M. L. Schwan hat geschrieben: ↑Samstag 2. Mai 2020, 10:41
Hohe Lautstärken sind mir zuwider.
Mann, tut das gut, hier nicht alleine zu sein.
Meine ersten gitarristischen Gehversuche begannen im Jahre 1986, da ich mich auf Mutters Wandergitarre von Hoyer zunächst einmal beweisen musste, bevor es eine eigene Gitarre zu Whynachten geben sollte.
Auslöser war mein Wunsch, Klavier lernen zu wollen. Zu teuer, befand Muttern, also schlug ich Violine vor. Zu teuer, lautete die Antwort erneut, warum nicht E-Gitarre? - Der Rest ist Geschichte: Andere Mütter warnen vorm Rock'n'Roll, meine Mutter hat mich ihm in die Arme getrieben!
Die erste Axt war eine Hohner LS-75 Paula-Kopie, weil die Form einer Gretsch am ähnlichsten war, der erste Amp ein DDR-Gerät ohne Namen, der zweite ein Marathon MX-22, quasi ein Rasierapparat.
Da mein damals bester Kumpel zeitgleich ein Schlagzeug bekam, gründeten wir die Band, bevor wir spielen konnten; gemeinsam mit einem Keyboarder, der später durch Kumpel El am Bass ersetzt werden sollte, gab es die ersten Gehversuche inkl. erster Songs!
Mann kann also sagen, dass ich schon Songs schrieb, bevor ich Gitarre spielen konnte.
Nachdem ich diverse Hifi-Anlagen und Plattenspieler mit Boxen druchgeschossen hatte, sollte es, nach Nutzung eines gut klingenden, aber zu leisen Hohner Organophon-Verstärkers vom Führerschein-Geld ein Marshall-Turm werden; gereicht hatte es dann für ein JCM800 2-Kanal-Top plus 4x12"-Box, was wirklich grausam klang und fiese Kanalübersprechungen hatte.
Selbst mein kleiner Transen-Marshall-Combo klang besser, so dass ich mit diesem aufgenommen und mit dem fetten Marshall geprobt habe. Dies in engen Betonräumen mit kompletten Schlagzeug hat für den leichten Verlust oberer Mitten bis Höhen auf dem linken Ohr geführt, den ich bis heute bei allem, was ich musikalisch mache, einrechnen muss.
Es folgte ein JCM900, dann endlich ein Rectifier, ferner ein Engl Savage 60, um schließlich als Endorser bei Framus zu landen und den auf meine Bedürfnisse für mich gevoiceten Dragon zu spielen und im Cobra-Top zwei der drei Kanäle zu veröffentlichen.
In dieser Phase entdeckten wir in der Band das Bedürfnis, leiser zu werden. Also haben wir eine Probe lang geschaut, wie laut die Gitarre tatsächlich sein muss, um dann das Drumkit soweit zu dämpfen, dass wir ein Laustärkeniveau erreicht haben, bei dem es immer noch druckvoll klingt, Dir aber nicht die Ohren zum Klingeln bringt.
Denn: Mein Gehör komprimiert schon sehr früh, was ich überhaupt nicht mag! Nach Konzerten dröhnten die Ohren gerne mal zwei bis drei Tage nach: Das macht mich wahnsinnig!
Daher gibt es mich seit langer Zeit auf Bühnen und Konzerten nur mit Ohrstöpsel, die ich auch beim Budentreffen immer trage, wenn ich mich im Musikraum aufhalte.
Und wenn ich Klang bewusst genießen oder eben alles hören möchte, kann es nicht leise genug sein! Ich fahre Mixes auch lieber leise als laut, da ich dann viel besser wahrnehmen kann. Mit der Lautstärke verschiebt sich die Wahrnehmung, und ich baue Mist.
Mir wird seit vielen Jahren von meiner Umwelt gespiegelt, dass ich offenkundig überdurchschnittlich gut und viel höre. Das möchte ich niemals missen und achte daher sehr darauf, was ich meinen Ohren antue; Stöpsel sind IMMER dabei!
Logischerweise ist mein Equipment so gewählt, dass es zuhause bei Zimmerlautstärke druckvoll und satt klingt, ohne laut sein zu müssen. Ich habe auch Geräte, die brüllen können, wenn es darauf ankommt, aber die tönen auch alle leise bestens!
Blackheart Little Giant, Fender Mustang IIIv2, Marshall Jubilee, Marshall JTM1, Vox MV50 AC und High Gain machen alle ganz genau das!
Ich kriege meinen Kick, wenn das Gesamtklangbild fett, satt und druckvoll ist. Laute Gitarren nerven mich!
Dabei freue ich mich für jeden, der seinen Kick durch das Volumen kriegt; es ärgert mich nur, wenn er sein Erleben über meines stellen möchte, weil das, was er als angenehm erlebt, für mich eine Qual ist.
Ich wünsche mir von diesem Thread, dass er in erster Linie für Verständnis und Toleranz sorgt; wir lernen, dass den anderen am selben Hobby anderes begeistert, und auch hier gibt es kein Besser oder Schlechter, kein Richtig und Falsch; viele Wege führen nach Rom!
Wenn im gleichen Zuge dann die kleinen Seitenhiebe auf die jeweils anders Denkenden ganz verschwänden, die mir stets wie archaische Schwanzvergleiche anmuten, wäre das ein Traum!
Hierzu noch einen anderen Aspekt: Wir alle hatten zumindest mal Vorbilder. Diese waren meist Extremisten; so musste man früher sein, um sich durchsetzen zu können.
Ich empfinde es als Errungenschaft meiner Generation, dass wir nicht mehr extrem sein müssen. Klar, das Bild des kompromisslosen Rockers ist anziehend und geil, aber auf Dauer und für immer? - Ich kann viele Klischees ironisch ausleben, aber nur eines davon sein zu müssen, wäre mir eine unerträgliche Beengung!
Keiner von uns ist nur schwarz oder nur weiß; wir sind vielschichtig und widersprechen uns vielleicht sogar bisweilen. Aber ganz genau das macht uns ja individuell und letzten Endes aus.
Ja, ich kann den Rock lieben, ohne mich von ihm verbrennen lassen zu müssen. Ja, ich kann Gitarren-Klangbilder lieben, ohne mir von ihnen das Gehör zerschießen lassen zu müssen. Ja, ich kann rocken und brauche dafür nicht nur keinen 100W-Turm, ich spiele lieber mit In-Ear-Monitoring und behalte die Kontrolle über das, was ich abliefere.
Der Nächste, bitte!
Lieben Gruß,
Batz.