Gib deiner Gitarre ne Chance...

Selbst ist der Gitarrist: Reparieren, Pimpen, Customizen, Eigenbauten
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Plaid
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Gib deiner Gitarre ne Chance...

Beitrag von Plaid » Sonntag 19. August 2018, 11:36

Hi zusammen,
ich möchte mal von der Pimp - Odyssey meiner Les Paul Goldtop berichten, welche jetzt hoffentlich beendet ist...

Wer den "Opa erzählt vom Krieg" - Teil überspringen möchte, einfach bei "*" einsteigen :-)

1993 hatte Gary Moore den Blues und ich musste unbedingt eine Les Paul haben, also habe ich meine Zivi-Löhne zusammengekratzt und bin zu Uli's Musik nach Leverkusen gefahren. Der hatte gerade den Gibson - Messestand aufgekauft und die Teile haben den ganzen Laden bevölkert. Ich habe lange getestet und dann eine Les Paul Std. in Tobacco - Burst gekauft (auf der Rg. stand Vintage sunburst...aber nö). Die war und ist tierisch: Toller Hals, einteiliger Body (war mir damals nicht aufgefallen und wäre mir auch Wurst gewesen, heute ist das klasse), sehr fetter Rock-Sound. Das Teil habe ich immer gepflegt, sieht heute noch aus wie am ersten Tag, obwohl oft gespielt. Nur hat diese Gitarre einen Schönheitsfehler, sie wiegt knapp über 5 Kg. Damals habe ich keinen Gedanken an sowas verschwendet, heute sieht das anders aus. 4 Sets so einen Stein um den Hals....brauch ich nicht mehr. Da ich aber gerne ab und zu Paula spiele, hab ich mir vor knapp 8 Jahren gedacht, ich kauf mir noch eine nur für Live, schön leicht, kann verranzt werden, egal.

Ich hab dann um 2010/11 für knapp 1400,-- € bei einem schon bekannten Laden online (zweite Reihe - nicht MS oder Th) eine Les Paul Goldtop gekauft, und zwar das Modell unter der Std - Version, Name fällt mir nicht mehr ein. Gitarre kam an, knapp 4 Kilo, gut verarbeitet, klang gut, aaaber die Sattelkerben waren zu tief. Das Ding war geplekt und der Sattel sah ganz komisch aus, sehr tief und dann waren die Kerben nur angedeutet, d.h. die hohe E-Saite hat geschnarrt und konnte auch rausrutschen. Hab dann da angerufen, die haben mir angeboten, dass ich Betrag X bekomme und zu einem Gitarrenbauer gehe oder ich die Gitarre zur Nacharbeit einschicke. Hab mich dann für das Letztere entschieden und eingeschickt. Dann war erstmal einige Wochen funkstille. Hab dann irgendwann mal nachgefragt, Antwort war, nach einigem rumdrucksen und vertrösten, dass sie nicht wüssten, wo die Gitarre sei, sie sich aber kümmern würden. Nächstes Telefonat ein paar Tage später, zumindest wussten sie, dass irgendwas schiefgelaufen ist und die Gitarre "irgendwo in Europa" ist, sie würden sich aber kümmern, dass sie zurückkommt. Dann wieder später, ja, Gitarre ist gefunden, aber irreparabel zerstört.... ???????...... Weiter sind die nicht ins Detail gegangen, ich vermute Transportschaden durch die Reisere oder versehentlich weiterverkauft. Dann wollten sie mir eine andere Les Paul schicken, war für mich OK, sollte aber Goldtop sein. Paar Tage später dann ein Anruf, dass es keine Goldtops mehr gibt, der Markt ist leergefegt (ich vermute, Joe B. hat damals eine Mitschuld gehabt). Täte ihnen sehr leid, es gäbe noch eine Möglichkeit, sie hätte eine Goldtop, aber die Std - Ausführung, ob ich die zum gleichen Kurs nehmen würde. Die Gitarre war knapp 800,-- € höher gelistet und ich hab mich milde gezeigt und das Angebot angenommen :-).

Zur Gitarre: Es ist das 2008er - Modell, d.h. a-symmetrisches Halsshaping, chambered und Potis auf Platine. War damals so. Hatte etwas recherchiert und die Meinungen gingen auseinander, einige meinten, dass sie immer etwas wie eine Semi klingt, andere meinten, sie würde klingen wie die ersten LP-Modelle, also eher heller und bringen nicht so das Rockbrett, wären aber näher am Vintage-Ton als die "Schweizer-Käse-Modelle".

