Marshall JTM1C oder: Wie alles anfing

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Batz Benzer
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Marshall JTM1C oder: Wie alles anfing

Beitrag von Batz Benzer » Sonntag 22. Februar 2015, 13:12

Für die Vollständigkeit hier nochmal mein bald drei Jahre alter Bericht bezüglich des Marshall JTM1C in einer meiner bisherigen Erfahrung angepassten Version:

Mann, was hatte ich mich gefreut, als ich las, was Marshall sich für dieses Jahr vorgenommen hat: Fünf Amps à 1, bzw. 0,1 Watt stellvertretend für die fünf Dekaden, allesamt als Combo oder Top erhältlich. Grandiose Idee, und, da übers Jahr verteilt, finanziell besser stemmbar als eine einzelne Eier legende Wollmilchsau (die Marshall ja schon zum 30. rausgebracht hatte)… dachte ich, bis ich die Preise sah: Pony schattig, oder Druckfehler…? 800 Tacken für einen 1 Watt-Combo??? Ist der wenigstens aus Gold oder das Bernsteinzimmer darin verborgen?

Mit Nichten und Neffen, wie ich feste stellen musste. Als wäre es nicht bereits genug gewesen, musste ich im März – kurz nach Schaltung der ersten Anzeigen - akzeptieren, dass Amp Nr. 1 bereits ausverkauft war. Na herzlichen Dank für den Dienst am Zahnarzt!, dachte ich so vor mich hin; nix gegen limitiert, aber 50 Stück für Deutschland/Österreich und bereits in dem Moment ausverkauft, da sie das erste Mal in den Online-Versandhäusern gelistet wurden, macht wenig gute Laune und somit das Mitfeiern schwer.

Dann doch wenigstens die inneren Werte…? – Tja, wer dabei an Handverlötung denkt, liegt leider wieder daneben; immerhin „Made in England“ isser, der Kleene.

Meine Meinung wurde an manch entscheidender Stelle revidiert. Erstens musste ich feststellen, dass man doch immer mal wieder an das ein oder andere Exemplar auf legalem Weg kommen konnte, ohne gleich zum Quasi-Neukurs 2nd Hand kaufen zu müssen. Zweitens habe ich den JTM1C, das erste Exemplar der Pentalogie, mehrfach hören können – und leide seitdem unter heftiger GAStritis. Drittens hatte ein großer Versandhandel aus Köln (bei Bonn) ein einzelnes Exemplar des oben genannten Amps zu bestem Kurs angeboten, hinzu gesellte sich ein Gutschein, den ich hier noch liegen hatte. Ergebnis: Veni, vidi, vici (altdeutsch für 3, 2, 1… meins!)!

Von nun an musste ich es ja positiv sehen: Seeeltenes Teil, und eines davon gehört mir, inklusive der Tonnen an Wertsteigerung, die sich damit verbinden, mhu-ha-ha-haaarrr, ich bin rrrreich (da Sparkauf!)! Und erst mal der Neid, der mir entgegen schlagen wird; bestimmt würde man mich, erst mal wieder in Bonn, als tolldreisten Sohn der Stadt frenetisch begrüßen, mit Schlüssel zur Stadt uns so…

Halt, Stop, Film bitte anhalten: Es ist und bleibt dann doch nur ein kleiner Amp. Ein One-Trick-Pony, wie man so schön zu sagen pflegt, obendrein: Klanglich flexibel machen andere vor, dieser hier mag eigentlich „nur“ wie ein kleiner 60s-Marshall klingen und bietet den eher unspektakulären Spagat von Clean bis Overdrive. Doch fangen wir vorne an und kommen zunächst mal zur äußeren Erscheinung:

Kleiner als der Class 5 (was mich ein wenig überrascht hatte, wähnte ich ihn doch etwas größer als er tatsächlich ist), präsentiert sich dieser Brite optisch sehr gediegen und macht einfach Spaß: Das beginnt beim güldenen Plexi-Marshall Schild und der guten alten grauen Bespannung vorm 10“ Speaker, letzterer übrigens derselbe wie beim eben genannten Class 5.

Das Bedienfeld schreit natürlich ebenso „Plexi!“ in die Welt, wird allerdings insofern etwas preiswerter realisiert, indem man das Plexiglas vorm Gold durch eine dickere Plastikfolie ersetzt hat. Das fällt erst dann auf, wenn man den leicht welligen Verlauf dort sieht, wo Elemente verschraubt sind (Schalter, Potis, Lampe) und ist sicherlich nicht toll, tut aber auch nicht ernsthaft weh.

