Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Der tut nix! Der will nur üben!
Pfaelzers KSM

Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von Pfaelzers KSM » Sonntag 22. April 2018, 13:28

Eines vorneweg: ich bin mir nicht sicher, ob das hier wirklich das richtige Unterforum für diesen Thread ist - wenn nicht, bitte verschieben...

Die Geschichte hat Scott Henderson bei einer Clinic erzählt:
Hr. Henderson war in seiner Zeit beim Zawinul Syndicate im Studio und sollte ein Solo aufnehmen. Nachdem er es eingespielt hatte, ging er in die Regie zu Joe Zawinul und fragte "Was it good?" - worauf dieser (in seinem wienerisch eingefärbten Englisch) entgegnete: "When you don't know if it's good why did you play it?"

Für mich liegt in dieser Geschichte eine "big lesson", was das Verhältnis zum eigenen Spiel und zur eigenen musikalischen Identität angeht...und mich würde interessieren, was ihr dazu meint, wie ihr den Spruch interpretiert...

Ist vielleicht eine leicht metaphysische Diskussion, aber ich persönlich finde es genau so hilfreich wie ü...(JEHOVA!), hier und da über solche Dinge nachzudenken :kopf_kratz01: ;)

Benutzeravatar
bluesation
Beiträge: 1320
Registriert: Dienstag 21. Oktober 2014, 21:31
Wohnort: Südliches Ost-Westfalen

Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von bluesation » Sonntag 22. April 2018, 14:04

Eigentlich gibt es da nichts mehr zu zu sagen, weil es genau auf den Punkt ist. Kleine Einschränkung, Verhältnis von Aufwand und Bedeutung. Wenn man lange mit dem Gespielten unzufrieden ist, es aber um nichts geht, z.B. hier Buden-Jam vs. kommerzielle CD Einspielung, darf man auch mal 5 grade sein lassen. Außerdem, jedem sei mal der menschliche Moment der Unsicherheit bezüglich des eigen Tuns zugestanden.
Idealerweise sollte man aber jedoch zum Punkt kommen, dass man guten Gewissens sagen, das was ich gemacht habe, war gut. Das man über "gut" auch streiten kann, ist klar. Irgendwann ist es ja auch ein Geschmacksfrage, im künstlerischen Bereich zumindest.

In der konkreten Anekdote wäre auch noch unklar, ob die Frage von Henderson nicht richtiger "Hat es euch gefallen?" hätte lauten müssen. Bei Leuten wie Henderson können wir ein handwerkliches "gut" wohl annehmen. Für mich zumindest hat es auch was Sympathisches, wenn einer nicht daher kommt, als ob er alles besser könnte, sondern auch mal hören will, was Andere so denken. Also eine Floskel zwecks Schaffung eines harmonischen Miteinanders.
Gruß Tom

Benutzeravatar
M. L. Schwan
Beiträge: 1267
Registriert: Samstag 4. April 2015, 11:02

Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von M. L. Schwan » Sonntag 22. April 2018, 14:05

Hi,
vielleicht hätte er sagen sollen: "Wie gefällt Dir das Solo?" Ich denke er wollte sich schlicht ein Feedback vom großen Meister einholen und das finde ich okay.

edit:
huups da war einer schneller ;)
Viele Grüße
- Der Schwan -

Loki
Beiträge: 767
Registriert: Montag 29. August 2016, 10:54

Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von Loki » Sonntag 22. April 2018, 14:16

Ich finde die Frage berechtigt. Mit dem Solo kann der Gesamteindruck ziemlich verändert werden. Ich interpretiere den Satz eher als "passt das zu euren Vorstellungen" das es handwerklich gut war, davon kann man wohl ausgehen
Lust ist, wenn ich spiele. Frust ist, wenn ich mich höre

Pfaelzers KSM

Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von Pfaelzers KSM » Sonntag 22. April 2018, 14:42

