Harley Benton S-600 VI Custom SG Vintage

Besprechungen von getestetem Gitarren-Equipment
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Batz Benzer
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Harley Benton S-600 VI Custom SG Vintage

Beitrag von Batz Benzer » Donnerstag 29. Oktober 2015, 13:07

Die Gitarre, die ich hier besprechen möchte, macht mich bereits seit langer Zeit verstärkt nervös, da ich die Optik liebe, das Original aber nicht bezahlen kann, bzw. will: Die Rede ist von einer SG Custom mit 3 Humbuckern in eierschalenweiß (aka "Vanille").

Die Thomännchen boten bis vor kurzem unter ihrer Hausmarke Harley Benton für lächerliche 149€ eine Kopie dieses Instruments an; diese Gitarre ist nun durch ein anderes Modell ersetzt worden, weshalb ich gleich zuschlug, als mir ein netter Forumskollege sein Exemplar zum Kauf angeboten hatte.

Gestern isse bei mir aufgeschlagen, ganz stilvoll im brauen Koffer mit pinkem Innenfutter - das passte einfach wie Arsch auf Eimer bei dieser Puff-Gitarre! 8-)

Bild

Der erste Eindruck war ein sehr guter: Die Gitarre sieht klasse aus und wiegt nicht viel; semi-diabolische 3,33kg sagt die Küchenwaage, obgleich die Harley Benton sogar subjektiv noch etwas leichter wirkt, was an der guten Gewichtsverteilung liegen mag.

Zum Aussehen: Auch auf den zweiten Blick fällt erst einmal nicht auf, dass diese SG in Details vom klassischen Vorbild abweicht: Das Korpus-Shaping ist an manchen Stellen etwas dicker geraten, was aber nur im direkten Vergleich auffällt. Nicht nur kosmetischer Natur ist der Halswinkel: Dieser ist nämlich nahezu gerade, was sich auf Klang und Bespielbarkeit aufwirkt; dazu später mehr.

Dafür entspricht die Kopfplatte (mit Binding!) weitestgehend dem Original - eines der Details, die mich bei der Epiphone-Kopie dieses Instruments stets gestört haben.

Unterm Strich fällt der Ersteindruck also extrem positiv aus: Sieht gut aus, fühlt sich klasse an. Verarbeitungsmängel sind vorhanden, aber wenig störend: So gibt es vorder- wie rückseitig Stellen mit Lackwellen, die ein wenig wie Druckstellen wirken und wohl dem Holz geschuldet sind. Bei einem Potiknopf sitzt die Kappe versetzt drauf - auch nix, was stört.

Ebenfalls vorteilhaft überrascht haben mich der voluminöse Hals als auch die Tatsache, dass die Gitarre am Körper größer wirkt als sie tatsächlich ist, was wohl an Hals- und Korpusdicke liegen mag. An mir sieht eine normale SG eben nicht mächtig aus wie beim kleinen dünnen St. Angus; diese Harley Benton hier vermittelt mir als erste Gitarre ihrer Art den haptischen Eindruck, wie ich glaube, das es sich anfühlt, der quirlige Schuljunge mit Teufelshörnern zu sein: Alles so schön groß hier...!

Die Bundstäbchen sind sauber abgerichtet und stehen nur in höheren Lagen allerminimalst über; bei der Preislage wird hier ebenfalls nicht gemeckert, es fällt beim Spielen nicht auf. Der Sattel muss leicht nachgefeilt werden, da gerade die Diskant-Saiten dort gerne hängen bleiben, besonders - natürlich - die dafür bekannte G-Saite.

Die Pickups sind von Wilkinson und, wiederum gemessen an der Preisklasse, eine weitere positive Überraschung: Klingen gut und pfeifen nicht. Natürlich geht es besser, aber dann kosten bereits zwei Pickups mehr als die ganze Gitarre!

Dennoch würde es sich lohnen, denn die Holzbasis ist hier tatsächlich richtig gut! - Vom ersten trockenen Eindruck her hätte ich die Gitarre im Preissegment von 400-800€ angesiedelt.

Und trocken ist bereits das richtige Wort, denn genau so klingt sie unelektrifiziert: Nicht saftig, nicht das schwere, mächtige Kriegsschiff, sondern ein schneller, wendiger Katamaran.

Was sofort auffällt: Der Saitenzug fällt hier extrem hoch aus! - Tatsächlich ist die Mensur größer als bei meiner SG von Gibson: Mächtig! - So auch die schiere Größe der Gitarre: Sie übertrumpft die USA-Schwester in Sachen Länge locker und passt beileibe nicht in jedes Case, bzw. jeden Gig-Bag.

