TWA: MM-01 MiniMorph Dynamic Waveshaper

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Batz Benzer
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TWA: MM-01 MiniMorph Dynamic Waveshaper

Beitrag von Batz Benzer » Donnerstag 24. Oktober 2019, 22:09

Die Weise Andrea (TM) hat geschrieben:Das TWA gefällt mir auch...ein bisschen wie ein Analog Synth.
Vor allem sehr gut im Song eingesetzt von Mike Hermans!
Bild

Gegenstand dieser Besprechung ist das MM-01 MiniMorph des US-Herstellers TWA (Totally Wycked Audio). Dieses Gitarren-Effektpedal ist schwer zu beschreiben: Es handelt sich um einen "Dynamic Waveshaper"; ich nenne es ein Distortion/Fuzz, welches mit einem Envelope-Filter zusammen arbeitet. Aber nicht nach gewöhnlicher Auto-Wah-Manier, welches sich komplett anschlagdynamisch öffnet und schließt; der ausgebuffte Filter fährt andere Bereiche ab und dominiert das Klanggeschehen weniger seriell-direkt als subtil-interaktiv.

Ich sagte es ja: Schwer zu beschreiben. 8-)

In der Praxis erzeugt das Pedal Mono-Synth-ähnliche Klänge. Dies tut es aber nicht nach dem guten alten Einfach-Reinspielen-Prinzip; das geht hier gründlich ins Beinkleid und hat meist grausame Resultate zur Folge. Nein, man muss Equipment und Spielweise auf den MiniMorph einstellen; aus diesem Grunde wählte ich Andreas weise Worte für den Anfang, denn sie hatte das schnell und umfassend durchschaut. :thumbsup03:

Das Pedal kann also prinzipiell einiges leisten, aber das tut es am liebsten mit Palm Mute-Noten und gerne auch einem zugedrehtem Ton-Poti der Gitarre. Das muss einem zukünftigen Besitzer des MiniMorphs 100%ig klar sein und kann nicht stark genug betont werden: Anders klingt es eben einfach nicht nach "Stranger Things", Carpenter-Filmen 80er Wave- und Indie-Pop.

Bedeutet im Umkehrschluss: Wer seine Spielweise wie beschrieben umstellen kann, bzw. Palm Mutes ohnehin im Programm und einen Ton-Regler an der Gitarre hat, sollte mit dem MiniMorph seinen Spaß haben!

Und das wollen wir jetzt auch, doch dafür muss man dieses aufwändig gestaltete Pedal im violetten Glitterlack-Gehäuse mit Folie auf der Faceplate erst einmal aus dem schwarzen Säcklein zaubern, in welchem es geliefert wurde: Schnieke! :sabber:

Es gibt Drive und Gain, oha, ferner Dry, Morph und Level; Klinke rein und raus, 9V-Anschluss plus seitlich versenktem Mode-Schalter für den tendenziell spitzen oder fetten Ton.

Level ist klar, der regelt die Gesamtlautstärke. Dry blendet zwischen vollem Effektsignal und solchem mit klaren Trocken-Anteil (nicht komplett trocken bei Rechtsanschlag) hin und her. Der Morph-Regler lässt den kreischenden Wahnsinn auf die Welt los, der dann mittels der beiden Regler Gain und Drive wieder gebändigt werden kann.

Zementens, wieso denn bitteschön zwei Zerr-Regler? - Na, weil die unterschiedliche Facetten des Morphings freizusetzen wissen. Warum das so ist und was die genau machen? - Tja, gute Frage: Es wird im Manual zwar erklärt, dass sie an verschiedenen Stellen werken, aber ich verstehe die praktische Auswirkung nicht. :kopf_kratz01:

Muss ich auch nicht, solange ich weiß, wie ich mit den Regeln arbeiten kann: Je weiter man beide Regler aufdreht, desto mehr Morphing findet statt. Gleichzeitig erhöht sich aber auch der Schmutz-Anteil im Klangbild. Soll heißen: Es gilt, den Mittelweg für Dich, Deinen Stil und Dein Equipment zu finden, am dem Du maximale Wirkung erzielst.

Was mir hingegen wirklich fehlt: Ein Ton-Regler! - Wenn ich den meiner Gitarre ganz zudrehen kann und es klingt gut, fehlt dem Pedal diese Möglichkeit schlicht!

Aber weiter im Programm: Kaum kriegt das Pedal Strom, leuchtet die rote LED auch schon schwach: Äh, Moment, kaputt...? - Nein, das Manual sagt, dass das so muss: Beim Einschalten wird die LED dann heller. Na gut, warum nicht.

