Gegenstand dieser Betrachtungen ist das Tube-Vibe, Version TV-5A, des englischen Herstellers Effectrode alias Phil Taylor, dessen Motto "electric guitar sounds better with tubes" auch hier Programm ist und zu einem audiophilen HiFi-Klangerlebnis lädt: Mal sehen, ob eine 12AU7 und zwei 12AT7 tatsächlich den Klang eines Uni-Vibes verbessern können.
(Bildquelle: Reverb)
Da war ich bislang nämlich skeptisch: Tatsächlich hatte ich schon einige Effektgeräte mit Röhre, von denen mich bis dato kein einziges wirklich hat überzeugen können, so dass ich für mich zu dem Schluss gelangt bin, dass das einfach bloß teure Augenwischerei sei; Pedale brauchen keine Röhren!
Auch gibt es auf YouTube nur ein einziges Video, in dem mich das Tube-Vibe von sich überzeugen konnte; es klang mir in den anderen Demonstrationen stets zu "lasch", ganz im Gegenteil zu "lush".
Warum habe ich denn dann jetzt doch eines? - Nun, Gelegenheit mach Liebe: Bonn und Beuel werden lediglich durch den Rhein getrennt, und da jemand rechtsrheinisch ein solches Kistchen via Kleinanzeigen feilbot, wir uns im Schriftverkehr sympathisch und überdies auch noch handelseinig wurden, habe ich, getreu dem schon einmal hier zitierten Motto aus dem Kevin Smith-Film Mallrats "understanding is only reached after confrontation", kurzerhand Nägel mit Köpfen gemacht.
Das Tube-Vibe kommt penibelst verarbeitet in einem violetten Gehäuse, dessen Größe mir bereits vom Supra- oder foster390 Uni-Vibe bestens vertraut ist, nur dass hier rechter Hand zwischen zwei fetten Sicherheitsbügeln aus Stahl drei Vorstufenröhren wie oben bereits benannt stecken; das hat was und ist u.a. ein Markenzeichen diverser Effectrode-Pedale.
Ansonsten befinden sich Potis für Speed, Intensity und Volume nebst Fußschalter und pulsierender roter LED auf der Oberfläche; die uns abgekehrte Seite birgt den 12V-Stromanschluss (Center positiv; ein Netzteil ist im Lieferumfang bereits enthalten), einen Umschalter für Classic- oder Smooth-Betrieb sowie einen weiteren für die Chorus/Vibrato-Wahl und Klinkenbuchsen für In, Out plus Expression-Pedal (z.B. Boss EV-5).
Im Inneren gibt es noch ein Trimpoti für den Effektanteil; das war's.
Bis hierhin war es für mich einfach, jetzt wird es kompliziert; nämlich das haptische wie Hör-Erlebnis in Schriftform zu gießen. Ich mag es dennoch mal probieren...:
Tatsächlich klingt das Pedal "größer" als jedes andere, welche sich bisher unterm Fuß hatte; alle anderen Vibes scheinen beengt und begrenzt dagegen, obgleich viele von denen effektintensiver agieren. Widerspruch? - Nee, eben nicht; das macht es ja eben so schwer zu vermitteln!
"HiFi" und "audiophil" kommt schon mal gleichermaßen hin; warm, weich und extrem aufgeräumt tönt es ebenso. Das Klangbild fördert sehr angenehme obere Mitten, in denen der Vibe-Effekt besonders prominent ist; dafür muss es dann nicht besonders aufregend "swooshen", um klar wahrgenommen zu werden.
Das wird durch die abartig hohen Lautstärkereserven des Tube-Vibes zusätzlich unterstrichen; kurz vor 12h ist bereits "unity" erreicht. Alles danach liefert mehr; dreht man Intensity nun ganz raus, dient das Effectrode-Aggregat als zusätzliche Röhren-Vorstufe und degradiert andere Vibe-Pedale, die eine ähnliche Funktion per Cancel-Switch anbieten insofern als diese plötzlich "gritty", dreckig und grob auflösend im direkten Vergleich wirken!
Wird hingegen Speed auf Null gesetzt, friert es die gerade aktuelle Frequenz ein und bietet somit interessante, in den Mitten ausgehöhlte Klänge; noch'n Bonus!
Die eigentliche Modulationskurve hat keinen ausgeprägten Throb und auch kein besonders tiefes Phasing, aber die zuvor beschriebenen Eigenschaften lassen es dennoch hervorstechen. Niemals unangenehm, verklebt oder gar giftig; all dies ist dem Tube-Vibe fremd!
