OPFXS Electric Vibe Phaser

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Batz Benzer
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OPFXS Electric Vibe Phaser

Beitrag von Batz Benzer » Sonntag 17. März 2024, 11:25

Das Bessere ist der Feind des Guten – dieser Satz hängt wie ein Damokles-Schwert über dieser Rezension, denn wenn ich mich auch im Folgenden dem „Electric Vibe Phaser“ des italienischen Herstellers OPFXS widmen möchte, so muss sich dieser u.a. an den jüngst gewonnenen Höreindrücken des Moon Vibes - siehe: https://gitarrenbu.de/viewtopic.php?f=15&t=5463 - messen lassen; mal sehen, wie er sich dabei schlägt. ;)

Aufmerksam geworden bin ich auf das Produkt, da es mit einem äußerst reizvollen Alleinstellungsmerkmal lockt: Es vermag, dank Envelope Filter, auf Wunsch anschlagsdynamisch in Sachen Geschwindigkeit und/oder Effekt-Tiefe zu agieren, sprich: Speed und/oder Depth können durch Schlag-, bzw. Picking-Intensität gesteuert werden. Sensation! :boing02:

Wie hätte ich, als unbelehrbarer Vibe-Aficionado, da dauerhaft widerstehen können? - Ganz im Gegenteil: Ich musste einfach wissen, was das Gerät so kann und habe daher einfach mal Press Button! gemacht; seit gestern morgen wohnt ein Exemplar nun erst einmal hier. :vorfreude:

Bild

(Bildquelle: https://opfxs.com/prodotto/electric-vibe/)

Und klein isses, hat in etwa den Fußabdruck eines herkömmlichen Boss-Pedals, läuft an bescheiden-praktischen 9V, bietet, neben In und Out, noch eine Buchse für Expression-, Tap Tempo- oder externen Bypass und ist somit bestens aufgestellt fürs Hier und Jetzt. :thumbs:

Die Oberfläche birgt einen Fußschalter für die On/Off-Funktion nebst blauer LED, eine weitere, kleine grüne, die in Effektgeschwindigkeit pulsiert, sitzt oben zwischen den Mini Switches für Dry-Signal On/Off (=Vibrato) sowie der Kurvenform (Sinus, Dreieck und Pulse) links und den beiden Schaltern Speed und Depth) für die Envelope-Funktion rechts; unter besagter grüner LED befindet sich ein kleiner Druckschalter für den Zugriff auf die Sekundärfunktionen.

Unter diesen Switches befinden sich drei Potis für die Lautstärke (mit immensem Boost-Potential ab der 12h-Stellung), die Geschwindigkeit sowie die Effekt-Intensität.

All dies verspricht profunde Regel-, bzw. Eingriffsmöglichkeiten; mal sehen, wie das in der Praxis aussieht:

Der erste Eindruck ist ein ziemlich guter: der genretypische Bass- wie Höhen-Cut lassen den Effekt primär in den Mitten wirken, wobei sie den Charakter der Gitarre schon ordentlich verbiegen; klangneutral ist jedenfalls anders, aber so etwas bringen bestimmte Effekt-Gattungen ja nun einmal mit sich. ;)

Der Depth-Regler hat die jeweils gewählte Kurvenform sehr gut im Griff und bietet über den gesamten Regelweg Vernünftiges auch in beiden Extremen an, so dass von leichter Phasen-Modulation über tiefem Kaugummi-Ton bis hin zum Kardio-Throb alle Angebote gemacht werden, die zumindest ich mir überhaupt wünschen könnte. :thumbsup02:

Besagte Kurvenform bestimmt über Rhythmik und Verlauf sowohl des Phasings als auch des Throbs; dabei liefert „Sine“ erwartet das weichste Ergebnis, derweil „Pulse“ mit den härtesten Übergängen hantiert und „Triangle“ dazwischen agiert: Das hat alles seinen Reiz und kann dann mit Depth und Speed beliebig angepasst werden. Beeindruckend! :sabber:

Das OPFXS-Aggregat könnte tatsächlich perfekt sein, doch egal wie ich das Vibe auch tweake, das Klangbild hat stets etwas leicht Abbild-Artiges, erreicht zwar vordergründig profunde Effekttiefe, die aber nicht dynamisch und/oder dreidimensional beeindrucken kann, wie ich das jüngst wieder beim musikalischen wie interaktiven Moon Vibe erleben durfte.

