Fortsetzungsreview: Marshall Origin 50 Head

Besprechungen von getestetem Gitarren-Equipment
Benutzeravatar
Paulasyl
Beiträge: 3640
Registriert: Montag 12. Dezember 2016, 20:25
Wohnort: Anne Ruhr
Kontaktdaten:

Fortsetzungsreview: Marshall Origin 50 Head

Beitrag von Paulasyl » Donnerstag 3. Mai 2018, 20:25

Trotz Steuernachzahlung war das Gerät noch an meiner Gitarrenzählerin vorbeizudrücken. Dafür erst mal ein Dank an die wunderbarste aller Frauen. :D

Zunächst nur der Kurzeindruck, süßes kleines Gehäuse, das optisch zumindest mal auf Marshalls von "früher" macht. Die Griffbeschläge sind wieder gülden, das Gitter hinten wieder in Messing, keine Ecken und der kleine Schriftzug. Standby fällt aus wegen ist nicht. Kommt ab Werk mit "alles auf null", was - wie sich schnell zeigt - eine hervorragende Idee ist. Wer es noch nicht weiß, das Ding hat statt Standby einen ebenfalls altertümlichen Toggleswitch zur Leistungsreduzierung in drei Stufen. Angeblich 50, 10 und 1 Watt. Also 1 Watt einstellen und langsam aufdrehen...Aha klingt ja schon ganz gut. Klangregelung wie man es von Marshall kennt, es dreht sich mehr um Nuancen. Klasse ist der Tilt-regler, der in einem zusammenfasst, was man früher mit 2 Volumes und einem Jumperkabel machen musste. Master steht auf 3, schauen wir mal, was der Gain kann. Och... erstaunlich wenig, richtig klasse crunch - breakup. Dann mal den Gainboost checken. Oh ja, lauter und etwas mehr Gain. Doch halt...in den Videos war das Ding doch viel dreckiger!! Stimmt, denn nun kommt der Master ins Spiel. Der Amp macht erst ab 10.00 Uhr auf, klingt unglaublich transparent und luftig, reagiert spitze auf Anschlag und Poti und macht auch langsam Zerre. Das macht er bis etwas 13.00 Uhr, danach wird es langsam nicht mehr lauter, sondern das besondere sahnige, suppige (Danke Olli von Session) kommt raus und dann hat er irgendwann mächtig Zerre und Kompression. Verleitet mich zu dem Schluß, dass die Leistungsreduktion hinter den Röhren sein muss, oder? Ich habe es bisher nur daheim auf einer 2x12" Celestion probiert und habe allein an Hand des Brummens auf die mittlere und die Vollgasvariante verzichtet. Das Gerät ist unfaßbar laut! Die Chefin hat sich über die Beschallung der gesamten Strasse beschwert...bei EINEM Watt Leistung.In der Band werde ich voraussichtlich maximal die 10 Watt Einstellung benutzen, aber darüber berichte ich später...

Jedenfalls ist man mit dem Ding bestens bedient, wenn man authentische 70er Rocksounds sucht, die Pedalvertäglichkeit mit diversen Drives vor dem Amp ist ausgezeichnet. Die Paula singt, dass eine Freude ist! Effektweg in einer weiteren Folge. Ich nehm mir jetzt noch'n Bier und geh randalieren. Bis gleich.

Update: Immerhin habe ich inzwischen das eher spärliche Manual konsultiert, und siehe da: 50/10/0,5 Watt. Das gibt's doch nicht, das Teil ist bei 0,5 Watt etwas lauter als der Vaporizer bei Anschlag! Hat aber dabei immer noch einen kultivierten Ton, während der Vaporizer aus dem sprichwörtlichen letzten Loch pfeift. Zudem kamen ein paar Spielereien mit Pedalen vor dem Amp dazu, anscheinend hat man beim Design wirklich wert darauf gelegt, dass man die fehlenden Gimmicks wie Hall oder einen zweiten Kanal mit Pedalen wetttmachen kann. Klappt alles sehr gut, ich habe sogar manchmal das Drivepedal ganz leise gemacht um ordentlich Zerre bei Zimmerlautstärke zu bekommen. Auch das klappt interessanteerweise hervorragend, auch wenn der Amp wirklich ein gewisses Level an der Endstufe braucht, um die Sonne aufgehen zu lassen. Es sind wahnsinnig viele Nuancen drin im Spiel zwischen Gain und Master, es klingt z.B auch cool, den Master aufzureissen und den Gain runter zu drehen. Ich weiß nicht wieso, aber mit dem Amp bekommt man wirklich schnell die stehenden Santana Feedbacks, das Umkippen in Obertöne und Sustain ohne Ende macht das DIng wie von Zauberhand ohne bis zur Unkenntlichkeit zu komprimieren.
Nächste Folge: Bandtauglichkeit und Effektweg sowie das Benehmen an der JCM 900 1960.

