Dank Christian Neander war also der Gitarrist in mir plötzlich auf der Suche nach diesem Sound: Ein Dunlop Rotovibe, eigentlich ein mehr dem Univibe ähnlicher Phaser plus Verzerrung, schien mir zunächst einmal ausreichend zu sein.
Es folgten viele „echte“ Rotary-Pedale, angefangen beim Danelectro Rocky Road, dem „poor man's rotary“, über H&Ks Rotosphere bis hin zum Korg G4, welches Ende der 90er im Rack landete und den Job jahrelang zu meiner vollsten Zufriedenheit erledigte.
Mit dem Aufkommen des RT-20 Rotary Ensembles von Boss hielt auch dieses Einzug ins Haus und besiedelte schnell mein großes Effektboard, wo es auch noch heute sitzt: Ich war lange Zeit wunschlos glücklich mit dieser Lösung, die Psychedelik nicht nur für die Ohren als vielmehr ebenso für die Augen bietet.
Doch mit dem Aufkommen der Neo Instruments-Produkte wurde ich etwas nervös, äußerten sich doch viele Musiker dahin gehend, dass es sich hier um einen Quantensprung in Richtung Authentizität handeln soll.
Gut, dass der erste Ventilator gar nicht spezifisch für uns Gitarristen war; so gelang es mir, dieses Produkt noch zu ignorieren.
Zumal ich zwischendurch ein Zoom MS-50G erworben hatte und diesem, geparkt auf meinem kleinen Brot- und Butter-Board, erschreckend erwachsene Rotary-Klänge entlocken konnte, wenngleich hier leider keine Ramping-Funktion vorliegt.
Als jedoch ein Kumpel und Ex-Schüler hier eines Tages mit dem Vent II aufschlug, konnte mich dieses schwerst begeistern wie überzeugen: Verdammt, mein Interesse war endgültig geweckt!
Nicht, dass es mein RT-20 wirklich deklassiert hatte, aber es birgt eben seine eigene, großartige Klangkultur, die mir parallel extrem gut gefiel.
Hinzu gesellten sich Eindrücke durch Diets Einspielungen, die ausgesprochen schmackhaft in meinen Ohren nachhallten; irgendwann würde ich zuschlagen und mir auch so'n Apparillo zulegen!
Nur... welchen? - Den Mini Vent II ohne Regler, der die Auswahl zwischen diversen Voreinstellungen erlaubt? Oder das Mutterschiff, den Ventilator II, der sich wesentlich detaillierter regelbar präsentiert? - Oder den „neuen“ Micro-Vent, endlich mit 9- statt 12V-Anschluss, dafür nur in mono...?
Stereo war und ist mir nicht wichtig; im Live-Setup hat das natürlich keine Rolle gespielt für die ein, zwei Einsätze pro Abend, zumal mensch jeden Live-Mischer so in den Wahnsinn treibt. Und das Leslie-Signal bei meinen Vorbildern ja auch meist mono in den Mix kam.
Aber die üppigen Regelmöglichkeiten bewogen mich letzten Endes, mich doch nach dem großen Modell umzusehen.
Tja, und ganz genau solch ein Exemplar liegt mir nun seit ein paar Tagen dank vertrauensvollen Tauschhandels zu Füßen!
(Bildquelle: https://neo-instruments.com )
Der Ventilator ist wie ein Panzer gebaut, schweres wie robustes Metallgehäuse für die Ewigkeit, das Vertrauen schafft.
Dank Vertiefung gut geschützt vor Tritten sitzen die Potis, verantwortlich für beide Geschwindigkeiten, schnell und langsam, der Balance zwischen virtueller Trommel und Horn, den Rise- und Fall-Zeiten für den Geschwindigkeitswechsel per Fußschalter, dem Verzerrungsgrad, dessen Mixanteilen für Höhen und Tiefen sowie der Lautstärke.
Manche dieser Funktionen werden durch Zweitbelegung einiger Regler erreicht, wofür die beiden äußeren Fußschalter gedrückt behalten werden müssen; das kann zumindest ich mir sehr gut merken, so dass diese Doppelbelegung zu keinerlei Verwirrung oder Orientierungslosigkeit führt, wie mensch es vielleicht von anderen Produkten dieser Art kennt. Zumal die jeweilige Zweitfunktion ebenfalls unterm jeweiligen Poti aufgeführt ist.
Fußschalter gibt es für An/Aus (True Bypass, der auch so tönt, nämlich garrr nächt), Slow/Fast und die Stop-Funktion, bei der beide Lautsprecher zur Ruhe kommen, die mittige Klangformung aber bestehen bleibt.
LEDs gibt es eine für On/Off, eine weitere für Overload sowie jeweils eine weitere für Trommel- und Horn-Geschwindigkeit, die unabhängig voneinander agieren und somit viel tonale Lebendigkeit versprechen.
Alle rückseitigen Anschlüsse, In wie Out, sind doppelt für den Stereobetrieb vorhanden, es gibt einen Druckschalter für die Eingangsempfindlichkeit (Hi/Lo), eine Buchse fürs Expression-Pedal sowie den Anschluss für die eher exotischen 12V (Tip positiv); gut, dass ein passendes Netzteil inkl. weltweit funktionierender Steckeraufsätze gleich beiliegt!
Alle Einstellmöglichkeiten des Neos zu beschreiben würde den Rahmen dieses Tests wohl sprengen; wer es genau wissen und z.B. was über die unterschiedlichen Klangmodi GIT1, GIT2 und KEY erfahren möchte, findet hier die Bedienungsanleitung: https://neo-instruments.com/wp-content/ ... _de_en.pdf
(Bildquelle: https://neo-instruments.com )
So viel also zur äußeren Erscheinung wie den gegebenen Möglichkeiten, auf in die Praxis:
Tatsächlich ist das klangliche Niveau dieses Aggregats tief beeindruckend: Gerade im Vergleich mit Mitbewerbern fällt auf, wie fein auflösend, wie komplex und transparent der Ventilator II agiert!
Ich habe das Gefühl, dass derrr Gerrrät quasi die 4K-Bluray-Variante des Rotary-Themas darstellt, derweil andere Gerätschaften auf Bluray-, DVD- oder VHS-Niveau abliefern; ich spüre quasi die Rechenleistung, die nur darauf wartet, mich im Wohlklang baden zu lassen.
Hochgradig interagierende Unabhängigkeit von Trommel und Horn sind hier schon mal beste Voraussetzung; auch wirkt der Ventilator II nicht bloß in den Mitten, sondern übers gesamte Frequenzspektrum.
Dabei sind sämtliche Nuancen regelbar: In den Höhen zu komplex verschränkt? - Dann weg damit! - Oder zu wenig Klarheit? - Can do! - Das typische Mittenknurren gefällig? - Dank Drive und EQing kein Problem!
Auch die Regelbarkeit des Ramping-Effekts, des Anlaufens und Abschwellens, kann ganz nach Gusto geschneidert werden, so dass jeder seinen idealen Klang im Kopf umsetzen und in die Realität holen kann!
Das ist schlicht perfekt gemacht: Kein Wunder, dass sich nirgendwo eine Stimme findet, die etwas Schlechtes zum Ventilator II zu sagen hat!
Ja, super, oder? - Also können alle ihre bisherigen Leslie-Imitatoren verkaufen, da wir samt und sonders nur noch dieses eine Produkt brauchen...? - Und wenn sie nicht gestorben sind, dann dopplern sie noch heute...?
Naja, der Ventilator bringt schon seine eigene Klangkultur mit, die auch nur in Grenzen zu verändern ist. Das komplexe Wechselspiel von Trommel und Horn zum Beispiel kann auch einfach mal „zu viel“ sein und im Mix zu sehr ablenken. Auch tönt es eher HiFi denn mittig, ist fast mehr idealisierte Idee des Rotary-Klangs denn realistische 1:1-Kopie.
Und wie sähe diese überhaupt aus? - Allein das Mikrofonieren sorgt ja schon dafür, dass es den „einen“ Leslie-Klang gar nicht geben kann; ganz zu schweigen vom Raum, dem Amp davor, dem Spieler, der Gitarre, etc.