Auf diesem Bedienfeld findet sich jetzt auch nicht wirklich viel; Lautstärke, Tone-Poti, bernsteinfarbene Kontrollleuchte in bislang ungesehener Form sowie der Knebelschalter für On/Off, das war’s. Rückseitig finden wir jeweils einen Ausgang, um den Amp an eine 8, bzw. 16 Ohm-Box anzuschließen, hinzu kommt der kleine klitorale Druckschalter, um die Leistung von 1 auf 0,1 Watt zu drosseln. Netzanschluss und aus die Maus.

Immerhin übersichtlich, und wenn der Grundsound stimmt, warum dann großartig verbiegen…? – Ich lasse die Katze an dieser Stelle gerne aus dem Sack: Der Grundsound stimmt in der Tat!

Das grundsätzliche Klangbild ließ mich positiv erstaunen: Das klingt ausgewogen und sehr stimmig! Hier ist nix von kleiner Büchse zu hören, weder sind die Bässe unterbelichtet oder gar fehlend, noch schreckt ein topfiges Mittenbild, auch glänzen die Höhen nach feinster Marshall-Art, ohne mehr zu dominieren als es sich für den Traditionshersteller gehört.

Die „extrem üppige“ Klangregelung in Form des einen Potis verändert den Grundsound erwartungsgemäß nicht, sondern addiert zunehmend Brillanzen. Man kann den Amp so auf den jeweiligen Raum einpegeln, das war’s dann aber auch.

Die Kompression, die neben den Zerrfarben mit steigendem Gain-Pegel ins Spiel kommt, verdichtet den Ton dennoch dynamisch und trübt den eher direkten Eindruck des Brüllwürfels keinesfalls, der Sag – das leicht in-die-Knie-gehen des Tons kurz nach dem Anschlag mit direkt folgendem Aufblühen des Signals („Bloom“) – fällt sofort ins Ohr und tönt einfach wunderschön musikalisch.

Der cleane Ton ist unverkennbar (sehr guter) Marshall, das Umkippen in zarte Zerrfarben, das typische Grummeln, richtig amtlich und beileibe nicht bei jedem Vertreter dieser Firma so zu genießen wie hier. Der Ton ist warm, voll und reich mit dem gewissen perkussiven Pöck! im Anschlagsattack.

Im Crunch-Bereich fühlt er sich am wohlsten und lässt massenweise positive Assoziationen in Form von Namen wie „Jimi…!“, „Mark…!“ und Konsorten laut werden. Um Loundness „2“, bzw, leicht darüber ist die Dynamik extrem; im Niemandsland zwischen clean und angezerrt entscheidet allein der Anschlag über Zerrgrad, es gibt hier keine natürliche Grenze, nur die eigene Kraft, bzw. Technik.

In diesem Sinne ist der Amp auch keinesfalls als Schönfärber zu bezeichnen; wer keine Kultur im Finger hat, den trägt der Marshall auch nicht.

Mit Gain am Anschlag kann er sich, je nach Instrument und PU-Stellung, im Bass leicht verschlucken, ist aber weit davon entfernt, unkontrollierbar „farty“ zu sein wie – es bleibt mein direkter Vergleich – beim Class 5, da er auch hier auf extreme Dynamik reagiert und kraftvolle Spieler belohnt; Feinfinger kommen bei diesem Amp eher nicht so auf ihre Kosten, aber die suchen sich auch keine kleine Rotznase aus.

Atze-Kratze-Riffs bei moderatem Gain um „3“ kommen ebenfalls gigantisch gut mit der Kiste, allerdings mit Single Coils; bei Humbuckern macht der JTM in den Mitten dicht und sorgt für Ton-Verstopfung, zwar harmonisch, aber eben undynamisch, im Höhenbbild verklebt und generell überkomprimiert.

Daher würde ich auch viel eher empfehlen, den Kleinen knapp über „2“ zu parken und den Rest über Pedalpower nach vorne und Volumenregler nach hinten (clean) zu regeln; voilà, ein Dreikanäler!

Allerdings tut er sich leider sehr schwer mit Pedalen; einzig das Marvel Drive, bzw. die PlexiLounge liebt er über alle Maßen. Hier geht es dann auch in den Distortion-Bereich und klingt einfach perfekt nach heiß gemachtem Plexi!