Nun, Gitarre angekommen, angespielt und .... nicht schlecht .... verglichen mit meiner alten LP .... weniger Fleisch am Knochen, aber schön leicht, gut verarbeitet, wird schon gehen. Trocken angespielt kann man die Hohlkammer erahnen, verstärkt fehlt irgendwie der Wumms. Nun gibt es ja Glaubenskriege, welchen Anteil das Holz hat. Meine Meinung ist, dass das Holz eine Rolle spielt, aber überwiegend der Hals. Es wäre leicht, zu sagen, hohler Body = hohler Klang. Das hat dann mein Pimp-Zentrum getriggert und ich ging einkaufen bei so einem "corksniffer - Laden" im Netz, also amtliche Kabel, amtliche Potis, die magischen caps. Hab dann die Verkabelung komplett rausgerissen, alles neu verlötet (50s wiring) und mir von Amber nen Crosspoint 59 für den Steg wickeln lassen. Eingebaut und .... definitiv besser .... klingt alles hochwertiger .... aaaber ..... bei Proben und Auftritten hat sich die LP nicht so durchgesetzt wie meine anderen Gitarren .... es fehlte irgendwie noch was an der Substanz.....

Dann hab ich die Gitarre in den Dornröschen - Schlaf versetzt, sah ja schön aus, stand bei mir im Arbeitszimmer, schön anzusehen (ich neige dazu, Gitarren nicht zu verkaufen :-)). Hab immer mal drüber gegrübelt, wie ich die ans Ziel bringen kann... Letztes Jahr hab ich nochmal einen anderen Pickup reingemacht, nämlich den H3 von Tom Anderson. Live spiele ich in der Coverband immer die Anderson, damit kann man Alles spielen, von Chic bis Metallica, kein Problem, das ist meine "Einsame Insel Gitarre". Irgendwann fing die an zu quitschen und ich dachte, der Pickup ist hin, neuen gekauft, war wohl doch nicht der Pickup, da hatte ich einen übrig. Also H3 in die Paula.... ja, schon rockiger, bischen damit gelebt.......aber irgendwie........noch nicht da :-/ . Zurück in den Dornröschen - Schlaf.....

*

Vor ein paar Tagen kam mir das Problem wieder in den Sinn und mir ist eingefallen, irgendwo gelesen zu haben, dass die 90er LPs 300er Potis haben, weshalb sie eher dunkel klingen. Könnte das die Lösung sein? Dann ist mir eingefallen, dass ich mir vor Jahren mal für ein Bastelprojekt bei ACY ein Poti bestellt habe, wo noch so ein Drehregler dran war um individuell einen Wert für das Poti einzustellen. Nach etwas Suche habe ich das Poti gefunden, ausgelötet, in die LP eingelötet, einen Wert etwas über 300 eingestellt, direkt den Härtetest: 5150 angeworfen und....... Schräännng ..... da war es, was ich gesucht habe!! Keine nervenden Klingelhöhen, Sound kam durch die Mitte, geil! Hab es dann noch über das Axe ausprobiert, ja, hat weiterhin Substanz. Interessant auch, wie unterschiedlich akustischer und verstärkter Klang sein kann. Also, "hohler Body = hohler Sound" stimmt hier definitiv nicht, evtl. wird sie etwas anfälliger für Rückkopplungen sein, ansonsten klingt sie jetzt wie eine rockige Les Paul. Werd das mal weiter beobachten, ob es sich nicht um eine "Honeymoon" - Geschichte handelt. Vielleicht sollte ich doch nochmal den Amber......es nimmt kein Ende.....

Also gebt euren Gitarren ne Chance.....

Viele Grüße,
Frank

Mintage
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Re: Gib deiner Gitarre ne Chance...

Beitrag von Mintage » Sonntag 19. August 2018, 15:57

Moin,

sehr schöne Reise ;-)

Ich kann das nachvollziehen: meine Standard LesPaul kaufte ich 1990, in
Honey Burst. War sehr lange zufrieden, aber je besser meine Amps wurden desto
mehr enttäuschte mich Leadsound. Anno 2000 kamen Fralin PU's rein - und
das Thema war durch ;-).
Bis heute funktionieren die serienmäsigen 500kOhm Potis einwandfrei -
allerdings hat auch bei ihr der Umbau auf 50's wiring Nuancen freigesetzt,
die ich nicht für möglich gehalten hätte ( clean über Deluxe Reverb wäre
wunderbarer Jazz möglich - wenn ich ihn spielen könnte ;-) )

Es lohnt sich, mit dem vorhandenen Instrument länger zu befassen :-)

Grüsse
Rainer

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bluesation
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Re: Gib deiner Gitarre ne Chance...

Beitrag von bluesation » Montag 20. August 2018, 09:20

Mintage hat geschrieben: allerdings hat auch bei ihr der Umbau auf 50's wiring Nuancen freigesetzt,
die ich nicht für möglich gehalten hätte
Ich bin auch ein Freund des 50ies wiring. habe alle meine Gitarren mit Gibson Mensur entsprechend umgebaut und kann nur bestätigen, da hat es eine positive Veränderung in Richtung mehr Nuancen. Außerdem läßt sich über das Tone Poti auch Gain beeinflussen, allerdings subtiler als mit dem Volume Poti. Zumindest ist es in meinen Klampfen so.
Gruß Tom

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Batz Benzer
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Re: Gib deiner Gitarre ne Chance...

