Entsprechend hoch sind die Anforderungen, bzw. Erwartungshaltungen: Wird der neue Bewerber tatsächlich NOCH besser sein als das, was es bereits gibt...?
Diese Messlatte liegt im Fall des Gypsy Vibes von Pedal Pawn sogar ganz besonders hoch: Kündet bereits der aufgerufene Preis von rund 500€ kaum von falscher Bescheidenheit, sind sowohl die eigenen vollmundigen Versprechen, die vom "biggest throb in the ladyland" und "we haven't built a vibe, we've built a time machine" parlieren als auch die Tatsache, das sich Mick wie Dan von "That Pedal Show" begeistert zeigten und Josh Scott (JHS Show) vom "besten Univibe-Klon des Jahres 2021 und womöglich der kommenden Jahre" berichtete, schuld.
Hossa, das sind allesamt mal Ansagen; kann die kuhle Kiste aus UK diesen Ansprüchen tatsächlich gerecht werden und Genüge leisten? - Lasst es uns gemeinsam herausfinden!
(Bildquelle: pedalpawn.com)
(Einführende Worte Ende; hier bitte gedanklich das Intro von "Batz Benzer's VIBE Show" einblenden!)
Mit dem Aufkommen der ersten You Tube-Demos des Gypsy Vibes wurde selbstverständlich auch mein Interesse geweckt; jedoch gefielen mir diese Vorstellungen nicht so recht, und ich gab dem Pedal Pawn-Aggregat selbst die Schuld daran: Doofes Ding!
Tatsächlich decken sich meine Vibe-Präferenzen aber offenkundig nur nicht dem Gros der Vibronauten da draußen, so dass hier in nahezu keinem Video Intensität und Speed meinem Gusto entsprachen und mein Eindruck somit ein falscher war, wie ich mittlerweile nicht nur ahne, sondern weiß. Aber dazu später mehr, kümmern wir uns erst einmal um die äußere Erscheinung, die Anforderungen und Möglichkeiten des Gypsy Vibes:
Da isser wieder, der archaisch fette, rechteckige Kasten, mit dem wir so viele Vibes asoziieren, die nicht dem originalen Pult- oder modernen Hammond-Design folgen; muss das so...? - Nee, muss nicht unbedingt, aber aber psychologisch ansprechender zu sein, frei nach dem Motto: Wo viel drum, da auch viel drin! - Und ich würde lügen, wenn ich nicht zugeben würde, dass das auch auf mich so wirkt; so bin ich eben dank vieler Hersteller sozialisiert.
Es liegen die üblichen Bedienelemente vor: In- wie Output und 18V-DC-Anschluss rückseitig, oben eine fette Piloten-Kontrolleute in rot (pulsiert im Takt), zwei Potis für Lautstärke (Volume) und Intensität (Throb), ein großes, auch per Fuß bedienbares Poti für die Geschwindigkeit (Min-Max), der bekannte rot-weiße Wippschalter für Chorus- und Vibrato-Betrieb (C/V) sowie der On/Off-Switch.
Letzteren per Fuß zu bedienen ist dank der Nähe der beiden kleineren Drehregler, die Spiegelungen halber überdies nicht gerade vorteilhaft abzulesen sind (versucht in Videos mal zu sehen, wie die eingestellt sind
), unnötig mit der Gefahr verbunden, in der Hitze des Gefechts auch mal mehr per pedes zu erwischen als beabsichtigt: Das würde ich als ersten kleinen Minuspunkt werten. 
Geliefert wird das Vibe in einem edlen schwarzen Säcklein inmitten eines schmucken schwarzen Kartons mit Magnetverschluss, Case Candy ist in Form von Anpreisungsbanner (ein Manual wäre mir hier lieber gewesen; so habe ich geraten, dass In- und Output wie üblich verteilt sind), Aufklebern und einer Tüte Haribo vorhanden; letzteres ist für mich als Bonner natürlich ein wenig "Eulen nach Athen tragen", aber dafür kann der Hersteller ja nix.
(Bildquelle: pedalpawn.com)
Ob einem das grundsätzliche optische Design gefällt, ist Geschmackssache; meine Sache ist es nicht unbedingt, aber ich finde es jetzt auch nicht ausgeschprochen hässlich; und ikonisch mit hohem Wiedererkennungsfaktor isses allemal. Und rein violette Pedale gibt es auf dem Vibe-Sektor wahrlich genug.
Soviel also zu den äußeren Werten, kommen wir zu "auf dem Platz" und der Performance; mein allererster Gedanke nach Inbetriebnahme war: "Jou, is'n Vibe; warum der Hype...?".
Das habe ich anfangs beim ersten Annähern aber öfter und muss nix heißen, schließlich muss und möchte ich erst mal ein wenig an den Rädchen drehen und mit den Möglichkeiten spielen.
Dabei fällt mir auf, dass es das Volumen erlaubt, das Signal bei Vollauslastung leicht, für mich in perfektem Maße, zu boosten; sollte jemand tatsächlich mehr wollen, hat er eben Pech gehabt, denn sooo viel Spielraum nach oben gibt es nicht.
Die Intensität ist fürwahr über den gesamten Regelwegs sinnvoll dosierbar, die Geschwindigkeit bietet an beiden Enden keine ungewöhnlichen Extreme; auch das ist für meinen Geschmack perfekt, für andere eventuell zu wenig: Weder stottert es brutal noch fließt es so langsam, dass die Bewegung kaum auszumachen ist.