Je nachdem, welcher dieser Klänge uns hier im Kopf herum spukt, könnten Mitbewerber dann doch wieder die Nase vorn haben.
Was meines Erachtens auch sehr gut so ist: Es lebe die Vielfalt!
In diesem Sinne habe ich El Ventilatore gegen meine anderen Schwurbelinchen antreten lassen und mag davon kurz erzählen:
Hat das Neo im Slow-Setting einen beeindruckend schönen Chorus am Start, bietet das G4 eher einen mittigen Flanger, dessen Klangbild weniger interagiert, dafür aber auch ruhiger wie beruhigender wirkt.
Das erinnert mich auch im Fast-Modus eher an George Harrisons Beatles-Ton, und das hat der Ventilator so nicht drauf.
Denn dieser hat mehr nervöse Pitch-Modulation im Klangbild, die Peaks sind extremer, es "flirrt". Das wirkt erst einmal beeindruckend, kann dann aber eben auch mal zu viel des Guten - nach dem Motto "too much information" - sein.
Das Boss RT-20 parkt sich ziemlich genau dazwischen, ist komplexer (und "schwingt weiter") als das G4 und wärmer als das (noch breiter modulierende) Neo. Und deswegen bleibt es auch, zumindest erst einmal, auf meinem großen Board!
Das Zoom hat mich zunächst einmal schwerst fertig gemacht, da es in schneller Einstellung nicht schlechter klang als der Ventilator. Also... tatsächlich: Besser. Zumindest erst einmal.
Nach ein wenig Schraubens am flexiblen Neo hatte dieses dann schnell wieder die Nase vorne, zumal es, im Gegensatz zum Zoom, rampen kann, und zwar, wie bereits erwähnt, so schnell, bzw. langsam, wie ich das eben haben mag.
Dennoch erwähnenswert, wie sehr sich der Zoom-Algorhythmus und das Timbre des Ventilators ähneln!
Diesen Vergleich (Reihenfolge jeweils RT-20, G4, Ventilator II; einmal über den Hals-PU, das andere Mal in Steg/Mitten-Zwischenstellung) könnt Ihr Euch ebenfalls gerne anhören, und zwar hier: https://www.dropbox.com/s/v3bpzk8xl3vpc ... 2.mp3?dl=0
(Bildquelle: Privat)
So, wie immer zu guter Schluss noch die Frage, ob es Negatives zu berichten gibt? - Naja, es rauscht ein wenig. Aber das hält sich in absolut vertretbaren Grenzen und ist den wenigsten Mitbewerbern, auch in höheren Preisgefilden, fremd und gehört, je nach Betrachtungsweise, ja vielleicht auch ein wenig zur Authentizität.
Oder frei nach Beppo: Wenn's net rauscht is kaputt.
Fazit: Das komplexeste, am breitesten und tiefsten modulierende Rotary-Pedal überhaupt, mit voller Bedienungs-Ausstattung bei Spitzenverarbeitung; ich kann jetzt vollkommen nachvollziehen, warum Seine Majestät Ventilator II. von Neo Instruments und Gottes Gnaden unangefochtener König der Leslie-Surrogate für Saiten- wie Tasteninstrumente ist!
Irrsinnig flexibel mit zahlreichen bis -losen Klangbildern aus dem Rotary-Kosmos, der feinsten tonalen Auflösung und wahnwitzig lebendiger Interaktion von Trommel und Horn.
Was auch seinen Preis hat: 470€ sind nicht für alle mal eben locker zu machen...
Es mag nicht jeder tonalen Vorstellung eines Rotarys entsprechen, aber je anspruchsvoller, detailverliebter, HiFi-esker und komplexer diese ausfällt, desto wahrscheinlicher handelt es sich bei Neos Primus um den richtigen Kandidaten.
Ich persönlich bin vollkommen begeistert und weiß die direkten Regelmöglichkeiten gegenüber dem Mini Vent II sehr zu schätzen!
Dennoch werde ich mein RT-20 behalten...
Liebe Grüße,
Batz.
PS: Und hier wie immer (wenn aussagekräftig) der gespielte Witz; viel Vergnügen...:
Hier u.a. im direkten Vergleich mit einem echten Leslie:
