei und ohne Kostenexplosion anzubieten ist beweist Blackstar mit dem ID60....aber Fender und Boss bieten lieber überteuerte Pedale an, die nur Bruchteile der eigentlichen Möglichkeiten des Amps schalten können. Und das hat nichts mit "Player" oder so zu tun...wenn es z.B. möglich ist, beim Mustang alle Effekte ein- und auszuschalten und jede Menge Speicherplätze aufzurufen, dann gibt es keinen Grund, das Ganze so albern zu beschränken wie das mit den erhältlichen Pedalen für den Mustang der Fall ist...

Schade eigentlich....hätte mir eigentlich gerne einen Katana gekauft...aber so...neenee

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Batz Benzer
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Re: Boss Katana, Fender Mustang und der Midi-Beschiss

Beitrag von Batz Benzer » Mittwoch 18. April 2018, 09:09

Moin Jörg,

interessant zu wissen, danke.

Allerdings glaube ich, dass MIDI im Gitarrensektor tot ist.

Darüber hinaus gilt es Produkte zu schaffen, die einen widersprüchlichen Spagat beherrschen: Muss viel können, in der Anwendung aber möglichst simpel sein. Der Erfolg der Mustangs und das Interesse an den Boss-Amps rührt daher, dass diese totale Einfachheit bei Flexibilität implizieren.

Soll heißen: Das Wort MIDI hätte womöglich mehr Leute abgeschreckt denn ermutigt, das Produkt zu kaufen; option anxiety muss man m.E. ernst nehmen, die Leute abholen, wo sie stehen. "USB" hingegen klingt nach "kenne ich, nutze ich täglich, ist einfach".

So erklärt sich vielleicht etwas, das erst einmal unverständlich scheint.

Jemand, der diese Vorurteile nicht hat, reibt sich natürlichweise an der "bekloppten" Denke der Firmen; aus deren Perspektive hat man jeoch a) gespart und b) das besser verkaufbare Produkt.

Lieben Gruß,

Batz.
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Karsten
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Re: Boss Katana, Fender Mustang und der Midi-Beschiss

Beitrag von Karsten » Mittwoch 18. April 2018, 09:57

Der Katana Artist und das Head haben MidiIn. Dem Manual nach kann man 8 Presets umschalten, 3 Effekte an/aus sowie mehrere Exp Werte steuern (die man vermutlich erst inter zuornden muss) Das ist ja schonmal was...
Aber es stimmt, in bezug auf Midi hat man sich früher, auch in normalpreisigen Segmenten z.B. bei Line6 Flextone's oder Pod's mehr Mühe gegeben.
"Midi ist tot" würde ich so nicht sagen, dafür gibt es Heute dermaßen genial programmierbare Controller, da muss es ja Bedarf für geben.

archie
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Re: Boss Katana, Fender Mustang und der Midi-Beschiss

Beitrag von archie » Mittwoch 18. April 2018, 10:21

Batz Benzer hat geschrieben:Allerdings glaube ich, dass MIDI im Gitarrensektor tot ist.
Im "Spielkram-Segment" (Mustang, Katana, Spider & Co.) ja. Bei "richtigem" Equipment gibts MIDI nach wie vor.
Darüber hinaus gilt es Produkte zu schaffen, die einen widersprüchlichen Spagat beherrschen: Muss viel können, in der Anwendung aber möglichst simpel sein. ... "USB" hingegen klingt nach "kenne ich, nutze ich täglich, ist einfach".
Es gibt auch einen Standard für MIDI über USB, den hätte man implementieren können, wenn man gewollt hätte. Dann würde das sogar ohne proprietären Gerätetreiber funktionieren, auf modernen Betriebssystemen zumindest.

Ich glaube, der Grund ist ein anderer: Mit komplett proprietärer Software hat man es in der Hand, was man dem Benutzer erlauben will (welche Eingriffe in welcher Reihenfolge und mit welcher Geschwindigkeit). Das reduziert den Testaufwand drastisch und kann mangelhafte MIDI-Implementierungen kaschieren. Außerdem kann die Software regelmäßig nach Hause telefonieren, und man weiß genau, was die User mit den Geräten so machen.

Wenn man einen "offenen" MIDI-Port einbaut oder Standard-MIDI-über-USB, dann kann jede Fußleiste und jede MIDI-Software benutzt werden, und das Gerät muss MIDI so vollständig und fehlerfrei implementieren, dass es mit jeder denkbaren Kommandosequenz zurechtkommt. Das heißt, bevor man sowas verkaufen kann, programmiert und testet man sich den Wolf, und das ist bei 100 Euro Endpreis leider nicht im Budget - möglicherweise.