Für alle jene, die in Quakenbrück waren: Der Ton, den diese SG absondert, verhält sich zu meiner anderen SG so wie des Vagabunden Burny-Paula zu anderen Les Pauls. Soll heißen: Der Ton ist nicht warm, sondern im positiven Sinne kühl, nüchterner, abgeklärter, weniger leidenschaftlich, aber genau so formbar wie bei anderen guten Gitarren. Der Ton hat Strahlkraft, Klarheit und Fokus, ist straff definiert, dabei Gain-technisch aber im Vintage-Sektor anzusiedeln. Ganz die kühle Blonde! Das kann in Summe je nach Musikstil positiv wie negativ sein: Je härter, desto wohler fühlt sich das Bling-Bling-Baby - fein! :sabber:

Der Grund liegt m.E. im Halswinkel: Der Andruck wird geringer, es fehlt trocken dadurch m.E. ein wenig Klangtiefe, auch das Sustain könnte ausgeprägter sein, ohne wirklich negativ aufzufallen; alles im grünen Bereich, die Pickups kompensieren das alles nämlich ganz gut.

Apropos: Um das Fehlen des Winkels zu kompensieren, ist der Hals höher in den Korpus eingesetzt, was zumindest optisch die Verbindung Hals/Korpus ein wenig fragil wirken lässt. Dennoch ist der Winkel der Saiten von Tune-O-Matic-Kopie (ohne Rappeldraht) zum Stop Tail sehr flach, was manch einem mehr als recht sein wird, anderen hingegen nicht so gut gefallen mag.

Die Schaltung der PUs ist.. äh, "interessant": Toggle unten = Steg-HB, Toggle mittig = alle drei PUs, Toggle oben = Hals+Mittel-HB. Mir wäre die Standard-Schaltung zweier Humbucker lieber, so dass der dritte per Poti hinzu geblendet werden kann - kommt bestimmt demnächst, wobei auch dieser Verdrahtung Positives abzugewinnen wäre: Es klingt nach Santana!

Und wo wir eben schon mal beim Toggle waren: Dieser lässt sich leider nicht gerade drehen, das verhindert die E-Fach-Fräsung. Mal schauen, ob ich die mal mit dem Dremel so bearbeite, dass der Toggle demnächst steht, wie ich das gerne hätte.

Zu den Original-Mechaniken kann ich nix sagen, da hier bereits Locking-Tuner installiert waren.

Fazit: Viel Gitarre fürs Geld und/oder eine ziemlich gute Holzbasis, so dass sich weitere Investitionen in diese SG Custom lohnen, aber eben nicht zwingend notwendig sind; die Harley Benton macht einfach sehr viel Spaß!

Das sind meine ersten Eindrücke vom Instrument; in ein paar Wochen reiche ich gerne abgehangenere Impressionen nach. Bin z.B. mal gespannt, ob das Griffbrett auch nach dem ersten Abziehen und Ölen immer noch so schön schwarz sein wird... :mrgreen:

Herzlichen Dank an THB für den klasse Deal!!! :thumbsup03:

Lieben Gruß,

Batz. :smoke01:

PS: Hier ein tolles Video von Marcus/Noisezone:

[youtube]http://youtu.be/OVOjrt5Lt80[/youtube]
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Re: Harley Benton S-600 VI Custom SG Vintage

Beitrag von Magman » Donnerstag 29. Oktober 2015, 14:11

Gespannt wartete ich auf dieses Review von dir, noch in der Honeymoon-Phase geschrieben :mrgreen: :P

Ich fand diese SG nämlich auch immer schon verdammt hübsch, vor allem mit drei Pickups. Ich hatte mal ein Original gespielt von der großen G Company. Für das schmale Geld kann man immer mal ne Harley Benton testen und wenn man dann etwas Glück hat erwischt man auch mal ne Gute. Bei der P90 Goldtop hatte ich auch mal nen regelrechten Burner in Händen. Hätte nie erwartet das das Ding so billig ist. Nacharbeiten ist natürlich ein Muss!
Als ich allerdings mit der S-600 Bekanntschaft machte hielt meine Freude nicht lange an, das Halsprofil ist/war ein typisches Slim Taper. Also alles, nur nicht fett, wie z.B. ein Roundneck Profil einer 50' Les Paul. Das wäre dann fett. Schade denn ansonsten war sie auch gut. Ein Anruf bei Thoman und man sagte mir die wären alle so. Nun denn... Bitte miss mal das Griffbrett mit einer Schieblehre am 1. und am 12. Bund. Ohne Bundstäbe versteht sich. Würde mich echt mal interessieren ;)

Für diese Gitarre empfehle ich dir unbedingt einen Freeway Switch, der genau 6 Schalterstellungen zulässt. Wenn du mal ne SG nur mit Mittelpickup gespielt hast willst du das nicht mehr missen ;)

Ich wünsche dir viel Spaß mein Lieber :mosh: :banana03: :thumbsup03:
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Batz Benzer
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Re: Harley Benton S-600 VI Custom SG Vintage

Beitrag von Batz Benzer » Donnerstag 29. Oktober 2015, 19:39

Danke, Mäggy! :thumbsup03:

Schätze mal, dass die Specs von Charge zu Charge variieren: Der Hals ist definitiv ordentlichst, wie die stark ausgeprägten 50s Necks bei Gibson, aber anders geformt.

