Das ist zumindest auch stets meine Befürchtung, wenn ich wieder einmal Press Button! gemacht haben sollte; gibt das wirklich Sinn, so viel Patte für etwas rauszuhauen, was du im Prinzip doch schon hast?
Bisher ist das gut gegangen, und auch dieses Mal, so viel sei verraten, wurde mein Mut durch eine neue klangliche Spielart belohnt, die ich nicht nur noch nicht hatte, sondern mir auch schon lange herbei gesehnt habe.
Doch bevor ich mich an dieser Stelle bereits in klanglichen Ausprägungen verliere, fangen wir doch lieber mal ganz vorne an.
Castledine ist ein englischer Anbieter, dessen Supra-Vibe einiges Renommee in Foren genießt; für viele eines der besseren, für manche schlicht das beste Uni-Vibe out there!
Nicht ganz einfach zu ergattern, da England ja nicht mehr in der EU ist; 350 Pfund kostet das Teil, hinzu kommen Einfuhrsteuer und Zoll, so dass man letzten Endes bei knapp 500 Tacken rauskommt; ein teurer Spaß!
Zumal man so bereits in der Sabbadius-Preisklasse zwischen Tiny- und Funky-Vibe sitzt; kann das Supra ihnen das Wasser reichen?
Optisch präsentiert sich ein etwas größeres, schwarz (alternativ in grauer Hammerschlagoptik gehaltenes) lackiertes Metall-Gehäuse, das flacher als die vielen Mitbewerber ausfällt und somit besser mit dem Fuß zu erreichen ist; das geht doch schon mal gut los!
(Bildquelle: Audiofanzine.com)
Überhaupt macht dieses Produkt den Eindruck, bestens verarbeitet zu sein; eben Boutique at it's best: Castledine wirbt u.a. mit "high quality FR-4 glass-epoxy circuit board", "metal film resistors for low noise" und einer verbesserten Stromversorgung im Vergleich zum Original, die einen nebengeräuscharmen Betrieb garantiert.
(Bildquelle: Effectsdatabase.com)
An Regelmöglichkeiten gibt es Volume, Intensity und Speed, einen On/Off-Fußschalter für den Effekt sowie einen für die Cancel-Funktion, bei der kein Vibe anliegt, das Signal aber dennoch durch den Preamp klanglich gefärbt wird. Das ist ein sehr schönes Detail, auf das heutzutage immer mehr Wert gelegt wird.
An Klinkenbuchsen hat es Input, Output sowie einen Anschluss fürs Expression-Pedal; zwei große rote LEDs geben über Status der Fußschalter Auskunft, eine kleine über erfolgreiche Stromversorgung, der Stromanschluss verlangt nach 18V.
Und damit ist das äußere Erscheinungsbild auch bereits abgehakt, kommen wir zur Praxis:
Das Supra Vibe bietet maximal einen leichten Lautstärke-Boost, der absolut praxisdientlich, aber eben nicht allzu drastisch ausfällt; puh, Glück gehabt, denn ich mag meine Vibes gerne etwas lauter als das eigentliche Gitarrensignal, was hier gewährleistet ist.
Aktiviert man nun die Cancel-Funktion, gibt es einen satten Lautstärkesprung; tatsächlich liegen die Reserven also höher als im Effekt-Betrieb.
Das ist aus meiner Sicht tatsächlich der einzig signifikante Nachteil dieses Produkts, da somit der Wechsel zwischen Effekt- und Cancel im Live-Betrieb unpraktisch ausfällt. Im Studio kein Akt, aber im Live-Betrieb leider nicht praktikabel. Was schade ist, da der Cancel-Sound eine echte Bereicherung für jedes Klangbild ist und Wärme addiert.
Der Rest, den ich vom Supra berichten darf, ist hingegen ein Gedicht ohne Fehl und Tadel: Es präsentiert sich ein effektintensiver, stets tranparenter, fluider, nasser Vibe-Ton, wie ich ihn bislang nicht mein Eigen nannte!
Das assoziiere ich z.B. mit der Prescription Electronics Vibe-Unit, einem Aggregat, welches bereits seit über 20 Jahren mein Begehr darstellt; jetzt habe ich diesen Ton endlich!
Fallen im Zusammenhang mit anderen Vibes gerne mal Begriffe wie z.B. "zähflüssig", "schwer" oder "suppig", so agiert das Supra viel wässriger, ohne verwässert zu sein. Es ist effektintensiv, bietet viel Phasing und bei Bedarf und höheren Geschwindigkeiten auch sehr dreidimensionalen Throb mit Herzschlagqualität; es fehlen die "verklebten Mitten".
Gerade auf der tiefen E-Saite bezaubert das Pedal mit einer Durchsichtigkeit, die mir schon bei manchem Original positiv auffiel und die ich so mit keinem meiner Vibes hinbekommen habe: Ganz genau DAS assoziiere ich u.a. mit Hendrix, und ganz genau DAS ist das Alleinstellungsmerkmal dieser Gerätschaft!
Und obgleich es sich um den Klon eines originalen Uni-Vibes von 1968 handelt, erinnert es mich vielmehr an jene Vibe-Vibes, die ich eher mit Einheiten von 1969 verbinde: Alles ist im Fluss, das Phasing süß, nichts ist dunkel oder verhangen, sondern perfekt dosiert und meisterlich abgeschmeckt.
Was nicht heißen soll, dass es nicht auch kantiger kann: Bei höheren Speed-Werten - und es kann verflixt schnell, wenn gewünscht - und ordentlicher Intensity - hier sind auffallend viele klangliche Schattierungen auch in Richtung 1968 möglich -, wird das Supra schwer wuchtig und räumlich: WHOP-WHOUBP, WHOP-WHOUBP !!!
Ich hatte es an anderer Stelle schon einmal geschrieben: DEN Uni-Vibe-Ton gibt es nicht; schon die Originale hatten Streuungen ohne Ende. Hier liegt eine großartige Spielart vor, die vom archtypischen Ideal, das ich nach vor in den Funky-Vibes sehe, ein wenig abweicht, ohne dabei unauthentisch zu sein: Für die ein oder den anderen bestimmt ganz genau das, was man immer gesucht hat, anderen bieten sich entsprechende Alternativen.
Meines Erachtens ist es jedenfalls seinen eigentlichen Preis wert, lassen wir Zoll und Steuer mal außer Acht; das hier ist klanglich auf höchstem Niveau und gehört mit zur Speerspitze dieser Effektgattung.
Ach, bevor ich es vergesse: Nebengeräusche gibt es hier nicht; das Teil arbeitet vorbildlich diskret.
(Bildquelle: wah-wah.co.uk)
Fazit: Darf es etwas transparenter und fließender, weniger mittig-viskos als üblich sein? - Dann ist das Supra-Vibe - quasi das klangliche Gegenteil des Sweet Sound Ultra Vibe II - wie für Dich gemacht!
Sieht man von der Volumen-Abstimmung von FX-Signal zu Cancel-Signal einmal ab, leistet sich Castledines Vibe-Interpretation keine Ungereimtheiten oder gar Ausfälle.
Ich kann dieses Vibe all jenen empfehlen, die es glasiger und nicht ganz so klebrig mögen, ohne dabei auf Effektintensität oder Throbbing in Herzschlagform verzichten zu wollen.
Lieben Gruß,
Batz.