Pfaelzers KSM

Re: Boss Katana, Fender Mustang und der Midi-Beschiss

Beitrag von Pfaelzers KSM » Mittwoch 18. April 2018, 10:58

Karsten hat geschrieben: Dem Manual nach kann man 8 Presets umschalten
Laut dem Manual, das ich gelesen habe, kann man 4 Presets per Midi Porgram change abrufen. Die anderen 4 erreicht man nur über den Editor.
Batz Benzer hat geschrieben:Allerdings glaube ich, dass MIDI im Gitarrensektor tot ist.
Sorry, das sehe ich etwas anders: Überall, wo man mehrere Geräte gleichzeitig schalten will oder wo man abgespeicherte Sounds abrufen will, ist Midi nach wie vor die einzige Lösung. Im Recordingsektor würde bei Gitarren-Plugins ohne midi gar nichts gehen, da die ganze Automation über Midi läuft. Alle mir persönlich bekannte arbeitenden Gitarristen, die nicht gerade Old-school-Blues machen, benutzen nach wie vor Midi zum Abrufen ihrer Live-Sounds.
Und ganz nebenbei bemerkt: Bei vielen Amps läuft die Kanalumschaltung per Midi, ohne dass der User das weiß...der Fußschalter gibt das Midisignal dann halt mit einem symmetrischen Klinkenstecker an den Amp statt mit einer 5-Pol-DIN-Buchse (für Midi sind nur 3 der 5 Pins belegt), trotzdem wird per Midi und nicht per Relais geschaltet (was technisch auch die bessere Lösung ist...). Außerdem läuft jeder Amp-Editor per Midi....so tot kanns nicht sein....
Archie hat geschrieben: Wenn man einen "offenen" MIDI-Port einbaut oder Standard-MIDI-über-USB, dann kann jede Fußleiste und jede MIDI-Software benutzt werden, und das Gerät muss MIDI so vollständig und fehlerfrei implementieren, dass es mit jeder denkbaren Kommandosequenz zurechtkommt. Das heißt, bevor man sowas verkaufen kann, programmiert und testet man sich den Wolf, und das ist bei 100 Euro Endpreis leider nicht im Budget
Sorry, aber das sehe ich leider auch etwas anders: Wenn der Editor über sysex funktioniert und schon CCs implementiert sind, ist die Arbeit schon gemacht. Außerdem frage ich mich, warum beim Katana beim Head Midi möglich ist und bei den Combos nicht...obwohl es sich bei ALLEN und die SELBE Software handelt (gilt beim Mustang analog zum Mustang Floor vs. Combos).
Btw kann man den USB-Port sowohl vom Mustang als auch vom Katana als auch vom Marshall Code mit jedem class-compiant-Midi-Interface ansprechen (über Midi-OX, habe ich ausprobiert: funzt problemfrei unter Windows und Linux)...da ist nichts Proprietäres...


Meines Erachtens ist das Ganze reine Kundensteuerungsstrategie...aber eher aus dem Bereich Cross-Selling (sprich: lasst uns Fußschalter verkaufen...). MIDI schreckt keinen ab, man benutzt es halt einfach nicht...(keiner hat sich bei den Line6-Geräten, die MIDI und proprietäre Fußschaltersteuerung hatten, davon abschrecken lassen...btw: Warum kann man die neueren Bohnen-PODs nicht per Midi steuern, wo die doch die gleiche Sysex haben wie die Rackteile? -> Lasst uns Fußschalter verkaufen).

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Batz Benzer
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Re: Boss Katana, Fender Mustang und der Midi-Beschiss

Beitrag von Batz Benzer » Mittwoch 18. April 2018, 11:09

Du musst Dich doch nicht entschuldigen, weil Du etwas anders siehst. :prost:

Ich glaube allerdings, dass diese Sichtweise dem Recording geschuldet ist, wie Du selbst schrobst; auf Bühnen sehe ich immer weniger MIDI (Kemper nehme ich da aus), sehe, dass es bestimmte MIDI-Solutions, die ich früher selbst benutzt habe, gar nicht mehr zu kaufen gibt und stelle fest, dass auf unseren Sessions ganz genau einer von uns - wenn ich mich nicht irre, korrigiert mich sonst bitte - MIDI nutzt.

Verstecktes MIDI deutet für mich darauf hin, dass man damit eben keine Werbung mehr machen kann, sondern dass es heute eher verkaufshemmend wirkt. Man will keinen DIN-Stecker, sondern USB sehen, so meine (reine) Interpretation. ;)

Am Ende muss sich jeder von uns seinen eigenen Reim auf die Sache machen; mich stört "fehlende MIDI-Möglichkeiten" jedenfalls nicht beim Mustang, weil sie nichts mit meinem musikalischen Alltag zu tun haben. Bei Dir ist das natürlich anders. :thumbsup03:

Lieben Gruß,

Batz.
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Re: Boss Katana, Fender Mustang und der Midi-Beschiss