Mittel-PU geht mit drei Volumes ja auch. Oder hab ich Lust auf den Schaltotto...? - Ich überleg's mir mal, danke! :mrgreen:

Ich bin übrigens über den Text nochmal drüber gerutscht und habe einiges ergänzt.

Was ich lieber hier anfügen mag für all jene, die nicht noch mal lesen wollen: Ich wollte die Saitenlage ein wenig nach unten korrigieren; nicht, dass sie schlecht eingestellt gewesen wäre, aber Muttis Liebster braucht das eben anders. Das wollte die Gitarre aber nicht so gerne: Hier zeigte sich die eher ausreichende Genauigkeit im Fretjob, in manchem Bund schnarrte es, immer noch vertretbar, aber eben schon im Bereich der Wahrnehmung.

Außerdem intoniert es nicht wirklich sauber; ich werde mal die Saiten wechseln, dann die Oktavreinheit einstellen und mal schauen, ob sich das Problem dann verflüchtigt oder zumindest tolerierbar minimieren lässt. Danach berichte ich erneut! 8-)

Beste Grüße,

Batz. :smoke01:
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Re: Harley Benton S-600 VI Custom SG Vintage

Beitrag von Magman » Donnerstag 29. Oktober 2015, 20:12

Micky ich würde mich dennoch freuen wenn du mal den Hals vermessen würdest. Dann habe ich einen direkten Vergleich.

Danke :thumbs:
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THB
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Re: Harley Benton S-600 VI Custom SG Vintage

Beitrag von THB » Donnerstag 29. Oktober 2015, 21:01

Das freut mich, dass sie gefällt.
Wie bereits an anderer Stelle vermeldet gehe ich back to my roots.
Ich habe satte 300.- Euronen in eine schwarze Mark Tremonti SE investiert, die einen dritten Humbucker bekommt (ich habe einige Jahre lang eine LP Custom mit drei Pickups gespielt - welch Jugenderinnerung)...
Ich werde berichten....
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Everyone's got their own character.
Everyone's approach to what can come out of six strings is different from another person, but it's all valid. "
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Re: Harley Benton S-600 VI Custom SG Vintage

Beitrag von Batz Benzer » Donnerstag 29. Oktober 2015, 22:03

Magman hat geschrieben:Micky ich würde mich dennoch freuen wenn du mal den Hals vermessen würdest. Dann habe ich einen direkten Vergleich.

Danke :thumbs:
Mach ich gerne, aber hier herrscht Schiebleere. :mrgreen:

Das gute alte Maßband sagt:

1. Bund: Halsbreite 45mm, Halsdicke 25mm

5. Bund: Halsbreite 47mm, Halsdicke 25mm

12. Bund: Halsbreite 54mm, Halsdicke 26mm

Alles Pi mal Daumen. :smoke01:

Grüße,

Batz.
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Re: Harley Benton S-600 VI Custom SG Vintage

Beitrag von Magman » Donnerstag 29. Oktober 2015, 22:31

Danke Micky :thumbsup03:

Das ist ja voll krass! Die scheinen ihre Maschinen wirklich mal so, mal so einzustellen. Da liegen dann wirklich Welten dazwischen! Ich hatte mit einer digitalen Lehre 20,5 am 1. und 22mm am 12. Bund gemessen.
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Re: Harley Benton S-600 VI Custom SG Vintage

Beitrag von Batz Benzer » Donnerstag 29. Oktober 2015, 22:36

THB hat geschrieben:Das freut mich, dass sie gefällt.
Wie bereits an anderer Stelle vermeldet gehe ich back to my roots.
Ich habe satte 300.- Euronen in eine schwarze Mark Tremonti SE investiert, die einen dritten Humbucker bekommt (ich habe einige Jahre lang eine LP Custom mit drei Pickups gespielt - welch Jugenderinnerung)...
Ich werde berichten....
Wir bitten darum! :thumbs:
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Re: Harley Benton S-600 VI Custom SG Vintage

Beitrag von Batz Benzer » Donnerstag 29. Oktober 2015, 22:37

Magman hat geschrieben:Danke Micky :thumbsup03:

Das ist ja voll krass! Die scheinen ihre Maschinen wirklich mal so, mal so einzustellen. Da liegen dann wirklich Welten dazwischen! Ich hatte mit einer digitalen Lehre 20,5 am 1. und 22mm am 12. Bund gemessen.
Vielleicht mag Noisy seine auch mal vermessen...? - Würde mich jetzt schon interessieren... 8-)
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Re: Harley Benton S-600 VI Custom SG Vintage

Beitrag von Magman » Donnerstag 29. Oktober 2015, 23:01

Diese S-600 ist schon sehr nah an der Les Paul SG Custom dran finde ich. Wenn ich diese Gitarre sehe läuft mir das Wasser im Munde zusammen :sabber: Alleine das Maestro Vibrato....hmmmmm :thumbs:

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