Für mich steckt jedoch der wahre Clou des Amps - abseits des gepflegten Umgangstons, der gelungenen Optik und des Sammerwertes - in der 0,1-Watt-Drosselung, die Vollauslastung bei Fast-Zimmerlautstärke möglich macht (hängt vom Nachbarn ab). Überhaupt scheint es sich hier um einen perfekten Recording-Amp zu handeln, was u.a. mein Grund für die Anschaffung war; hierfür diente mir bislang der Class 5, der aber zum wohlfeilen Zerren ausschließlich mit Pedalen gefüttert werden wollte (ansonsten sowohl zu laut als auch zu hässlich, eben „farty“, in meinen Ohren, für Tretminen hingegen prädestiniert; ein HAO Rust Driver vorm Class 5 und der heilige St. Angus lächelt wohlwollend auf Dich hinab).

Daher lautete meine Frage auch: Hat sich die Anschaffung gegenüber dem Class 5 gelohnt? – Letzterer hatte mich damals 400€ gekostet und liegt jetzt bei knappen 500 Tacken, 650€ habe ich für den JTM1C gelegt, so dass sich eine Differenz von 250 Ohren auftut.

In Anbetracht des Wohlklangs, der feinen Optik sowie des Nutz- wie Sammlerwertes kann ich für mich bestätigen: Ja, er lebt noch, er lebt noch, er lebt noch! – Für manch anderen mag er hingegen ein toter Holzmichel sein, da es in dieser Preisklasse an anderer Stelle sicher flexibleres Gerät fürs Geld gibt und so ein HT-5 von Blackstar bestimmt kein schlechterer Amp ist, wenn man denn die Kelle braucht.

Ach so, einen weiteren Sinn vermag er zu betören: Er riecht direkt aus dem Karton nach IKEA! – Ein paar Spielstunden und der typische Marshall-Geruch flutet den Raum... aha, sind wohl eben erst vom Band gerollt, die Dinger, olfaktorisch also so frisch, wie ich keinen Reichsmarschall zuvor riechen durfte; noch ne neue Erfahrung, dankeschön!

Was allerdings wirklich ganz schön hinterhältig von meinem neuen Kumpel ist und biddeschööön nicht unterschätzt werden sollte: Er macht heftige Lust auf die anderen Modelle der 50th Anniversary-Reihe, bei mir genau genommen auf dem JCM1C… mir scheint, die Tage des Class 5 und der ein oder anderen Tretmine sind gezählt.

Fazit: Instant-Marshall-Recording-Sound, herrlich unflexibel und einfach Roggnroul; als Bedroom-Amp bestens geeignet und für mich auf Augenhöhe mit seinem perfekten Gegenspieler aus Leos Lager, den Fender Tweed Champ. Der Preis ist hingegen nicht wirklich zu rechtfertigen, dieselbe Leistung wäre wohl auch für 350€ zu produzieren gewesen und dürfte für mein Gefühl keinesfalls mehr als 500€ kosten, Limited Edition hin oder her; 800€ sind einfach ein hundsgemeiner Tritt in die Familienjuwelen. Aber bisweilen sucht man(n) ja die Gefahr…

Lieben Gruß,

Batz. :smoke01:
"Lennon was the soul of the Beatles, Harrison was the spirit, Paul was the heart, and Ringo was the drummer."

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Re: Marshall JTM1C oder: Wie alles anfing

Beitrag von MonacoFranke » Sonntag 22. Februar 2015, 17:41

Tolles Review. Ich habe damals in einem Anflug von Torschlusspanik die ersten drei der 50th Anniversary Serie gekauft, allerdings jeweils in der Combo-Version. Der hohe Verkaufspreis für relativ wenig Watt (genau genommen ein Watt) hat dann trotz Limitierung viele vom Kauf abgeschreckt. Ich habe den Kauf nie bereut und kann Deinen positiven Eindruck nur bestätigen.

Grüße
Frank
Zuletzt geändert von MonacoFranke am Sonntag 22. Februar 2015, 19:18, insgesamt 1-mal geändert.
Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.

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Re: Marshall JTM1C oder: Wie alles anfing

Beitrag von Batz Benzer » Sonntag 22. Februar 2015, 18:02

:danke:

Den JMP1 hätte ich ja lieber als Combo gehabt, aber das ist nun wahrlich Meckern auf hohem Niveau... :tuete01:

Haste denn da 'nen Favoriten oder alle drei gleich lieb...?
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Re: Marshall JTM1C oder: Wie alles anfing

Beitrag von MonacoFranke » Sonntag 22. Februar 2015, 19:13

Mein Favourit ist tatsächlich der JTM, einfache Handhabung, super Vintageoptik und genialer Klang, JTM im Kleinformat eben.

Reizen würde mich ja auch noch das "Offset"-Stack

Bild


Aber andererseits muss dann auch mal gut sein :shock:
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