Hierzu addiert sich ein sehr subtiler, geschmackvoll-homöopathisch angestimmter Tremolo-Effekt, der zum räumlichen Eindruck beiträgt, ohne sich aufzudrängen, so dass mensch ihn erst nach einger Zeit wahrnimmt.
Habe ich beim KR Mega Vibe geschrieben, dass es den Ton grundsätzlich anwärmt und auf musikalischste Weise sanft wie mittig gestaltet, so trifft dies in potenziertem Maß auf das TV-5A zu; nichts wirkt klanglich verbogen, sondern klar und rein, ohne jegliche Härte. Gerade die von großer Wärme durchzogene Transparenz auf der E6 sucht ihresgleichen!
Das sind allesamt Eigenschaften, die man als Gitarrist im direkten Vergleich hört wie spürt; im Mix jedoch drohen diese Formanten dann eher etwas unterzugehen: Hier haben eventuell die schmutzigeren, stumpferen Vibes mit verbogeneren, spektakuläreren Phasing-Kurven und stärker ausgeprägtem Herzschlag-Throb die Rotznase vorn.
Was einen gewissen David Gilmour nicht davon abgehalten hat, sich ein solches Tube-Vibe in den Fuhrpark zu holen und bisweilen seinem originalen Uni-Vibe vorzuziehen; so viel also dazu.
In diesem Kontext wird vielleicht auch nachvollziehbar, weshalb ich bei der Effectrode-Tretmine immer wieder an die geschmeidig-warmen Phaser-Sounds der 70er und an eine idealisierte HiFi-Variante des MXR Phase 90 ohne kristalline Ecken und Kanten denken muss: Das sind ganz genau die Vibes, die dieses Vibe für mich ausstrahlt!
Zumal Gilmour sein Uni-Vibe bereits Mitte der 70er durch besagten Phaser ersetzt hat.
Ich hoffe, die eingangs eingestandene Widersprüchlichkeit mittlerweile aufgehoben zu haben: Das Tube-Vibe klingt immer (überlebens)größer als jedes andere (effektintensivere) Vibe, egal, was man nun dagegen hält; wer ein solches Erlebnis für sich braucht, wird mit anderem, auch teurerem Besteck nicht glücklich werden!
Für mich ist es ein weiteres Mal spannend zu erfahren, wie viel Variation im Thema Univibe steckt, ohne dass sich die Dinge wiederholen. Und ja, mein Eindruck, dass Röhren in Effektgeräten obsolet sind, hat sich ein für allemal erledigt und als Vorurteil erwiesen.
Gibt es etwas, was mir nicht gefällt? - Ich bräuchte den Classic/Smooth-Switch nicht, da letztere Betriebsart mir schlicht zu fade ist; aber ich muss sie ja nicht nutzen. Auch ist das für mich von der Geschwindigkeit interessante Spektrum durch den Volume-Regler sehr "zusammen gepfercht", was aber ebenfalls kein echter Nachteil ist, sondern lediglich meiner Präferenz entspricht.
Nur das Klangbild direkt nach dem Einschalten per Fußschalter sagt mir nicht so zu; das ist nicht nahtlos, sondern mit einem "Absacken, gefolgt von steifem Anblubbern" verbunden, das ich so nicht kenne und auch nicht mag. Betrifft aber lediglich einen Bruchteil der ersten Sekunde.
385€ kostet der Spaß übrigens; und da es deutlich kostenintensivere Mitbewerber auf dem heiß umkämpften Markt gibt, halte ich dieses Angebot für nachvollziehbar wie fair: Daumen hoch!
Fazit: Das Effectrode TV-5A bietet ein hochgradig fideles, audiophiles Vibe-Klangerlebnis mit Betonung der oberen Mitten als Alleinstellungsmerkmal; das kann so kein Mitbewerber!
Kein spektakulärer Kurvenverlauf, kein Monster-Throb, kein Höherweiterschneller, sondern typisch britisches Understatement bei maximaler Qualität mit klassischem Stil; quasi der Bentley oder Rolls Royce unter den Vibes: Eleganz pur!
Bleibt die Frage, ob das live oder im Mix tatsächliche Vorteile bietet; daheim im Klangbild schwelgend und im direkten Vergleich mit anderer Mütter Töchter gibt es wohl nichts, was größer, wärmer und klarer, reiner, wohl aber effektintensiver agiert. Mensch muss eben wissen, was mensch will.
Lieben Gruß,
Batz.
PS: Hier zwei Klangbeispiele, die u.a. das Spektrum der klanglichen Möglichkeiten illustrieren sollen:
