5 x Joyo / Harley Benton Truetone Effektgeräte

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Batz Benzer
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5 x Joyo / Harley Benton Truetone Effektgeräte

Beitrag von Batz Benzer » Donnerstag 30. Oktober 2014, 12:25

Jeweils 30 Taggn ruft Thomann auf für die mit der Hausmarke “Harley Benton” gelabelten Pedale des asiatischen Herstellers Joyo, welche ihrerseits nun wiederum Kopien der Tech 21 Character-Pedale Liverpool (hier: AC Tone), British (British), Blonde (American) und California (ebenso) sind. Soweit alles klar!?

Vier Pedale in denselben Gehäusen mit identischer Ausstattung – das macht mir das Beschreiben einfacher: Drive, Level, Voice, Bass, Mid, High sind die Regler, doch da hören die Gemeinsamkeiten dann auch auf: Der blassgelbe AC Tone soll den Ton des AC30 von Vox drauf haben, der violette British will uns den Marshall machen, der orangefarbene American spricht Fender und der weiße California tanzt mit Tante Mesa aus USA Boogie.

Die Tech 21-Originale haben mittlerweile einen Wahlschalter, der eine Ampsimulation ein- wie ausschaltet; die erste Generation musste, genau wie unsere Harleys, sowohl mit Amp und Mixer gleichermaßen parat kommen. Klappt das? – Ja, das klappt: Sowohl vorm Verstärker als auch direkt ins Pult machen sie eine gute Figur, fürs Homerecording des kleinen mannes eine sehr gute Wahl!

Fangen wir mit dem AC Tone an; macht er den Atze Dreizig? – Jou, macht er, und zwar mit eben jener Spanne, die gute Exemplare ihrer Gattung in den diversen Inkarnationen vorgeben: Jingle-jangle geht ebenso wie gepflegtes Rotzen bis hin zum Heiligen St. Brain May. Dreh- und Angelpunkt ist der Voice-Regler, der quasi das Mittenbild und zunehmend Tonverdichtung (u.a. = Zerre) liefert.

Dabei sehr wichtig: Nicht mit dem Gain übertreiben! Die Pedale klingen dann einfach nicht mehr frei, offen und natürlich; lieber weniger und extern anpusten. Bei mir stand Gain nie lange höher als bei 13h, und dies bedeutet maximal Megacrunch.

Dieser steht dem AC Tone wie angegossen: Eindeutig britisch, mit schön Fleisch, aber luftgetrocknet, sowie einer musikalischen Zerre, die Steg- wie Halstonabnehmer, Zwischenpositionen sowieso, seidig glänzen lässt. Auch das sich wie Nieselregen auf den Gitarrenton setzende Anzerren kann er genau so gut wie den Petty.

Wechselt man zum Beefsteak… pardon, British, so tauschen wir mit beeindruckender tonalen Wucht den Combo gegen einen Fullstack des Vaters aller Gitarrenverstärkertürme: Marshall ist hier Programm! Es drückt und schiebt einfach mehr bei nahezu identischer Reglereinstellung, das charakteristische „Klicken“ im rauen Ton verrät den angriffslustigen Klassiker sofort. Oder anders gesagt: Der AC Tone knurrt eher, der British schreit und kreischt auch nach Bedarf; das Kratzige in den Hochmitten ist trefflich gelungen, die Tiefe eines Strat-Hals-Pickups imponiert mächtig!

Als nicht ganz so zugänglich empfand ich den Americano: Volles Zerrbrett will bei mir einfach nicht klingen mit der Kiste, dafür lässt sie mich am Deluxe Reverb dessen natürlichen Crunch-Sound in Zimmer-Flüsterton-Lautstärke abrufen, und das ist schon schön. Knapp am Mulm vorbei wird es in Hals-PU-Stellung wohlig-warm, der Steg-PU entwickelt gesunden Knurr bei verhältnismäßig wenig Sustain; aufgerissener Blackface eben! Somit wäre „Blackface“ auch der bessere Name als „Blonde“ gewesen, aber uns Harley-Fahrer kümmert das ja eh nicht.