Sodale, heute referiere ich dann mal über den Effektweg: Der Schalter ist nach wie vor aus Stahlblech, ist aber längst nicht so schwer und massiv wie die bisherigen Schalter. Das Kabel daran ist ärgerlich steif, schlicht nicht gescheit handhabbar, Stacheldraht ist flexibler,Totalausfall! :thumbsdown01:
Dafür gibt es eeeendlich LEDs, die allerdings dann so hell sind, dass Augenschäden nicht ausgeschlossen sind. Danke Marshall, nach baffzig Jahren endlich Kontrolle per Optik! Die Schalter sind sehr leichtgängig, da fehlt mir persönlich der Druckpunkt, schalten aber komplett knackfrei. Gut gelöst: Wenn kein Kabel im return steckt, kann man schalten wie man will, da geht zwar die LED an, aber es passiert schlicht nix, man hat also auf jeden Fall Ton....was kann man durch so etwas an Fehlersuchzeit sparen! :thumbsup03:
Steckt das Kabel nur im send passiert auch nix außer LED. Kommen wir zum bekanntesten aller Marshallversagen: Der Effektweg klingt schon mal gern scheiße. Hier nicht: Blindtest mit nur Patchkabel im Loop beweist, keinerlei Unterschied! Geil! Wem da Höhen oder gain verloren gehen, der sollte dann langsam die 80er Ibanez Effekte einmotten... Der Fußschalter "überschreibt" den Gain Boost Poti. Wenn der Fußschalter angeschlossen ist, ist die Position des Potis völlig egal, dann hat immer die LED Recht.

Kommen wir zu meiner LIeblingsbox, der guten alten 4x12 1960; in meinem Fall zwei aus der JCM900 Ära.Bild.
So angeworfen wie daheim zuletzt eingestellt, fett! Auf 10 Watt macht es lautstärketechnisch dann einen ordentlichen Schritt nach vorn, am Sound ändert sich kaum was, auf 50 Watt plötzlich klart das Ganze noch einmal auf. transparenter, luftiger und auch wieder deutlich lauter, also eigentlich zu laut. ;)
Man muß halt ein wenig spielen und testen, um die geeignete Position aus Leistung, Master und Gain zu finden. Eigentlich über das gesamte Spektrum legt der Gain Boost dann nicht nur Gain, sondern auch Druck und Volumen nach. Klingt eigentlich lästig, aber man kann tatsächlich jeden Musikstil abbilden und hat eine unglaubliche Bandbreite zum Experimentieren, gerade für einen Einkanaler. Hat man aber umgekehrt "seinen" Sound gefunden, muß man für unterschiedliche "Venues" nur marginal nachregeln. Gefreut hat mich, dass das Ding eben kein handzahmes Remake ist, sondern auch das typische, mächtige, Donnergrollen der bösen schwarzen Türme hinbekommt. Je nachdem, wie man es mag, hat dann natürlich auch das 20W Head seine Berechtigung.
Ich habe mein Proberaumsetting bei 10 Watt, Master auf 12 Uhr und Gain auf 15 Uhr gefunden, aber unser Drummer spielt auch nicht wie ein Mädchen...
Und weil es so schön ist: Den DSL daneben gleich mal verglichen, fast identischer Sound, anscheinend weiß ich, was ich will... :roll: :mrgreen: Der DSL klingt sogar etwas bedeckter. Na gut: diese Marshallboxen sind fast 30 alt, die sind wirklich gut eingespielt, aber auch an der heimischen seventy/80 2x12 sind da keine fiesen harschen Höhen, man kann eigentlich einstellen was man will, es klingt immer gut: Stones, AC/DC, Hardrock oder eben auch clean per Setting oder per Gitarrenpoti, ich bin hin und weg. Und mit einem gescheiten Zerrer davor dann eben auch Metal in Reinkultur. Auch bei hohen Lautstärken behält der Effektweg seine schon beschriebenen guten Eigenschaften. Den JVM habe ich jetzt wieder daheim, im Proberaum durfte er nur noch als Einkanaler ran. Für unbestimmte Zeit bleibt nun erst mal die obige Zusammenstellung.
Eine wirklich zu vernachlässigendes Manko habe ich aber noch gefunden: Die Füße passen nicht in die Vorrichtung der 1960, man kann das Top nicht vernünftig mittig stellen. Das ist aber jetzt echt mal Korinthenkackerei... :muahaha:

Nur mal so'ne Gedankenspielerei: Den DSL 100H spiele ich nur auf 50 Watt und nur im Crunchkanal. Der "heavy"-Kanal klingt nämlich schiete, wenn man ihn nicht komplett anders einstellt, dann klingt aber der Crunch wieder banane! Ich benutze den also auch nur als Einkanaler, den Hall nur im Notfall. Gekostet hat der seinerzeit 730 €, guter Kurs im Rockland Witten und war nur als Zweitanlage für die Zweitband gedacht. Den gibt es nun nicht mehr, weil die den DSL als Reissue wieder aufgelegt haben und der wiederum fast einen Tausender kostet. Der handlichere Origin kostet nur 649 € und klingt sogar noch einen Tick besser. Zusätzlich reicht vermutlich meistens das 20 W Head, das sogar nur 549 kostet....Gräbt sich Marshall gerade selber das Wasser ab? :kopf_kratz01: Eine Anmerkung vielleicht noch: Man sollte nicht auf die Idee kommen, Silver Jubilee Amps mit in die Vergleiche zu ziehen, das ist eine ganz andere Baustelle als die "klassischen" Marshall Sounds, Tonestack und Zerrstruktur sind in einem ganz anderen Universum.

Und nun noch der Bandeindruck: Ich habe bewußt "nur" ein Halfstack benutzt, um eben nur den Origin zu bekommen. Hat aber durchaus gereicht...Mann, ist das Ding laut. Ich habe zwischendurch noch das eine oder andere nachgeregelt, was mir zu aggressiv oder aufdringlich schien, aber das Teil sägt sich deutlich besser durch den Bandlärm als der DSL oder der JVM, gerade die oberen Mitten sind prägnanter und offener als gewohnt. Das Verhalten an Pedalen ist mit 4 Drives (La Grange, OCD, Sweet Cream und Kaffir Lime) klasse, aber teilweise auch anders als gewohnt. Der La Grange ist so eingestellt, dass er nur wenig gain auflegt, die Lautstärke aber nicht erhöht. Macht man das am Origin mit Vol-Pot an der Gitarre auf 3-4 wird es aber plötzlich doch sehr viel lauter. Man muß also ggf. am Stressbrett noch ein wenig neu einpendeln. Nach wie vor überzeugt bin ich vom Effektweg, der nichts an Brillanz und Dynamik einbüßt, so daß man ggf. auch am Delay ein wenig Finetuning braucht. Im Bandkontext (für mich) wenig nützlich ist der Gainboost, weil er einfach nicht genug drauflegt, um einen singenden Leadsound zu bekommen. Aber z.B. ein Solo bei "Honky Tonk Women" ist damit gut zu realisieren.

Fazit: Für einen Einkanaler außerordentlich flexibel, Lautstärke für alle Gelegenheiten anpassbar, Gainboost ist ein nettes Feature, Effektweg ist klasse, Pedalverträglichkeit 1a, beim Aufklaren per Gitarrenpoti mit das Beste, das ich kenne.

Sound: Grandios, wenn man klassische Marshallsounds mag!

Womit rechtfertigt Marshall denn nun noch 2000 Euro für einen Jimi Hendrix Tribute Amp?
Zuletzt geändert von Paulasyl am Dienstag 15. Mai 2018, 12:58, insgesamt 6-mal geändert.
Mein Körper besteht zu 65% aus Müdigkeit, der Rest ist Hunger.

Benutzeravatar
Paulasyl
Beiträge: 3640
Registriert: Montag 12. Dezember 2016, 20:25
Wohnort: Anne Ruhr
Kontaktdaten:

Re: Fortsetzungsreview: Marshall Origin 50 Head

Beitrag von Paulasyl » Dienstag 8. Mai 2018, 20:44

Update1: s.o.
Mein Körper besteht zu 65% aus Müdigkeit, der Rest ist Hunger.

