Kramer Striker Figured HSS FR TR Transparent Red

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Paulasyl
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Kramer Striker Figured HSS FR TR Transparent Red

Beitrag von Paulasyl » Samstag 1. April 2023, 18:29

Ich fange hier schon mal ganz vorsichtig ein Review an. Eigentlich nur, um dem Spatz Spenzer die Genugtuung zu geben, dass dem sein Aprilscherz feldmarshallmäßig im Essen haut. Och menno, getz wir der Forum gerade wieder grammatich eingeteutont...

Back to topic:

ich kam auf diese Klampfe, während ich mich vor der Arbeit drückte und bei den einschlägigen Dealern mal so rumguckte. Schicke Optik, Kramer, geiles rot, und FR zu recht günstigem Kurs. Hätte ich den Namen im Titel des Reviews zuerst gelesen, wäre sie da hängen geblieben, wer braucht denn ein solches Ungetüm?

Kramer: Das erkläre ich ganz kurz für die "Neuen". In diesem Forum kamen einige schon auf die Idee, eine Kramer Baretta Special für unter 200 € (oder sogar noch viel drunter) zu ordern. Und alle waren begeistert, so auch ich und meine Nachkommenschaft. Eine absolute Wahnsinnsgitarre für'n Appel und'n Ei! Kurzsichtig, wie man in meinem Alter ist, dachte ich, dass das ein Qualitätsstandard ist, der sich bei der Gibson Tochter Kramer durch das Portfolio zieht. Dummer Fehler!

Dummer Fehler, weil die Striker wohl von einen anderen Hersteller stammt und so gar nicht hält, was die Baretta versprach. SO wenig, dass ich noch vor dem ersten Ton an Rücksendung gedacht habe. Aber ich wäre nicht ich, wenn ich nicht den Haschmich hätte, auch Scheiße polieren zu wollen. Der erste Ton war auch recht schwierig, weil die Saiten schlabberig rumwabbelten, bei Tremolo natürlich am Federanschlag, nur die G-Saite hatte etwas Spannung, vermutlich nur, um das überflüssige Papier um die Saiten zu halten. Die 6 Mechaniken sind in 7 Winkeln verbaut und so hart angeknallt, dass die Unterlegscheiben unter den Muttern rumklapperten. Der Locking saddle klapperte damit um die Wette, ein Wunder, dass die Schrauben bei den 12387 KM aus China nicht verloren gingen. Die Pickups waren eingeschraubt, aber völlig ohne Sinn und Verstand, kein Schema erkennbar. Der Versuch einer ersten Grundstimmung, um überhaupt mal zu gucken: Ein Desaster! Da ist so viel Saite um die Wirbel, dass bei allen Saiten eine zweite Lage aufgebaut wurde. Nix 2-3 wraps, eher 12-26.
Also grob rangetastet, und siehe da: eine komfortable Saitenlage von 15 mm! Geht doch!!! Am Floyd Rose gibt es fast nichts auszusetzen, außer, dass das Klemmböckchen der tiefen E Saite schräg gebohrt ist und die Überwurfmutter des Hebels bei jeder noch so kleinen Bewegung gegen den Uhrzeigersinn gelöst wird. Ach so, unerwähnt sollte auch nicht bleiben, dass die Backplate am Tremolo extra Schlitze für die Krallenschrauben hat. Das hilft nur leider wenig, wenn der Spezi im Werk die Schrauben in Gegenrichtung schief reindreht. :facepalm:

Ihr seht, ich war richtig guter Dinge, irgendwann eine geile Gitarre zu erhalten.
Zusätzlich motiviert hat mich Bundierung: Stumpfe Bünde auf einem knarztrockenen Griffbrett, das vor lauter Trockenheit grau und staubig war, sowie Bundkanten, die nicht mal durch einen arktischen Winter so weit herausstehen könnten. Ich habe wirklich fast gehofft, dass ich mir die Flossen aufreiße und Händler und Hersteller auf 8,67 Mio britische Pfund Schadensersatz verklage.

Jeder einzelne Bund musste nachgearbeitet werden! An beiden Enden!


Egal - Mut zur Lücke:
Ich habe alles so weit vorbereitet, dass man wenigstens einmal drauf spielen konnte, trotz der offensichtlich kalten Lötstelle an dem Hals Single Coil funktionierte alles. Die beiden SC sollten eigentlich identisch sein, sind sie aber nicht, schon optisch nicht, andere Anschlüsse, unterschiedliche Spacings und und und. Der mittlere wurde eh direkt runter gedreht. Das mache ich immer bei HSS oder SSS, denn 1. wäre mir der PU beim Anschlag im Weg und 2. klingen die berühmten Mittelstellungen dann noch dünner/knackiger/funkier.

Ich frage mich, aus welchem Material die Krämerseelen Saiten herstellen (lassen), ich hatte nach wenigen Sekunden pechschwarze Finger, aber keine Panik - ging abzuwaschen!

So - ich hatte also eine spielbare Gitarre, die erstaunlich gut klang und auch nahe zu perfekt eingestellt war, am Klemmsattel hat die Südseite noch Potential. Ein Dead spot am 17. Bund auf der H-Saite störte noch und dieses erbärmlich trockene Griffbrett.

Hat mir keine Ruhe gelassen, der Plan, sich das erstmal wenigstens einen Tag setzen zu lassen wurde stante pede über Bord gekippt.

