Eine kleine Anekdote zum Solospiel

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Wizard
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Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von Wizard » Sonntag 22. April 2018, 19:10

Diet hat geschrieben:Moin,

Zawinul ist Wiener.
Wiener Schmäh fällt mir zu seiner Antwort ein.
Das ist total typisch, Wiener Schmäh in Reinkultur und das meine ich tatsächlich ernst.
Wirklich :undwech:
Zynisch, auf eine herablassenden Weise leicht aggressiv.
Ich komme damit z.B. überhaupt nicht zurecht. Mein Fell ist zu dünn dafür.
Ein Besuch Wiens hat mir da gereicht.

Gruß Diet
Absolute Zustimmung. Mir reichten zwei Wien Zwischenstationen auch für das nächste Leben gleich mit ... :undwech:
Gruß Peter

immer noch aktuell: >>> leben und leben lassen <<<

Loki
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Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von Loki » Sonntag 22. April 2018, 20:17

Pfaelzers KSM hat geschrieben: . Mir ist damals durch die Anekdote aufgefallen, dass ich oft die Neigung hatte (und hier und da noch habe), dass ich mich für meinen musikalischen Output rechtfertige, obwohl mich gar keiner dafür negativ angegangen hat (zumeist mit Humor/Ironie gewürzt, aber trotzdem war ich so unsicher, dass ich glaubte mein Spiel verteidigen zu müssen). Dabei sollte ich eigentlich doch überzeugt sein von dem was ich spiele, sonst würde ich es ja nicht spielen.
Diese Selbstzweifel quälen mich nicht. Vielleicht werde ich deswegen kein guter Gitarrist.

Nur ab und zu denke ich mir: da war heute aber wieder viel Jazz dabei :lol:
Lust ist, wenn ich spiele. Frust ist, wenn ich mich höre

Pfaelzers KSM

Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von Pfaelzers KSM » Sonntag 22. April 2018, 21:57

Vielen Dank für alle Beiträge!
Lustigerweise habe ich die Zawinulsche Bemerkung nie als verletzend empfunden, sondern als nur als zutreffend...und damit als Anstoss, wie oben geachildert über musikalisches Selbstverständnis nachzudenken. Ich mag allerdings auch Wiener Schmäh.... 8-)
Ernsthaft: Im Studiobetrieb ist ein Musiker ohne (musikalisches) Selbstvertrauen, der ewig herumprobiert und mit keinem Take zufrieden ist respektive nicht weiß, ob ihm das gefällt, was er da eigenspielt hat (genau das bedeutet ja die Frage „was it good“), ein ziemliches Problem, denn er kostet nicht nur Nerven, sondern auch Studiozeit, und die kostet Geld. ... da herrscht eher keine Wohlfühlathmo, und der zawinulsche Kommentar (der ja durchaus eine humorvolle, wenn auch ironische Komponente hat...eben „Schmäh“), fällt da noch eher in den Bereich Ponyhof bzw. Motivation. In wie weit solche Aggression wirklich motivierend iist, kann man diskutieren...das habe ich nach dem Film „Whiplash“ schon nächtelang getan....und habe da eine eher pragmatische denn feinfühlige Meinung.

Es gibt aber imho noch diese zweite Ebene: Der geneigte Musiker sollte dazu in der Lage sein, seine gerade erbrachte musikalische Leistung bewerten zu können...natürlich ist diese Bewertung total subjektiv, aber ich fühle doch, ob ich zumindest für mich gut oder schlecht gespielt habe; ich ziehe aus der Anekdote u.a. auch die Erkenntnis, dass es sehr wichtig für die Entwicklung eines Musikers ist, sein eigenes Spiel werten zu können (sonst wird es arg schwierig, Fortschritte zu machen, wenn ich sie nicht bewerten kann...). Das hat bei mir dazu geführt, dass es Tage gibt, an denen ich mit dem, was ich gespielt, sehr zufrieden bin...und das motiviert mich persönlich dazu, mehr zu ü...(Jehova), als wenn ich vom Gig/der Probe/dem Recording heim komme und nur diffus beschreiben kann, wie „es“ denn „war“.

