WHAT’S ON THE BENCH?

Selbst ist der Gitarrist: Reparieren, Pimpen, Customizen, Eigenbauten
Andrea Joy

Re: WHAT’S ON THE BENCH?

Beitrag von Andrea Joy » Sonntag 23. August 2020, 23:48

Hallo Rainer....interessanter Thread!

Neben dem ganzen Handwerklichen und Technischen habe ich jetzt die Fragen:

WIe kommst du denn an gute Holzplanken, bzw. abgelagertes Tonholz für Deine Halsproduktion?
und wie triffst du dann eine Auswahl für ein "Body-Halspaar" um Dein Klangideal dan zu erzielen?
Beziehst du das beim Gitarrenbauer, der dich berät oder machst du eher "Learning by doing?" ..was ich nicht abwertend meine!

Es gibt ja gitarrentypische u. konstrunktionsbedingte Gemeinsamkeiten doch kann ja jede Einzelne GItarre in Timbre, Ansprache etc. letzlich wieder stark abweichen. :kopf_kratz01:
oder wird da zuviel Hokuspokus drum gemacht?

Du begibst du dich jetzt ja quasi auf den Pfad eines Gitarrenbauers, da du schon recht großen Aufwand betreibst. Material, Vor- und EInrichtungen Werkzeuge, Zeiteinsatz sind ja schon enorm!
Aber es gehört, denke ich ja auch die langjährige Lehre und Erfahrung zum Musikinstrumentebau mit dazu ansonsten ist das ja ein ganz schönes Wagnis :cool01:


So ein Wunsch schlummert bestimmt in einigen von uns :D
Ich wünsche in jem Fall gutes Gelingen! :thumbs:

LG Andrea

Benutzeravatar
Diet
Beiträge: 7378
Registriert: Dienstag 21. Oktober 2014, 21:32
Kontaktdaten:

Re: WHAT’S ON THE BENCH?

Beitrag von Diet » Montag 24. August 2020, 00:29

Moin Rainer,

mir entfährt da ein fettes Boah :o

:thumbsup02: :D

Gruß Diet

Benutzeravatar
tommy
Beiträge: 11021
Registriert: Dienstag 21. Oktober 2014, 20:51
Wohnort: Norderstedt SH

Re: WHAT’S ON THE BENCH?

Beitrag von tommy » Montag 24. August 2020, 09:53

Respekt, Herr Kommissar!
Ich weiß gar nicht was mich mehr fasziniert...die Gitarre oder die Werkzeug Konstruktionen! :thumbsup02:
LG, Tommy


Esst mehr Obst!

Adam
Beiträge: 381
Registriert: Sonntag 14. Juni 2020, 13:36

Re: WHAT’S ON THE BENCH?

Beitrag von Adam » Montag 24. August 2020, 10:12

Einfach klasse!
Ich hoffe Du berichtest weiter.

Gruß
Adam

Benutzeravatar
tommy
Beiträge: 11021
Registriert: Dienstag 21. Oktober 2014, 20:51
Wohnort: Norderstedt SH

Re: WHAT’S ON THE BENCH?

Beitrag von tommy » Montag 24. August 2020, 11:51

Rainer, besteht nicht die Möglichkeit, bei der Halsfräsvorrichtung eine Absaugvorrichtung zu installieren? Ich könnte mir vorstellen, dass die Späne auf der Oberfräsen Laufschiene das Ergebnis beeinträchtigen.
Zur Not reicht ja schon ein einfacher, am Schlitten fixierter, flexibler Staubsaugerschlauch, der die Späne nahe des Fräskopfes aufnimmt. Hält auch gleichzeitig Dich und den Arbeitsplatz sauber.
LG, Tommy


Esst mehr Obst!

Colombo

Re: WHAT’S ON THE BENCH?

Beitrag von Colombo » Montag 24. August 2020, 13:08

Andrea Joy hat geschrieben:
Sonntag 23. August 2020, 23:48
Hallo Rainer....interessanter Thread!

Neben dem ganzen Handwerklichen und Technischen habe ich jetzt die Fragen:

LG Andrea
Hallo Andrea,
gerne beantworte ich dir deine Fragen.
Wie ich an das Tonholz komme? Es gibt ja einige bekannte Händler, die ihr Angebot auch an die Zupf-Instrumentenbauer angepasst haben, wie z. B. Espen, Kolliz. Aber auch bei eBay gibt es ein paar Anbieter, bei denen ich sicher sein kann, dass die Qualität stimmt. Aber ich hatte auch schon einen dabei der mir 2 Esche Blanks verkauft hat, die Mal so eben 7,2 Kg auf die Waage gebracht hatte.