Beitrag von archie » Mittwoch 18. April 2018, 15:13

Pfaelzers KSM hat geschrieben:Wenn der Editor über sysex funktioniert und schon CCs implementiert sind, ist die Arbeit schon gemacht. Außerdem frage ich mich, warum beim Katana beim Head Midi möglich ist und bei den Combos nicht...obwohl es sich bei ALLEN und die SELBE Software handelt (gilt beim Mustang analog zum Mustang Floor vs. Combos).
Btw kann man den USB-Port sowohl vom Mustang als auch vom Katana als auch vom Marshall Code mit jedem class-compiant-Midi-Interface ansprechen (über Midi-OX, habe ich ausprobiert: funzt problemfrei unter Windows und Linux)...da ist nichts Proprietäres...
Also, wenn das in Wirklichkeit bestens funktioniert, ist es schon etwas seltsam, dass es versteckt wird. Aber vielleicht soll mit solchen Kleinigkeiten der Katana Head attraktiver gemacht werden. Der ist ja (mit dem obligatorischen Cabinet) um einiges teurer als jeder Katana-Combo, also muss es schon ein paar Sachen geben, die man exklusiv beim Head bekommt.
Meines Erachtens ist das Ganze reine Kundensteuerungsstrategie...
Ja, wahrscheinlich.

Eine Sache verstehe ich noch nicht ganz:
wenn ... die Midibefehle nicht nur zum Editieren, sondern auch zum Fernbedienen des Amps freigeschaltet wären
Was ist da freigeschaltet oder nicht freigeschaltet? Und ist das z.B. beim Katana Head (mit Midiport) anders als bei den Combos?

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Re: Boss Katana, Fender Mustang und der Midi-Beschiss

Beitrag von Magman » Mittwoch 18. April 2018, 15:56

Ich kann Jörg gut verstehen, auch wenn ich Midi nie so richtig verstanden habe :roll: Aber ich hab grade mal nachgeschaut, der Katana Artist, der ja für speziell für die Pro's gebaut wurde hat und kann auch Midi. Ist der auch 'eingeschränkt'? Hier kann man was dazu lesen. Und da gibts ne PDF-Liste mit Katana-Midibefehlen zum Download.
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Re: Boss Katana, Fender Mustang und der Midi-Beschiss

Beitrag von Wizard » Mittwoch 18. April 2018, 17:13

Magman hat geschrieben:auch wenn ich Midi nie so richtig verstanden habe :roll:
Ich auch nicht, also nicht wirklich :oops: und auch (deshalb?) nie gemocht
Gruß Peter

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Pfaelzers KSM

Re: Boss Katana, Fender Mustang und der Midi-Beschiss

Beitrag von Pfaelzers KSM » Mittwoch 18. April 2018, 17:26

Magman hat geschrieben:Ich kann Jörg gut verstehen, auch wenn ich Midi nie so richtig verstanden habe :roll: Aber ich hab grade mal nachgeschaut, der Katana Artist, der ja für speziell für die Pro's gebaut wurde hat und kann auch Midi. Ist der auch 'eingeschränkt'? Hier kann man was dazu lesen. Und da gibts ne PDF-Liste mit Katana-Midibefehlen zum Download.
Hihihi, genau diese PDF-Liste wollte ich dir gerade schicken....in der Liste steht drin, was möglich WÄRE....

Wenn man diese Liste öffnet, steht da ein Kasten mit "Internal Boss Katana CC#". In dem Kasten stehen die 4 möglichen Befehle, die der Katana Artist und das Katana Head bieten. Mehr als das können sie nach Herstellerwillen nicht.

ALLE ANDEREN Befehle in diesem pdf-Dokument sind die Möglichkeiten, die die Kisten zwar können, aber auf die der User nicht per Midi zugreifen kann , als da wären:
- Aufruf der 27 (!!!) verschiedenen Amp-Modelle per CC (Seite 2 des pdf)
- Aufruf der 20 verschiedenen Zerrer/Booster-Modelle per CC (Seite 3)
- Aufruf der 10 verschiedenen Delays und 6 verschiedenen Reverbs per CC (Seite 4)
- Aufruf des 6 verschienen Delays als 2. Delay (Seite 5)
- Aufruf der 36 (!!!) verschiedenen Modelle für FX und Modulation (Seite 6)
-> Anders gesagt: In der Kiste ist (fast) alles drin, was im GT-Pro und seinen Nachfolgern drinne war.

All das geht NICHT per Midibefehl aufzurufen, weil Boss/Roland es nicht zulässt. All das ist aber im Katana drin (und geht auch, wenn man das Midi-Interface MIDX-20 von Primova benutzt, um Zugriff auf diese Funktionen des Katana zu haben - ohne etwas am Katana hardwaretechnisch zu verändern....!!!).

-> Anders gesagt: Die Kiste hat fast die Möglichkeiten eines Axe-FX...aber Boss hat beschlossen, dass wir nur 4 Presets und 3 FX schalten können. Statt der 99 aufgeführten Modelle, die alle problemlos schaltbar wären....und das nicht nur beim Head und dem Artist, sondern bei ALLEN Katanas!

Vielleicht ist es jetzt verständlich, warum ich ein ganz klein wenig echauffiert bin :roll: :kopf_kratz01: :D

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