Mein Sohn hingegen kam von der Frühschicht. Und brachte ein Geschenk für den Papi mit, stumpf präsentiert mit den Worten "Alles Gute, Vadda!"
Ein Bogner Ecstasy Mini, eine winzige und federgewichtige 30 Watt Schachtel, die irgendwie aussieht wie ein Amp - nur viel kleiner!
War ich natürlich erstmal baff, die Story dahinter geht mal besser irgendwann persönlich, bei einem kleinen Pilsbier.
Man kann sich nun durchtesten, aber der Blick in das Beiblatt (Manual würde ich das nicht nennen wollen) ist hier ganz hilfreich, denn die Knöppe machen nicht immer das, was man erwartet.
Zunächst: Bitte zur Inbetriebnahme unbedingt ganz leise stellen. Man geht ja unwillkürlich davon aus, dass die kleine Kiste erst ab 12.00 wahrnehmbar ist. Dann ist es aber schon zu spät, weil Transe und sofort da.
Boah, ist der laut! Er hat bei den Lautstärken, die ich bisher probiert habe, natürlich nicht das Brachiale eines JCM 800 Studio mit "angeblichen" 20 Watt, aber viel fehlt nicht. Unabhängig von irgendwelchen Einstellungen klingt der einfach schon mal gut, egal welches Setting, immer eine nette Zerre am Start.
Immer? Ja, immer! Selbst mit Gain auf 0 wird der nicht clean, da muss man echt an der Gitarre nachhelfen. Dafür klappt aber eben das für eine Transe extrem gut, Einkanalanhänger werden das zu schätzen wissen.
Der Variac Schalter imitiert hier den von Herrn van Halen geschätzen Spannungsabfall bei der Stromzufuhr und macht den Sound erst mal sehr viel leiser, aber auch dichter, wärmer und "saggy". Ist der auf off, ist das einer der tightesten und brutalsten Amps, die ich kenne.
Gnadenlos bei Spielfehlern, aber ohne Ende druckig. Metal in a box.
Und damit kommen wir zum zweiten Knopp: Gain + oder -. Wer jetzt denkt, man hat hier bei minus mal so ein wenig Fendergebrazzel... Nope! Ab Gain 0,1 ist das ein Marshall in Reinkultur, Angus Young ist bei "-" ab ca. 10 Uhr abgehängt, bei High Noon sind wir dann schon bei George Lynch und zum Nachtisch direkt bei John Sykes.
Aber dann kommt da noch Gain +... Leck mich am Arsch, Leadsound aber sowas von sofort, aber eben nicht nur mehr gain, sondern auch eine trockenere Struktur, eben nicht verwaschen, sondern einfach Bogner. Die Palm mutes ballern knochentrocken, die Akkorde stehen minutenlang, der Halspickup singt Ave Maria.
Der nächste Schalter stellt die Centerfrequenz für das Mittenpoti ein, der vierte und letzte gibt PreEQ settings vor. Ich muss jetzt erst das Beiblatt - wie angesprochen - hervorkramen (ja okay, das ist eine Ausrede für Bier holen), aber es sei schon mal bemerkt, dass das herzallerliebst funktioniert und die Kiste zum flexibelsten Einkanaler der Welt machen dürfte.
Der Frequenzen liegen da bei 800 Hz, 1,6 kHz und 3,2 kHz, die Nullstellung des Mittenreglers ist bei 11 Uhr. Für den PreEQ gilt: b1 bietet einen Höhenboost, der Details und Offenheit zuschaltet, n ist ein neutraler Ton, der runder ist und weniger Attack hat, b2 boostet Mitten und Höhen. Mein favorisiertes Setting ist b1.
Soweit die Herstellerangaben. Stelle gerade fest, es gibt auch eine deutsche Beschreibung im Instruction Manual, meine Übersetzung ist aber besser.
Zu Presence und Höhen sagt das Handbuch, dass sie sich gegenseitig beeinflussen, ich bin nur noch nicht dahintergekommen, was da anders als bei regulären Marshalls ist, außer vielleicht, dass Presence nicht so "ätzend" ist, sondern etwas smoother wirkt.
Der Bassregler geht wirksam, aber subtil zu Werke, er ist weiter unten als bei den alten Marshalls, aber nicht tief genug für die modernen Resonance Regler.
Insgesamt ist das einer der - wenn nicht der - effektivsten EQs, die je erlebt habe. Das geht so weit, dass man nach einer anderen Gitarre greift und sofort das Bedürfnis hat, noch etwas zu ändern, um es wieder dem gerade Gehörten anzupassen.
Ich durfte ja den Soldano Mini vom Thomas einmal spielen (der aus der gleichen Fabrik stammt, dieses Boutique Amp Dingsi), der klang auch großartig, aber eben nur in seiner eigenen Comfort Zone, einem speziellen Setting.
Das ist hier anders: War ich bisher schon überzeugt von der Flexibilität des Silver Jubilee, werden hier noch einmal neue Maßstäbe gesetzt. Ich hielt die Kiste auch in den ersten Minuten für eine reine Metalmaschine, für "Balls beyond the wall", aber das Ding kann viel mehr.
Ich habe hier nochmal ein File angehängt, dass einfach nur mit meinem Smart Phone aufgenommen wurde, das nicht wirklich audiophile Qualitäten hat.
https://www.gitarrenlaberei.de/bu-de/2 ... .16.37.ogg mit diesen Einstellungen
ein wenig rumgegniedelt.Die bisherigen Tests waren an einer 2x12 mit V30 und Greenback, ich bin echt gespannt, wie sich das Ding an der 4x12 macht. Leider hat die Kiste - wie alle diese Winzamps - ein externes Netzetil, das ist übelst nervig und fehleranfällig und lästig, aber wenigstens mit standardisiertem Kaltgerätestecker.
Den Effektloop werde ich bestimmt mal probieren, bisher habe ich aber genug mit Gitarre -> Kabel -> Amp zu tun, ein weiterer Wermutstropfen für einen Studioamp (oder ist das ein Übungsverstärker?) ist der fehlende DI/recording out, das hätte den Kohl nicht fett und den Amp nicht viel teurer gemacht.
Ich persönlich bin jetzt nicht so ein Freund davon, stundenlang rumzumikrofonieren.
Wie auch immer, das Ding ist seine 300 Ocken garantiert wert, ein fürstliches Geschenk und dem geschenkten Barsch habe ich jetzt genug wohin geguckt.
Beim Kauf hatte der Bub wohl die anderen üblichen Verdächtigen auch mal angespielt, fand den Soldano gerade ok, den Friedman wohl unterirdisch mumpfig, der Diezel ist ein reines Metallbrett und unflexibel. Egal, ick froi mir!