Also die Werkssaiten runter. Die Dunlop Lemon Oil Prozedur, Bünde mit diesen Hosco Schleifgummis dingsen und neue Darco 10er drauf. Ich weiß nicht, was ab Werk für eine Stärke drauf war, aber ich konnte das FR noch einmal komplett neu einstellen, die Darcos haben viel weniger Zug in Standardstimmung als die Werkssaiten. Das hat mich wirklich verblüfft.

Nach nur wenigen Stunden Arbeit hatte ich also eine Ketarre, die nicht nur wunderschön aussieht, sondern auch die erhoffte 80ies Metal Machine ist. Fotos habe ich schon gemacht, die treffen aber weder den Farbton noch sind sie irgendwie repräsentativ oder gar handwerklich brauchbar.

Es ist wirklich ein wunderschönes Rot, das Furnier ist dezent geflammt, der Mahagonikorpus aus drei Teilen und die Kopfplatte ist angeschäftet. Ach ja, Kopfplatte: Die ist für mich tatsächlich auch ein Kaufkriterium, denn der Explorer Headstock aka Hockeyschläger ist in meinen Augen die Ausentwicklung, das Nonplusultra des Wirbelbrettdesigns! Besser geht nicht, ich würde mir die sogar an einer Paula gefallen lassen.

Das Halsprofil ist schon ein Shredderprofil, aber längst nicht so dünn und schlank wie angepriesen, gefällt mir sehr gut! Nach Behandlung mit Teflonband bleibt auch der Hebel da, wo ich ihn will. Und das Ding rockt wie Hölle, die Dokken, Whitesnake und Kiss Licks perlen aus den Fingern, auf dem Flamma mit der 5150 Einstellung kann man gar nicht anders, als die alten Van Halen Riffs rauszuhauen. Die Single Coils floloppen als Beiwerk da rum, klingen gar nicht schlecht, sind aber mikrofonisch, wer in Spielpausen am High gain Amp nicht abdreht, hört seinen Ledergurt an den Gurtpins knarzen. Aus dem Amp allerdings..

Die Nische wird perfekt bedient, das Tremolo funktioniert wie es soll, das Ding hängt gut am Körper, sieht toll aus und spielt sich klasse.

Wenn ich nun zum Fazit komme, wird es gar nicht einfach.
Einerseits eine tolle Gitarre, andererseits eine Baustelle.
Einerseits etwas, dass man heute kaum noch in freier Wildbahn trifft, andererseits aber auch völlig unnötig.
Einerseits mit dem FR relativ günstig, andererseits aber mit 388 € auch keine wirklich Billogitarre mehr.

Und wenn ich mal dagegen halte, welche Qualität Harley Benton abliefert, die an diesem Preis ja nicht mal kratzen, dann ist das schon unterirdisch. Auch hier beweist sich, dass auf der Website (in diesem Fall Music Store Köln) gnadenlos gelogen wird. Wird doch tatsächlich behauptet, dass die jede Gitarre checken und einstellen.
Angesichts dieses Setups eine Frechheit!

Wahrend HB eine gut brauchbare Qualität mit Konstanz schafft, hat Kramer offensichtlich eine Streuung, die enttäuschend oder schon fast geschäftsschädigend ist, denn so einen Haufen Schrott kauft doch niemand wieder.
Der eine oder andere geneigte Leser wird es oben schon festgestellt haben: Ich habe Spaß daran, Gitarren so weit zu bearbeiten, dass sie mir gefallen und auch objektiv brauchbare Instrumente werden. Wer das nicht will oder kann: Lass da bloß die Flossen von!

Und weil ich dieses Review nach recht kurzer Zeit schreibe, kann sich da auch noch viel tun, was Halsstabilität, Entwicklung der Bundierung oder elektrische Ausfälle etc angeht. Oh, da fällt mir ein, der Deadspot war mit gescheiten Saiten weg. Fotos kommen dann nach, bis dahin:

Pause: Bin mal eben auf dem Topf, Holz nachlegen und Bier holen...wird wohl ein running Gag per Textbaustein. ;)

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Andrea Joy

Re: Kramer Striker Figured HSS FR TR Transparent Red

Beitrag von Andrea Joy » Sonntag 2. April 2023, 00:23

Klasse Review - vielen Dank Dir.

Mensch da bin ich aber froh das ich die Tage nicht auch so eine (die in Purple) bestellt habe.
Gut diese hatte kein Floyd Rose, aber wenn ich das lese - so etwas macht mir jedenfalls keinen Spaß, eine Gitarre in solchem Zustand auszupacken. :(

Ja und solche Neuware geht dann eben zurück ;)
Das ist eben nicht meine Aufgabe zu Regeln - wie man einwandfreie Ware in Umlauf bringt.

Wenn ich etwas verkaufe - dann stehe auch ich dafür grade - das ordentlich zu bauen oder eben zurückzunehmen und/oder zu bessern.

Meine Harley Benton ist unterwegs - ich bin gespannt. Schlechter als die 2 Fender Classic Vibe die ich hier hatte kann die aber kaum sein :mrgreen:

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Re: Kramer Striker Figured HSS FR TR Transparent Red

Beitrag von Paulasyl » Freitag 1. September 2023, 17:36

Ist mir doch glatt durchgegangen, hier fehlten Fotos. Es gibt übrigens noch ein Problem: Die Kopfplatte ist aus einem unerfindlichen Grund so groß, dass Kollegin Krämer in keinen Standardkoffer oder -gigbag passt. Wie kriegt man die transportiert? Wird dann wohl eher 'ne Studiogitarre bleiben...
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