Als Halskantel verwende ich überwiegend Hölzer mit stehenden Jahresringen (Rift) oder schrägen Jahresringen (halb Rift).
Wie ich meine Holz-Wahl für Korpus und Hals treffe? Zum Teil hast du schon Recht, ich gehe zwar nicht zu einem Gitarrenbauer und lasse mich beraten, aber ich schaue mir deren Holzkombination an und deren Beschreibung. Aber auch durch eigene Erfahrungen kann ich schon ganz gut einschätzen was gut miteinander harmoniert.

Aber vorab erst einmal ein paar Worte zu dem Begriff Tonholz. Als Tonholz wird das Holz bezeichnet welches zur Herstellung von Instrumenten verwendet wird. Eigentlich gibt es gar kein Tonholz sondern nur Konstruktionsholz.

Die Wichtigen Faktoren zu Auswahl sind:
- die Dichte, also wie schwer ist mein Holz?
- die Härte, wie leicht lässt sich ein Fremdkörper eindrücken?
- die Elastizität, wie weit kann ich das Holz verformen ohne das eine bleibende Verformung entsteht oder zu Bruch geht?
- wie lässt sich das Material bearbeiten?
- ist das Holz dekorativ?
- und ganz wichtig, arbeitet das Holz?

Wenn man ich mich für eine Paarung entschieden habe, überprüfe ich anhand der Kriterien die Holzqualität.
Beispiel Sumpfesche, anhand der Jahresringe und deren Anordnung kann man schon erahnen wie schwer das Holz ist und was für Klangeigenschaften zu erwarten sind.

Batz hatte mal geschrieben, dass ihn Gitarren, Strat, Tele am besten liegen und klingen wenn sie so um die 3,5 Kg wiegen. Daraus lässt sich ableiten, dass der Korpus nach der Bearbeitung so um die +/- 2Kg wiegt. Das ist auch für mich ein idealer Wert, den ich überwiegend anstrebe.

Sind die Jahresringe dich bei einander erhöht sich die Dichte. Dadurch verändert sich auch das Schwingungsverhalten. Das Erscheinungsbild der Maserung ist dann meist Streifiger. Sieht man öfter bei Gitarren um die 150 Euro. Bis auf das Gewicht nicht unbedingt ein Nachteil.
Haben die Jahresringe größere Abstände zu einander und ist die Maserung Blumiger, kann man davon ausgehen das die Dichte nicht all zu hoch ist. Hier kommt man nach der Bearbeitung leicht auf ein Gewicht von 1,6 Kg bei einem Strat-Korpus.
Meine Erfahrung und Beobachtung.

Was das Instrument zu einem guten Instrument macht ist mMn die Verarbeitung und das anschließende Setup.
Ich habe schon Berichte über Verarbeitungsfehler gesehen, wo das Griffbrett nur mir 4-5 Tropfen Leim aufgebracht wurde. Das ist dann totes Holz was nicht klingt, da die Schwingungen nicht ohne Unterbrechungen übertragen werden können. Die Kette ist nur so stark wie sein schwächstes Glied.
Das gilt auch für die Bundschlitze. Die sollten nur so tief sein, wie die Steg der Bünde hoch ist. Wird der Bundschlitz zu tief gesetzt wird auch die Steifigkeit des Halses herabgesetzt.
Viel gelobt wird auch die Halskonstruktion von Leo Fender. Dieser gebogene Halsspannstab der in den alten Hälsen verbaut wurde, bringt eine gewisse Vorspannung in den Hals, die durch die heutigen modernen Dualaction – Spannstäbe nicht erreicht werden können. Dies ist auch Auszeichnend für die Tonentfaltung und Ansprache die dadurch erreicht wird.

Ein Gitarrenbauer nur zum Hobby ja, aber mein Geld damit verdienen muss und will ich gar nicht.
Seit meiner Jugend arbeite ich schon mit Holz und habe mir meine Möbel überwiegend selber gebaut. Dadurch hat sich auch über die Jahre genug Werkzeug und Kram angesammelt auf die ich heute noch zurückgreifen kann.

Die Vorrichtungen haben auch keine Unsummen verschlungen. Wenn ich dafür 25 Euro an Holz ausgegeben habe ist das schon viel. Die Kugellager sind aus den alten Rollen der Inliner die ich eh entsorgen wollte. Auch der Zeitaufwand war nicht besonders hoch, der Zuschnitt brauchte ja nur noch zusammen geschraubt werden. Hier und da noch ein paar Anpassungen und schon kann man die ersten Vermessungen am Halsrohling vornehmen und ggf. korrigieren.
Und Zeit habe ich heute mehr als genug für solch schöne Bastelei.

Ich hoffe ich konnte dir deine Fragen ausreichend beantworten.

Colombo

Re: WHAT’S ON THE BENCH?