Ähnlich, nur drastisch intensiver, verhält es sich mit dem California: Rectifier habe ich vergeblich gesucht, aber angezerrten Boogie gefunden. Sehr frisch in den Mitten, aber dabei etwas holzig im tiefen Bass, das sprichwörtliche Näseln ist charakteristisch. Nee, ist mir irgendwie zu kalt und unpersönlich, außerdem viel zu viel Tiefbass; der Ton wirkt künstlich.

Sowohl beim American als auch und besonders beim California ist bei mir keine wahre Liebe entflammt, aber die beiden Briten haben es mir echt angetan: Wie viele Pedale beschwören diese Klassiker herauf, sind dann aber doch eben bloß… Verzerrer. Der AC Tone wie British machen exakt das, was draufsteht, und dies in einer beeindruckenden Qualität!

Zumal sich der Klang der Pedale schön mit der Gitarre formen lässt; dies bedeutet, dass sich die Truetones „gut anfühlen“ und nicht nur schön klingen, aber sperrig zu spielen sind. Nein, das Spielgefühl – und das ist für mich hier die wirkliche Sensation – ändert sich je nach Pedal und trifft den jeweiligen Amp wie die Faust das Auge; toll gemacht!

Leider nicht ganz so gut möchte ich die Möglichkeit beurteilen, die Verzerrung mit dem Gitarre-Volumen zu steuern; der Zerrgrad sinkt zwar, aber auch die Lautstärke, und zwar so weit, dass ich hierauf eher verzichten möchte. Und noch einen Minuspunkt gibt es zu vermelden: Je nach Pedal kann es beim Umschalten einen bisweilen lauten Schaltknacks geben. In Summe sind das aber vernachlässigungswürdige Mali gemessen an dem Wohlklang, der da für kleinstes Geld vollwertig aus dem Speaker drängt.

Dies lässt bloß einen Schluss zu: Kaufen, kaufen, kaufen!!! – Ernsthaft, die Dinger sind quasi geschenkt für den Preis und klingen beste Bohne! Daher mein Tipp: Alle ordern und dann gucken, welche behalten werden wollen und welche den Lehren des erlauchten Maharishi Retourama folgen müssen.

Dabei bitte beachten: Das als „fünfter Beatle“ verkaufte „Extreme Metal“ ist zwar ein Truetone-Pedal und auch von Joyo, aber keine Tech 21-Kopie, vielmehr wohl ein EHX Metal Muff-Surrogat,und genau diesem Kollegen fühlen wir jetzt mal genauestens auf den Zahn:

Regelbar ist es in Bass, Mitten und Höhen, Drive sowie Level und wird per Fußschalter wie gewohnt ein- und ausgeschaltet. Der zweite Schalter dient der Boost-Funktion, welche über das Boost-Poti kontrolliert wird. Es sind also tatsächlich alle Bedienelemente des Metal Muffs vorhanden, außerdem ist ebenfalls das Harley Benton-Pedal ganz in schwarz gehüllt.

Kommen wir zu den inneren Werten: Bei Thomann liest man, es handle sich tatsächlich eher um ein gutes Rock- denn Metal-Pedal. Dem muss ich widersprechen, Metal trifft es schon ganz gut, Trash Metal vielleicht noch ein wenig besser, denn das Brett, das hier geboten wird, ist schon recht stramm, tight im Bass und mit der Extraportion unendlichen Sustains gesegnet. Es dominiert eine vokale Mittenfrequenz, die sich nicht wegregeln lässt und mich spontan ans Rampage-Pedal von Rocktron erinnert. Der Bass kann je nach Bedarf zum ordentlichen Pumpen überredet werden, durch den Mittenregler bleibt das Pedal klanglich ortbar und die Höhen lassen sich entweder dominant nach vorne oder eben leicht nach hinten regeln; dennoch bleibt das Extreme Metal im positiven Sinne angriffslustig und giftig. Anders gesagt: Dieses Truetone-Pedal hat seinen eigenen Ton.

Apropos Truetone: Nee, dieses Treterchen ist ganz eindeutig nicht dafür gedacht, auch als Recording Simulation zu arbeiten, sondern ein reinrassiges Vorschaltgerät, welches so ziemlich jedem Amp gaintechnisch auf die Sprünge helfen kann; es klingt direkter.