Ich finde aber den hier oft vertretenen Standpunkt, dass die aggressive Komponente abtörnend sein kann, sehr wichtig. Ich habe den Spruch nämlich hier und da bei befreundeten Mitmusikern benutzt...ich glaube, das lasse ich besser. :roll:

Duke

Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von Duke » Montag 23. April 2018, 00:36

Pfaelzers KSM hat geschrieben: ... da herrscht eher keine Wohlfühlathmo, und der zawinulsche Kommentar..., fällt da noch eher in den Bereich Ponyhof bzw. Motivation.
...
Mich würde ja mal ernsthaft interessieren, welche künstlerisch wertvollen Produktionen in einer derartigen Atmosphäre entstanden sind.

Würde vermuten, dass das eher wenige, bis gar keine waren und wenn, sind sie eher trotzdem entstanden. :kopf_kratz01:

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Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von telly45 » Montag 23. April 2018, 07:42

MonacoFranke hat geschrieben:
Pfaelzers KSM hat geschrieben:Ohne die Neigung, immer zu wissen,was ich spiele, wäre ich nie an den Punkt gekommen, frei spielen zu können... Paradox, nicht wahr?
Ich denke, dass wirklich gute Musiker

1.) nie mit dem Erreichten zufrieden,

2.) immer von Selbstzweifeln geplagt sind und

3.) ständig nach Verbesserung streben.

Das kann Mitmusiker bisweilen zum Wahnsinn treiben, aber ich halte das für legitim.

Schließlich geht es nicht um Leben und Tod, sondern es ist viel ernster (frei nach Bill Shankly)!

Beste Grüße
Frank
Danke, dass du mir die Augen geöffnet hast, warum ich kein guter Musiker bin :prost: :lol:
Gruß Rainer

Pfaelzers KSM

Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von Pfaelzers KSM » Montag 23. April 2018, 09:11

Duke hat geschrieben:
Pfaelzers KSM hat geschrieben: ... da herrscht eher keine Wohlfühlathmo, und der zawinulsche Kommentar..., fällt da noch eher in den Bereich Ponyhof bzw. Motivation.
...
Mich würde ja mal ernsthaft interessieren, welche künstlerisch wertvollen Produktionen in einer derartigen Atmosphäre entstanden sind.

Würde vermuten, dass das eher wenige, bis gar keine waren und wenn, sind sie eher trotzdem entstanden. :kopf_kratz01:
Jede professionelle Prosuktion, bei der ein Produzent anwesend ist...denn es ist die Aufgabe des Produzenten, das Maximum an Musik aus dem Musiker herauszupressen.

Sicherlich: Kreativität braucht Freiraum, deshalb findet Songwriting normalerweise nicht im Studio statt (außer der/die Künstler produzieren selbst und haben das Geld dazu).
Aber: Das Ganze dann aufs Band zu bringen ist Arbeit. Und freigeistige Menschen zu konventioneller Arbeit im konventionellen Rahmen zu bringen bedarf Zwang...es gibt Stories in Hülle und Fülle über die Entstehung legendärer Alben wie der Electric Ladyland, the wall, let it be usw....und keine enthält Ponyhofgeschichten.
Man sieht das z.B. im Film zu let it be sehr deutlich, wie George Harrison unter Druck gesetzt wird, das gewünschte Soloergebnis zu bringen....

Ich weiß, dass die romantische Vorstellung darin besteht, dass die Musiker ins Studio gehen, hier und da Fräulein Inspiration vorbeikommt und dann im First-Take göttlich-inspirierte Musik entsteht (und diese Vorstellung wird ja auch gerne von der Industrie genährt). Die Realität sieht (zumindest ist das meine Erfahrung in dem Buisness) deutlich anders aus, denn wie bei jedem anderen Buisness geht es um Geld und Macht und persönliche Eitelkeiten (um letzteres im gehobenen Maße...).

Sorry, das war nicht schön. :oops:
aber lider wahr :oops: :oops: :oops:

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Big Al
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Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von Big Al » Montag 23. April 2018, 09:20

Hehe, jetzt mal nicht zu viel Pragmatismus hier reinbringen, Jörg.

