Dr. No Colossus

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Batz Benzer
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Dr. No Colossus

Beitrag von Batz Benzer » Montag 25. März 2024, 13:10

Colossus ist u.a. der Name eines Röhren-Computers während des zweiten Weltkriegs, eines Science Fiction-Films von 1970, eines Marvel-Charakters und eines Dr. No-Effektgeräts für Gitarre und Bass, entstanden in Kollaboration mit dem Musiker Ruben Block (Triggerfinger); mit letzterem (Gerät, nicht mit Herrn Block) möchte ich hier etwas Zeit verbringen.

Bild

(Bildquelle: Dr. No; aktuelle Version)

Dabei fallen mir als erstes zwei Dinge auf: Erstens ist das Pedal größer als ich aufgrund diverser Bilder gedacht hatte, und zweitens fällt das Gewicht schwerer aus als antizipiert: Hat da jemand Bleiplatten eingeklebt...? :o

Okay, das steht einem „Colossus“ natürlich schon mal ganz gut zu Gesicht; ebenso das „Art Deco meets Mexico“-Design inklusive der extra angefertigten schweren Messing-Knöpfe (s.u.; oben kommt Bakelit zur Anwendung), die gewiss ihren Anteil zum Gesamtgewicht beitragen.

Dabei hat Colossus grundsätzlich zwei Funktionen: Zum einen den Booster auf Fuzz-Basis, der linker Hand angesiedelt ist und in Gain, Volume, Treble und Bass regelbar ist – wobei mein Bass-Regler „rückwärts“ läuft und ich hier einen Fehler wähne -, zum anderen ein Octave-Fuzz, welches rechts zu finden und per Knebelschalter (Mode I & II) und Volumen-Poti zu regeln ist.

Ein- und Ausgang befinden sich auf der abgewandten Seite, der 9V-Stromanschluss liegt links an.

Bild

(Bildquelle: Premierguitar; alte Version)

Bei der ersten Inbetriebnahme des Colossus musste ich gleich schwer schmunzeln, und zwar sowohl über den Doc als auch über mich selbst: Äääh, der Boost kommt mir irgendwie ziemlich vertraut vor, und zwar vom jüngsten Test des Dr. No 11:11 Alain Johannes Collaboration Pedal... könnte der identisch sein? - Folgendes habe ich dazu geschrieben:
Der alte Mann hat geschrieben:Bäh, wat fies: Ein sprödes, knörziges, grobkörniges, großporiges, rissig-bröckeliges Kotze-Fuzz in Wolle! :hualp: Wenn „Fuzz“ ganz aufgedreht ist, wohlgemerkt; je weiter der Regler zurück geregelt wird, desto klarer, aber immer geschmackvoll unterfüttert, wird der Clean-Sound der Strat: Ja DAS ist wirklich, wirklich schön im Sinne eines klassischen Immer-An-Effekt, zumal das altvertraut und stets als gut befundene Klangbild im Direktvergleich erschreckend dünn daher kommt, sobald das Gerät ausgeschaltet ist: WOW!!! :sabber:

Ist fast so als hätte ich plötzlich tierisch Druck auf den Ohren, so dass nur noch die Höhen durchgelassen werden: Verrückt! :shock: :D

Warme Mitten, geschmackvoll komprimierter Anschlag-Attack wie milder Höhen-Roll Off, garniert mit einer herrlichen Prise willkommener Sustain-Verdichtung, vermählt dieses Effektgerät zu einem grandiosen Clean-Ton zum Niederknien: Ich höre Sasha Ivantic! :mrgreen:

Mit derselben Einstellung – in meinem Fall Fuzz auf 12h, Volumen ganz auf, Hoodoo ebenso und komplett zugedrehtem Voodoo-Regler – gibt es dasselbe Klangerlebnis mit der nachgeschalteten Verzerrung: Eine perfekte Unterfütterung, so dass die Gitarre nicht mehr schrillt, sondern BRÜLLT und von der kreischenden Kettensäge zum mächtig röhrenden Monster-Truck mutiert! Das tönt FETT, FETT, FETT nach Amp und kochender Endstufensuppe, mittig-verdichtet ohne dabei Agilität einzubüßen, so dass die Tin Whistle zur Trompete, die Waltons-Auto-Hupe zum Ozeandampfer-Tuten und aus Terence Hill Bud Spencer wird!!! :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen:

Oder anders herum gesagt: Auch in dieser Anwendung darfst Du das Pedal mit den komischen Namen keinsfalls mehr ausschalten; die Muskeln platzen wie Ballons, es wird superdünn und macht einfach keinen Spaß mehr! :?