Und das ist irgendwie verrückt: Es mangelt an Headroom fürs Schwelgen im Sound und ist vielleicht auch etwas zu radikal im Beschneiden der Höhen und Bässe, obgleich die Frequenzen grundsätzlich schon die richtigen sind und auch die Wellenformen insofern perfekt abstimmbar sind als sie dem menschlichen Herzschlag maximal nahe kommen.

Und dennoch fehlt es letzten Endes an High Fidelity und Lebendigkeit; alles Attribute, die später im Mix eh' verloren gehen, im Raum aber eklatant fehlen; so hinterlässt es eher den Geschmack eines perfekten Modeling-Effekts, der jedoch Authentizität außerhalb eines musikalischen Nutz-Kontextes vermissen lässt.

Echt schwer in Worte zu fassen, zumal das Gerät bis hierhin schon Spaß macht, aber den Direktvergleich mit anderen Kisten insofern nicht unbeschadet überlebt als diese „wahrhaftiger“, weniger eingeengt tönen, auch wenn sie subtiler eingestellt sind. :kopf_kratz01:

Dafür ist unser Electric Vibe plakativer, wirkt effektintensiver, macht im musikalischen Kontext vielleicht sogar den besseren, eindeutigeren Job, was mir auch schon ohne Aktivierung des Alleinstellungsmerkmals gefällt; Wünsche kommen erst im direkten Vergleich auf.

Apropos Alleinstellungsmerkmal: Über den kleinen Druckschalter lassen sich die Sekundärfunktionen – Decay und Envelope-Level – beeinflussen und darüber hinaus die Funktionsweise, von langsam zu laut und extensiv zu intensiv bei stärkerem Signal, umkehren, so dass es im Ausklingen nicht langsamer/ineffektiver, sondern schneller und voller wird: Das kannte ich auch noch nicht!

Und das macht mir schwer Spaß: Ein leichtes geschmackvolles Anschwellen der Geschwindigkeit bei stärkerem Anschlag bringt Farbe wie Lebendigkeit ins Klangbild und wirkt inspirierend! :thumbsup03:

Wer so etwas sucht, der wird eben nur hier fündig; mir ist zumindest keine andere Gerätschaft bekannt, die dergleichen bietet.

Darüber hinaus lässt das Pedal sogar ein Einstellen des Lampen-Bias zu; es handelt sich ergo um ein waschechtes Photozellen-Univibe, das überdies noch durch das völliger Fehlen jegwelcher Nebengeräusche punkten kann. :thumbsup02:

Fazit: Tolle Verarbeitung, großartige Möglichkeiten, zeitgemäßer Bedienugsumfang ohne jegliche Allüren in Hinblick auf Stromversorgung oder Größe, ja selbst der Preis ist mit 215€ absolut angemessen; das OPFXS Electric Vibe stellt ein durchdachtes wie willkommenes neues Angebot auf dem heiß umkämpften Univibe-Markt dar und bringt dank Envelope-Filter eine neue, bislang unerhörte Klangfarbe mit ins Rennen! :thumbs:

Verglichen mit manch anderem High End-Vibe tönt es alleine für sich jedoch nicht ganz so interaktiv, dreidimensional, edel und fein, macht im Mix hingegen die eindeutigere und somit vielleicht sogar bessere Figur. ;)

Wenn die klangliche Ausrichtung generell gefällt, stellt das Electric Vibe eine der besten Offerten in Sachen Oldtime-Schwurbelsound bei neuzeitlichen Features dar.

Lieben Gruß,

Batz.








"Lennon was the soul of the Beatles, Harrison was the spirit, Paul was the heart, and Ringo was the drummer."

- George Martin

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