Beitrag von Colombo » Montag 24. August 2020, 13:18

tommy hat geschrieben:
Montag 24. August 2020, 11:51
Rainer, besteht nicht die Möglichkeit, bei der Halsfräsvorrichtung eine Absaugvorrichtung zu installieren? Ich könnte mir vorstellen, dass die Späne auf der Oberfräsen Laufschiene das Ergebnis beeinträchtigen.
Zur Not reicht ja schon ein einfacher, am Schlitten fixierter, flexibler Staubsaugerschlauch, der die Späne nahe des Fräskopfes aufnimmt. Hält auch gleichzeitig Dich und den Arbeitsplatz sauber.
Hast Recht Tommy, würde ich gerne tun, aber leider habe ich nicht viel Platz um noch eine Absaugung unterzubringen. Mein schönes Motorrad muss auch ständig unter der Staubbelastung leiden.
Eigentlich ist nur eine Seite der Lauffläche mit Späne übersät ist, die reinige ich dann nach jedem Durchgang mit einem Pinsel. Die Oberflächenqualität ist schon in Ordnung, ein Feinschliff muss ja eh gemacht werden.

Benutzeravatar
tommy
Beiträge: 11021
Registriert: Dienstag 21. Oktober 2014, 20:51
Wohnort: Norderstedt SH

Re: WHAT’S ON THE BENCH?

Beitrag von tommy » Montag 24. August 2020, 13:46

Ich dachte da auch mehr an einen kleinen Handstaubsauger mit (ggf. selbstgebasteltem) Flexschlauch, den Du problemlos hinter der Vorrichtung auf dem Tisch platzieren könntest.
Soviele Späne fallen ja nicht an.
Aber Pinsel geht natürlich auch!
LG, Tommy


Esst mehr Obst!

Andrea Joy

Re: WHAT’S ON THE BENCH?

Beitrag von Andrea Joy » Montag 24. August 2020, 14:05

Danke für Deine umfangreiche Antwort Rainer!

wegen meiner persönlichen Grundfrage "Was nun eine Gute Gitarre ausmacht", die ich seit dem ich in Foren bin immer wieder gerne beantwortet hätte, dich ich aber bereits sehr relativiert habe, bin ich jetzt nochmal etwas neugierig gewesen... Ja ich wollte Dir auch etwas Näheres entlocken und evtl. den Diskussionsaustausch anregen.

Auch den Begriff "Tonholz" habe ich absichtlich eingeworfen... wobei du nun den Begriff Konstruktionsholz nennst, was für mich gut nachvollziehbar ist.
Es hätte ja auch sein können du antwortest "Ich nehme mir was aus dem Baumarkt - das funktioniert gut genug". JA - sich "gut mit Holz auskennen" - da bringst du ja die richtige Erfahrung mit. Technisch bist du ja versiert - wie wir immer wieder sehen :D

Die Sache mit dem Gewicht war mir auch so hängengeblieben und ich habe den Eindruck das stimmt, ich sehe das zumindest als gute Ausgangsbasis, wobei es ja eben die "Ausnahmen der Regel" immer geben wird.

Die Infos über die "gute alte Fender Halsstabkonstruktion" und die anderen wichtigen Leimdetails lassen ja klar durchblicken, wie tiefgehend du dir Gedanken für Deine Gitarren machst :cool01: ...schön das wir da was von erfahren und nah mit dabei sein dürfen.

Bin ich ja mal wirklich gespannt ob du das nächste Jahr mal mit ein 2 "Damen" bei einer Session vorbeikommst...
Aber jetzt erstmal weiterhin gut Holz und gutes gelingen!

LG Andrea

Colombo

Re: WHAT’S ON THE BENCH?

Beitrag von Colombo » Dienstag 25. August 2020, 09:10

Andrea Joy hat geschrieben:
Montag 24. August 2020, 14:05
Bin ich ja mal wirklich gespannt ob du das nächste Jahr mal mit ein 2 "Damen" bei einer Session vorbeikommst...
Das denke ich eher weniger, denn wenn die Gitarre fertig ist und ich mit dem Ergebnis zufrieden bin, kann sie eigentlich wieder gehen, mein Platz für Gitarren ist sehr beschränkt und eigentlich bräuchte ich auch keine weitere. Ist halt nur der Spaß an dem Werken mit dem Ziel was Schönes fürs Auge und Ohr herzustellen.
Daher biete ich die Gitarren dann für meine Herstellungskosten zum Verkauf an. Wenn sie nicht verkauft wird, zerlege ich die Gitarren wieder und verwende die Bauteile für was Neues. Sonst wird mir die Bastelei zu teuer und nimmt mir auch zu viel Platz weg.

Antworten