Apropos Spaß: Spiele ich jetzt mit Gain, Hoodoo, Voodoo und Volumen, kann ich viele böse dunkle Fuzz-Sounds, die sich am Ende selbst verschlucken und in Frequenzanteilen auslöschen, die furzen und knarzen, realisieren! :panic:
Hoodoo und Voodoo heißen hier Treble und Bass, auch scheint mir Colossus etwas frischer, weniger dunkel abgestimmt zu sein, aber das war es dann auch schon mit den Unterschieden: Im Prinzip ist das hier dieselbe Art Fuzz-Booster, der sehr, sehr ähnlich ins Klanggeschehen eingreift. :mrgreen:

Der größte Unterschied dürfte die rechte Hälfte des Pedals darstellen, hier im Gegensatz zum 11:11 ein Octave Fuzz, welches in Gain/Volumen sowie Mode vollkommen ausreichend regelbar ist und überdurchschnittlich gute Octave Up-Effekte abzuliefern in der Lage ist, die mich komplett abholen und begeistern! :sabber:

Dabei ist Mode I klassischer, Mode II gainreicher und kompromissloser abgestimmt, so dass von klaren Synth-Sounds bis zu sustainreichen Oberton-Orgien alles möglich ist, was das :herzilein: begehrt! :thumbs:

Rein funktionell ist Colossus damit aus meinem Blickwinkel interessanter als das 11:11, dessen Mittenfilter in meiner musikalischen Praxis weniger gefragt ist denn ein Octave Up-Aggregat, aber das ist natürlich eine rein subjektive Betrachtung. ;)

Auch der Koloss neigt, wie das 11:11, zum Rauschen, wenn Gain und/oder Volumen stark ins Geschehen eingreifen; das liegt aber eben auch in der Natur der Sache und sollte daher zwar Erwähnung finden, aber nicht gerügt werden.

Bleibt das Fragezeichen mit dem Bass-Regler, der gegen den Uhrzeigersinn den Bassanteil erhöht; wäre nicht das erste Poti, das Dr. No falsch herum verdrahtet hat, was aber in der Preisklasse bitte nicht vorkommen sollte!

Fazit: Auch im Fazit ein kleines déjà vu: Came for the looks, stayed for the fun; ist das alles dennoch 354€ wert? - Das kann meines Erachtens nicht objektiv beantwortet werden, das muss jeder mit sich selbst ausmachen; es gibt effektiveres Gerät zu sehr viel günstigeren Preisen.

Aber ein optisch interessanteres, verschrobeneres und gleichzeitig edleres, charaktervolleres Stück Equipment dürfte schwer zu finden sein. Und wenn doch, stammt es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch von Dr. No. ;)

Und wer zufällig einen solchen Booster für clean wie Verzerrung plus Cocked-Wah-Effekt statt Octaver suchen sollte, findet im „11:11 Alain Johannes Collaboration Pedal“ zum Aufpreis von ca. 133€ ganz genau das, was er begehrt! :thumbs:

Wer hingegen wie meinereiner mit einem Octave Up-Effekt mehr anfangen kann, hat im Colossus einen mächtigen Verbündeten gefunden, dessen musikalische Qualitäten sowohl als Booster als auch als Octavio tatsächlich mit dem Attribut „sehr gut“ zu belegen sind. :sabber:

Lieben Gruß,

Batz. :smoke01:


Bessere Demos gibt es leider nicht:







Und hier dann doch bässer, nämlich mit Bass:

"Lennon was the soul of the Beatles, Harrison was the spirit, Paul was the heart, and Ringo was the drummer."

- George Martin

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