Beitrag von Batz Benzer » Montag 20. August 2018, 09:32

Genau so habe ich ja jetzt meiner Strat neue PUs spendiert; seit Jahren ahnte/wusste ich, dass Fat 50s die Gitarre optimal ergänzen müssten. Und so war es dann auch; wenn man die Grundsubstanz des Instruments wirklich mag, lohnt es sich m.E. immer zu optimieren, bevor man verkauft. :thumbsup03:

Lieben Gruß,

Batz.
"Lennon was the soul of the Beatles, Harrison was the spirit, Paul was the heart, and Ringo was the drummer."

- George Martin

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tommy
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Re: Gib deiner Gitarre ne Chance...

Beitrag von tommy » Montag 20. August 2018, 10:08

Batz Benzer hat geschrieben:.....wenn man die Grundsubstanz des Instruments wirklich mag, lohnt es sich m.E. immer zu optimieren, bevor man verkauft. :thumbsup03:

Lieben Gruß,

Batz.
Genau hier liegt für mich der Kasus Knaxus.
Für mich ist eine entsprechende Grundsubstanz überhaupt erst schwer zu erfahren, wenn bestimmte Elemente wie Pickups, Brücken, Sattel, Mechaniken etc. nicht optimal sind, dieses jedoch nicht unmittelbar aufzeigen.
Es bleibt letztlich doch ein Try & Error Spielchen, wenn man nicht gerade der Meister des "Holzklopfens" ist.

Es wäre nicht das erste mal, dass ich aus einer vermeintlich sehr "guten Grundsubstanz", trotz heftiger Austauscherei, letzlich keinen vernünftigen Sound rausbekommen habe. Erst die Erkenntnis nach der durchgeführten Austauschorgie hat dann die vermeintlich gute Substanz ad absurdum geführt.

Ok, wenn es nur um kleine Nuancen geht, gebe ich Euch recht. Aber ob eine die so gar nicht meinem Geschmack entspricht, egal wie toll Body und Hals auch erscheinen (sie resoniert dermaßen großartig!....), zu einem Keeper wird ist m.E. zum großen Teil Glücksache.
Franks aufgezeigten Weg hätte ich mich nicht getraut!
LG, Tommy


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Re: Gib deiner Gitarre ne Chance...

Beitrag von Batz Benzer » Montag 20. August 2018, 10:18

tommy hat geschrieben: Es bleibt letztlich doch ein Try & Error Spielchen, wenn man nicht gerade der Meister des "Holzklopfens" ist.

Es wäre nicht das erste mal, dass ich aus einer vermeintlich sehr "guten Grundsubstanz", trotz heftiger Austauscherei, letzlich keinen vernünftigen Sound rausbekommen habe. Erst die Erkenntnis nach der durchgeführten Austauschorgie hat dann die vermeintlich gute Substanz ad absurdum geführt.
No worries, Du brauchst einfach noch ein wenig mehr Erfahrung; in ca. 150 Gitarren bist auch Du soweit... :mrgreen: :thumbsup03:

;) ,

Batz.
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Re: Gib deiner Gitarre ne Chance...

Beitrag von tommy » Montag 20. August 2018, 11:01

:muahaha: :thumbsup03:
LG, Tommy


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Re: Gib deiner Gitarre ne Chance...

Beitrag von Paulasyl » Dienstag 21. August 2018, 23:03

Schöne Story!
Ähnliches bei meiner (fast) maßgeschneiderten ersten RBC Paula: Rainer rief mich verzweifelt an, er hatte an die falsche Paula ein Wampenshaping gemacht, ich wollte eigentlich keins. Ließ sich nicht mehr ändern, im Nachhinein bin ich froh.
1. fühlt sich wirklich gut an, 2. auch ohne das bissi Holz wiegt die Sau über 5 kg, weit drüber.
Rainer hat mir eine interessant klingende Schaltung entworfen, mit Coil-Blending. Hat auch gut geklappt, war dann aber für mich unnütz und ich war mit dem Grundsound der Häussels unzufrieden. Kurz recherchiert, Acy gefragt und: Alles raus, neue Potis, Orange Drops mit geringen Werten rein, 50ies Wiring und zack: Meine Hauptgitarre!
Durchsetzungsfähige Mitten, celloartige Ansprache und sogar brauchbare Potis, kaum Höhenverlust bei Volumepotis und einsetzbare Tonepotis dank der geringen Werte. Jahre drauf habe ich im Abverkauf zwei wirklich gute 2015er Traditionals geschnappt, denen blüht auch noch der Umbau. Pickups sind gut, Bauteile hochwertig, aber dieses 50ies Wiring lässt micht nicht mehr los.

Freut mich für Dich, dass es die Geige noch geschafft hat!
Mein Körper besteht zu 65% aus Müdigkeit, der Rest ist Hunger.

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