Ich kann die Aussagen bzgl. Selbstzweifeln etc. 100% unterschreiben. Ist aber etwas etwas besser geworden, seit ich 2 Jahre alleine im Studio saß und eine Platte in Personalunion produziert habe. Das war am Anfang sehr sehr unangenehm, da vor sich hinzurödeln ohne direktes Feedback von irgendjemand und so richtig toll war es auch nicht. Aber es hat mich eben gezwungen alles komplett selbst zu reflektieren und immer wieder zu überlegen, ob das was ich da gemacht habe, meinem Anspruch entspricht oder ob ich lieber nochmal rangehe. Letztlich höre ich die Platte immer noch selbst sehr gerne, weil es zu 100% ich bin (also nicht, wer da spielt, da haben auch andere mal hier und da geholfen), aber die Richtung und die Arrangements sind 100% ich und damit kann ich sehr gut leben. Aber es war eine ziemliche Reise und ich habe dabei viel gelernt. Live ist es nochmal etwas anderes. Da bin ich eher der emotionale und lasse einfach laufen, Buddy Guy hat mich sehr beeinflusst. Die Leute springen auch eher selten auf die super-präzisen Soli an, eher auf die emotional vorgetragenen. Natürlich sollte es sich auch noch nach was anhören und nicht nur quietschen.
Denk da lieber nochmal drüber nach (Stoppok)

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Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von archie » Montag 23. April 2018, 09:25

Duke hat geschrieben:War auch mein erster Gedanke ...
Meiner auch, spontan: Hoppla, der war aber nicht nett.

Andererseits, um sowas einordnen zu können, müsste man natürlich genauer wissen, was die beiden für ein Verhältnis hatten und ob das vielleicht das übliche Gefrotzel war.

Vielleicht wollte Herr Zawinul auch Herrn Henderson zu verstehen geben "meine Güte, du bist gut, jetzt trau dir doch endlich mal selber was zu und frag nicht immer andere, ob es gut war" - auch sowas kann auf Dauer anstrengend sein.

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Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von tommy » Montag 23. April 2018, 09:44

Moin,

wenn hervorragende Musiker kleinlaut Selbstzweifel äussern, ist mein erster Reflex eigentlich immer vom Thema "fishing for compliments" geleitet.
Ich selbst reagiere dann im Allgemeinen mit Sarkasmus. Allerdings nur, wenn man sich kennt.

Ähnlich könnte ich es mir auch bei den beiden Protagonisten vorstellen.
LG, Tommy


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Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von archie » Montag 23. April 2018, 09:48

MonacoFranke hat geschrieben:Ich denke, dass wirklich gute Musiker
1.) nie mit dem Erreichten zufrieden,
2.) immer von Selbstzweifeln geplagt sind und
3.) ständig nach Verbesserung streben.
Dann tun "wirklich gute Musiker" mir aufrichtig leid, und ich bin froh, keiner zu sein.

Punkt 1 und 2 (nie zufrieden, immer Selbstzweifel) können zu einer ernsthaften seelischen Krankheit führen, und ich denke, hier liegt eine der Ursachen dafür, wenn Künstler ein Problem mit Alkohol, Drogen oder Medikamenten haben.

Punkt 3 ist innerhalb vernünftiger Grenzen in Ordnung, weil es dazu bringt, Neues zu lernen und in Bekanntem besser zu werden. Aber auch hier kommt es auf die Dosis an. Übertriebener Perfektionierungswahn hält davon ab, einfach mal das, was man schon kann, produktiv (d.h. nicht zuletzt gewinnbringend) einzusetzen.

Um das mal auf meine Berufswelt (Software) zu übertragen: Ich kann zwischen Diplom und Rente ungefähr 35 Jahre lang Programmierer sein und nur minimal dazulernen, weil ich jedes Projekt auch irgendwie gelöst kriege mit dem, was ich schon vorher wusste. Wird wahrscheinlich funktionieren, aber ich fürchte, die letzten 20 Jahre werden ziemlich langweilig. Und mancher Fortschritt ist ja auch tatsächlich zu etwas gut und würde mir helfen und meine Programme objektiv verbessern.

Andererseits kann ich auch jeder neuen Technologie hinterherrennen, die irgendwo im Internet gepostet wird, jede neue Programmiersprache lernen, mich in jede neue Bibliothek reinarbeiten und eine Wissensdatenbank auf zwei Beinen werden. Leider bringt mir das finanziell sehr wenig ein, weil ich meine Programme ständig umwerfe und mit neuen Techniken neu schreibe und nur selten eins fertigkriege.

Die "richtigen" Wege (von denen es natürlich immer mehr als einen gibt) liegen irgendwo in der Mitte: Es gibt eine Zeit, Neues zu lernen, und es gibt eine Zeit, Bewährtes anzuwenden.

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