Benutzeravatar
Magman
Beiträge: 17687
Registriert: Montag 13. Oktober 2014, 18:17
Kontaktdaten:

Re: Fortsetzungsreview: Marshall Origin 50 Head

Beitrag von Magman » Dienstag 8. Mai 2018, 22:33

Danke für dein ‚wachsendes‘ Review :thumbsup03:
Bild
STOMPIN' HEAT …we are ready to rock :mosh:

Benutzeravatar
FretNoize
Beiträge: 1380
Registriert: Mittwoch 22. Oktober 2014, 23:03

Re: Fortsetzungsreview: Marshall Origin 50 Head

Beitrag von FretNoize » Mittwoch 9. Mai 2018, 08:59

Macht Spaß zu lesen ;)

Gitarrenzählerin, haha!
Top ten reasons why I'm lazy
1.

Benutzeravatar
setneck
Beiträge: 3081
Registriert: Mittwoch 22. Oktober 2014, 08:17

Re: Fortsetzungsreview: Marshall Origin 50 Head

Beitrag von setneck » Mittwoch 9. Mai 2018, 09:16

FretNoize hat geschrieben:Macht Spaß zu lesen ;)

Gitarrenzählerin, haha!
Ja, das fand ich auch sehr lustig!
Vor allem, weil ich dieses Problem (?) einfach nicht mehr habe! :D
Die beste Ehefrau von allen zählt nicht, sie wählt ihren aktuellen Favoriten. 8-)
Schöne Jrööss,
Thomas

Benutzeravatar
Manuel
Beiträge: 2545
Registriert: Donnerstag 16. Oktober 2014, 14:58
Wohnort: Moers

Re: Fortsetzungsreview: Marshall Origin 50 Head

Beitrag von Manuel » Mittwoch 9. Mai 2018, 13:45

setneck hat geschrieben:
FretNoize hat geschrieben:Macht Spaß zu lesen ;)

Gitarrenzählerin, haha!
Ja, das fand ich auch sehr lustig!
Vor allem, weil ich dieses Problem (?) einfach nicht mehr habe! :D
Die beste Ehefrau von allen zählt nicht, sie wählt ihren aktuellen Favoriten. 8-)
Mein Finanzminister hat zum Glück schlicht und ergreifend den Überblick verloren. :mrgreen:
Grusz,

Manuel

---------------------------------------------------------------------------------------------------------
Ich mag E-Gitarren, Röhrenverstärker und Effektgeräte, Hauptsache nicht zu teuer ... ;)

Benutzeravatar
tommy
Beiträge: 10986
Registriert: Dienstag 21. Oktober 2014, 20:51
Wohnort: Norderstedt SH

Re: Fortsetzungsreview: Marshall Origin 50 Head

Beitrag von tommy » Mittwoch 9. Mai 2018, 14:16

Manuel hat geschrieben:
setneck hat geschrieben:
FretNoize hat geschrieben:Macht Spaß zu lesen ;)

Gitarrenzählerin, haha!
Ja, das fand ich auch sehr lustig!
Vor allem, weil ich dieses Problem (?) einfach nicht mehr habe! :D
Die beste Ehefrau von allen zählt nicht, sie wählt ihren aktuellen Favoriten. 8-)
Mein Finanzminister hat zum Glück schlicht und ergreifend den Überblick verloren. :mrgreen:

Typische Bundeswehr Strategie....ttv.....täuschen, tarnen, verpissen! :mrgreen:
LG, Tommy


Esst mehr Obst!

Benutzeravatar
Paulasyl
Beiträge: 3640
Registriert: Montag 12. Dezember 2016, 20:25
Wohnort: Anne Ruhr
Kontaktdaten:

Re: Fortsetzungsreview: Marshall Origin 50 Head

Beitrag von Paulasyl » Mittwoch 9. Mai 2018, 19:30

Update 2.
Mein Körper besteht zu 65% aus Müdigkeit, der Rest ist Hunger.

Benutzeravatar
Keef
Beiträge: 1868
Registriert: Mittwoch 22. Oktober 2014, 13:42
Wohnort: Rhoihesse

Re: Fortsetzungsreview: Marshall Origin 50 Head

Beitrag von Keef » Mittwoch 9. Mai 2018, 19:45

Schön zu lesen. Wenn nicht mein BR wäre, könnte G.A.S. entstehen :thumbsup03:
"Ich kenne Sie irgendwoher..."
"Sie schauen zuviel Pornos!"
:lol:

Benutzeravatar
Paulasyl
Beiträge: 3640
Registriert: Montag 12. Dezember 2016, 20:25
Wohnort: Anne Ruhr
Kontaktdaten:

Re: Fortsetzungsreview: Marshall Origin 50 Head

Beitrag von Paulasyl » Donnerstag 10. Mai 2018, 16:29

Update 3
Mein Körper besteht zu 65% aus Müdigkeit, der Rest ist Hunger.

Antworten