Wirklich außergewöhnlich gelungen ist das Zusammenspiel von Throb und Speed: Hier lässt sich in jeder Geschwindigkeit Inten- wie Extensives erzielen, so dass jede Geschmacksrichtung bedient wird; jene, die es brutal throbben lassen wollen wie das gegenteilige Lager, das süßes, viskoses Phasing liebt sowie alle Schattierungen dazwischen. Das gibt es so selten, und das ist wirklich weltklasse!
Denn mit Aufdrehen der Geschwindigkeit ändert sich das Klangverhalten ziemlich; jenseits der 12h und spätestens ab 14h liegt dermaßen heftiger Throb an wie ich es noch nie bei einem Serienprodukt gehört habe: Herzschlag vom Heftigsten!
Diesem kann man denn durch Zurückrudern mit dem Throb-Poti entgegen wirken.
Umgekehrt erlaubt Throb tiefes Phasing auch bei langsameren Speed-Einstellungen diesseits der 12h; und ganz genau soooo muss das!
Der Punkt "praxisdienliche Abstimmung" ist zu meiner vollsten Zufriedenheit erfüllt: Eins plus mit Sternchen!
Kommen wir zur Klanggüte: Neben absolut keinen Eigengeräuschen strahlt der Ton eine bisher noch nicht gehörte, gebirgsflussklare Reinheit aus und ist im EQing perfekt abgestimmt! Kein wummernder Bass, keine spitzen Höhen, ohne klebriges Phasing, nicht zu nuschelig auf Pseudo-Vintage gebürstet, nicht analytisch modern, nein, einfach 100%ig auf den Punkt gebracht mit gefühltem Headroom ohne Ende, schön transparent auf der E6, suppig-fett im Diskant, insgesamt dreidimensional und plastisch; wirklich beeindruckend!
Kurz und knapp: Ich bin verliebt! - Und zwar in eine nicht aufgebrezelte, natürliche Schönheit mit massivem, schön geformten Vorbau (=Throb), um die hoffentlich nicht allzu chauvinistische Parallele auf die Spitze zu treiben.
Was würde Samuel L. Jackson mit der Synchronstimme von Helmut Krauss in Pulp Fiction dazu sagen: DAS IST EIN GUTES VIBE!!!
Zumal es sich wirklich gut im Mix behaupten kann und dank nicht übertriebenem Bass-, bzw. unterem Mitten-Bereich gut ortbar bleibt; andere Mitbewerber klingen im Stand-Alone-Betrieb vielleicht beeindruckender, bleiben dann aber im musikalischen Kontext auf der Strecke.
Wer solch ein Vibe-Erlebnis sucht und den Throb nicht braucht, der wird auch anderswo fündig; wer diesen Kardio-Throb im Extremen jedoch sein Eigen nennen mag, der kommt ums Anspielen des Gypsy Vibes nicht herum. Punkt.
Die Kombination aus höchster Klanggüte, großartigen Abstimmungsmöglichkeiten bis zum einzigartigen Superthrob beschreibt das Alleinstellungsmerkmal dieses Uni-Vibe-Angebots wohl am besten.
Zum Schluss die ewige Gretchenfrage: Isses das aufgerufene Geld wert? - Das ist für mich schwer zu entscheiden; bei 350€ hätte ich die Frage eindeutig positiv beanworten können. Bei knapp 500€ muss das jeder mit sich selbst ausmachen; und wer diesen Throb will (ICH! ICH! ICH!
), der hat sich bereits entschieden.Klar, ein Cancel-Schalter wie Expressionpedal-Anschluss gehören mittlerweile zum guten Ton und hätten dem Pedal mit dem heutzutage etwas unangenehmen, aber eben historisch zu erklärenden Namen gut zu Gesicht gestanden; benutzen tue ich beide allerdings nie wirklich, und der große Geschwindigkeits-Regler erlebigt den Job auch zu meiner vollsten Befriedigung.
Fazit (bitte über das gedankliche Outro von "Batz Benzer's VIBE Show" zu hören): Der neueste heiße Scheiß im Electric Ladyland heißt Gypsy Vibe: Klanglich ohne Fehl und Tadel; edel, hilfreich und gut!
Eine tolle Interpretation des Klassikers, der eindeutig mit zur Speerspitze der Univibe-Epigonen gerechnet werden muss und einfach nichts, aber auch gar nichts falsch macht. Das einzige, was ich an der Kiste unnötig unvorteilhaft finde, ist die direkte Nähe von Fußschalter und Potis: Switch hart nach Backbord, und alles wäre gut!
Für 'nen guten Fuffi mehr gibt es dann jedoch auch schon die beiden günstigeren Sabbadius-Vibes, das 68 und das 69. Daher würde ich diese in meine Kaufüberlegungen einbeziehen, bevor ich Press Button! mache; allerdings erreicht keines der argentinischen Produkte diesen bei Bedarf einzigartig vordergründigen Throb des Gypsys, und wer das möchte, kommt an diesem Vibe einfach nicht vorbei!
Lieben Gruß,
Throb Stewart.
PS: In Deutschland ist das Gypsy Vibe über www.loopersparadise.de zu beziehen.