Lässt man das Morphing-Poti ganz links, kommt keine Verzerrung und kein Fuzz und kein Kampf der Frequenzen um die Vorherrschaft, wie es so schön im Manual heißt. Man kann so jedoch bei voll aufgerissenem Level-Regler schön boosten; allerdings habe zumindest ich das MiniMorph aus anderen Gründen erworben.

Also auf mit dem Morphing-Regler: Je weiter, desto wahnsinniger, und nicht immer schön. ;)

Daher kommen wir jetzt zu der Sache mit den zwei Pegel-Reglern: Hiermit bändigen wir die spröden und verfilzen Frequenzen, bis das Verhältnis von Effekt und Haaren stimmt. Mit dem Dry-Regler lässt sich Ton- wie Bassfundament hinzu fügen, da das alleinige Signal auch schon mal dünn sein kann.

Um genau das zu verhindern, sollte man an diesem Punkt mit dem Gitarren-Ton-Poti wie den Pickup-Positionen spielen, bis auch hier das Verhältnis stimmt.

Dabei bitte diverse Techniken, wie Palm Mutes, Hammer On/Pull Off, Bending, Slides, etc. probieren und auch mit der Anschlagstärke variieren; das alles führt zu anderen Ergebnissen.

Einfach ein paar Akkorde dreschen ist hier eben nicht. Bzw. natürlich auch, aber das klingt vollkommen chaotisch, ist dennoch im musikalischen Kontext denkbar. Nein, Single Notes machen das Spiel erst kontrollierbar. Wenn das denn das Ziel ist.

Anfangs hatte ich etwas Schiss, aber als ich meine Sweet Spots gefunden und den Trick mit dem Ton-Poti begriffen hatte, war alles bestens: Ich kann alle Klänge aus allen Videos 1:1 reproduzieren, und mehr wollte ich nicht!

Spiele ich über den Hals-PU bei geschlossenem Ton sanft um den 12. Bund herum, habe ich einen wie flüssiges Metall modulierenden 70s Disco-Soul-Funk-Ton zum Nackigmachen! :afro:

Dämpfe ich den Ton sofort nach dem Anschlag, habe ich einen perkussiven 80er-Synth. :cool01:

Da alle Zutaten rein analog sind, gibt es auch keine Latenz, was mir großes Vergnügen bereitet; überhaupt kann es extrem musikalisch reagieren, muss das aber nicht stets. Es ist dennoch bisweilen auch immer wieder überraschend, aber im angenehmen Sinne.

Den Mode-Schalter habe ich übrigens in der fetteren Position, da mir das Pedal ja eh schon zu viele Höhen hat - siehe "Ton-Regler".

Hier sind zwei schöne Klangbeispiele; ersteres ist das von Andrea erwähnte Mike Hermans-Video:





Fazit: Für ein nicht-Brot-und-Butter One-Trick-Pony finde ich 200€ selbst für so ein ausgetüfteltes Edelteilchen recht happig! Andererseits gibt es m.E. weit und breit kein vergleichbares Pedal, dass den Envelope-Filter jenseits der bekannten Klänge so spannend einsetzt, dass es bisweilen an einen gestimmten Ring-Modulator mit Flanger erinnert. Und es ist optisch aufwändig, wenngleich ich die Grafik selbst nicht soooo ansprechend finde, sie das Morphing-Thema jedoch ganz gut trifft.

Aufgrund der verlangten Spielweisen und Einstellungen einerseits und des speziellen Klanges halber andererseits bestimmt nicht El Pedalo für Jedermann! Für die verbleibenden mutigen Recken jedoch eine schöne neue Klangwelt, die Produktionen um besondere Klangfarben bereichern kann. :thumbsup03:

Lieben Gruß,

Batz.
"Lennon was the soul of the Beatles, Harrison was the spirit, Paul was the heart, and Ringo was the drummer."

- George Martin

SilviaGold

Re: TWA: MM-01 MiniMorph Dynamic Waveshaper

Beitrag von SilviaGold » Donnerstag 24. Oktober 2019, 23:18

Silvia findet das Review auch gut :D ...sowie den Demosong von M.H. suuuper!

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Batz Benzer
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Re: TWA: MM-01 MiniMorph Dynamic Waveshaper

Beitrag von Batz Benzer » Sonntag 27. Oktober 2019, 21:03

Hier habe ich ein m.E. gutes Beispiel für jemanden gefunden, der das Pedal "nicht versteht", es nicht in Szene setzen kann, indem er seine Spielweise anpasst:

"Lennon was the soul of the Beatles, Harrison was the spirit, Paul was the heart, and Ringo was the drummer."

- George Martin

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