Zum Rauschverhalten: Ja, ich war breit, als ich dieses Pedal… nee, quatsch: In Anbetracht der aberwitzig hohen Gainreserven ist es ein Wunder, wie wenig die Kiste rauscht. Natürlich bläst der Wind durch den Distortionwald, aber eben verhältnismäßig wenig.

Zum Boost: Beim Metal Muff heißt diese Funktion „Top Boost“, und genau so, nämlich nach Höhenboost, klingt auch dieses Feature: Bis 9h durchschreiten wir noch Mittengrequenzen, danach werden gnadenlos die Höhen bis zum Gehtnichtmehr angehoben. Viel zu viel für meinen Geschmack, außerdem wären es eher Mitten, die ich mir für einen Solo-Ton wünschen würde. Bleibt der Regler jedoch auf ca. 9h, steht ein mittigerer, zweiter Sound zur Verfügung; in dieser Verteilung erinnert mich das Extreme Metal an einen guten alten zweikanaligen Rectifier: Im ersten Kanal die klassisch-schneidende Variante, im zweiten das Mittenbrett.

Der Metal Muff ruft ca. 85€ auf, das Thomann-Teil nur 30€; hier kann man also 55€ sparen, wenn man denn auf einen extrem rockigen bis metaligen HiGain-Ton steht.

Zum Schluss: Die hier getesteten Pedale nannten sich noch "True Bypass", mittlerweile steht an derselben Stelle auf dem Gehäuse nur noch "Bypass"; ob die Gerät technisch verändert wurden oder man realisiert hat, dass die niemals "True" waren, kann ich leider nicht beurteilen.
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Re: 5 x Joyo / Harley Benton Truetone Effektgeräte

Beitrag von Manuel » Freitag 7. November 2014, 23:29

Batz Benzer hat geschrieben: Zum Schluss: Die hier getesteten Pedale nannten sich noch "True Bypass", mittlerweile steht an derselben Stelle auf dem Gehäuse nur noch "Bypass"; ob die Gerät technisch verändert wurden oder man realisiert hat, dass die niemals "True" waren, kann ich leider nicht beurteilen.
Nabend!

Die Schaltung scheint geändert worden zu sein. Zumindest ist das bei dem Ultimate Drive aus gleichem Hause so.
Der arbeitet jetzt mit einem Buffered Bypass, die V1 noch mit einem True Bypass. Man kann das aber wohl leicht modden.
Soweit ich weiss muß ein Kabel am Schalter umgelötet und eine Leiterbahn unterbrochen werden.

Grusz,

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Re: 5 x Joyo / Harley Benton Truetone Effektgeräte

Beitrag von Vintage Deluxe » Freitag 7. November 2014, 23:38

Manuel hat geschrieben: Die Schaltung scheint geändert worden zu sein. Zumindest ist das bei dem Ultimate Drive aus gleichem Hause so.
Sprichst Du jetzt von der Zerrer-Schaltung oder von der Bypass-Schaltung?
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Re: 5 x Joyo / Harley Benton Truetone Effektgeräte

Beitrag von Manuel » Samstag 8. November 2014, 00:32

Vintage Deluxe hat geschrieben: Sprichst Du jetzt von der Zerrer-Schaltung oder von der Bypass-Schaltung?
Batz:
Zum Schluss: Die hier getesteten Pedale nannten sich noch "True Bypass", mittlerweile steht an derselben Stelle auf dem Gehäuse nur noch "Bypass"; ob die Gerät technisch verändert wurden oder man realisiert hat, dass die niemals "True" waren, kann ich leider nicht beurteilen.

Ich:
Die Schaltung scheint geändert worden zu sein. Zumindest ist das bei dem Ultimate Drive aus gleichem Hause so.
Der arbeitet jetzt mit einem "Buffered Bypass", die V1 noch mit einem "True Bypass". Man kann das aber wohl leicht modden.
Soweit ich weiss muß ein Kabel am Schalter umgelötet und eine Leiterbahn unterbrochen werden.

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Re: 5 x Joyo / Harley Benton Truetone Effektgeräte

Beitrag von Batz Benzer » Samstag 8. November 2014, 11:30

A'schklar, danke! ;)
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