Der Unterricht bei Scott Henderson hat mein musikalisches Weltbild verändert, der Mann hat eine sehr musikalische Sicht vieler Dinge und ist ganz nebenbei bemerkt ein unglaublich guter Gitarrist in jeder Stilrichtung. Aber ich habe selten einen Gitarristen erlebt, der so unsicher war was sein eigenes Spiel angeht wie Hr. Henderson. Von daher darf die Frage "Was it good" wörtlich genommen werden....
Und genau das ist die Thematik, die diese kleine Anekdote in mir anspringen lässt...wie stehe ich zu dem Zeuch, das ich raustue. Mir ist damals durch die Anekdote aufgefallen, dass ich oft die Neigung hatte (und hier und da noch habe), dass ich mich für meinen musikalischen Output rechtfertige, obwohl mich gar keiner dafür negativ angegangen hat (zumeist mit Humor/Ironie gewürzt, aber trotzdem war ich so unsicher, dass ich glaubte mein Spiel verteidigen zu müssen). Dabei sollte ich eigentlich doch überzeugt sein von dem was ich spiele, sonst würde ich es ja nicht spielen...

Ich persönlich glaube, dass meine Neigung zur Analyse von Musik, was denn warum und wie gut klingt, daher kommt. Und ich glaube sogar, dass wenn ich damals mit mehr musikalischem Selbstwertgefühl ausgestattet gewesen wäre, nicht der Gitarrist geworden wäre, der ich nun mal bin....eben weil ich diese Unsicherheit (vor allem im Studio) nur durch mehr Üben und mehr Wissen bekämpfen konnte. Dadurch hat sich über die Jahre das nötige Selbstwertgefühl eingestellt, aber es war ein langer Prozess...und es war ein noch längerer Prozess, davon wegzukommen, nur "save" zu spielen, sondern auch wieder das Feeling die Führung übers Solospiel zu überlassen. Ohne die Neigung, immer zu wissen,was ich spiele, wäre ich nie an den Punkt gekommen, frei spielen zu können... Paradox, nicht wahr?

Und das alles wegen dieser kleinen Anekdote.... :shock:

Benutzeravatar
Ingolf
Beiträge: 2645
Registriert: Sonntag 24. Januar 2016, 14:59
Wohnort: Hamburg

Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von Ingolf » Sonntag 22. April 2018, 16:28

Ich denke, wir können ein klein wenig generalisieren:
Die Frage: 'War es gut?/War ich gut?' impliziert, dass der Mann darüber nachdenkt und reflektiert, wie er und sein Tun zu einem beliebigen Zeitpunkt X in den Kontext Y passt.
Dieser Wunsch oder das Bedürfnis, darüber zu reflektieren, lässt sich nicht nur auf musikalische Fragen beziehen, sondern natürlich prinzipiell auf alles, wo Ausagen getroffen werden, wo gehandelt wird, wo Stellung bezogen wird.
Ich persönlich empfinde dieses Reflexionsbedürfnis als ein Zeichen großer persönlicher Reife.
Demgegenüber ist die hier geschilderte Zawinul'sche Haltung für mich arrogant und narzisstisch. Um nicht zu sagen: dumm.

SilviaGold

Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von SilviaGold » Sonntag 22. April 2018, 17:06

Ich würde mich gerne Ingolfs Meinung anschließen und auch dazufügen:

1. Wenn diese Aussage vom Zawinul dich angeregt und weitergebracht hat -> :thumbs:
Du hast dir das rausgezogen womit du selbst resoniert hast Jörg.

2. Bei solchen Interpreationen von getextetem aus der "Presse" fehlt uns hier ganz die dazugehörige Mimik, die Gestik und der Tonfall der beiden.
Deswegen können wissen nicht genau die wirkliche Bedeutung wissen. Selbst die beiden Gesprächspartner könnten andere Intentionen gehabt haben und andere Schlüsse als Bedeutung gezogen haben ;)

Das wir Musiker, die wir evtl. täglich über Jahre viel Herzblut und Energie in die Musik stecken, uns auch etwas oder sogar besonders über unser musikalisches Schaffen definieren ist mir sehr verständlich. (Ich zB. nehme die Gitarre als eine Art Spiegel meines Befindens wahr und gehe seit längerer Zeit bewusster mit der Einstellung ans Instrument - selbst das Ergebnis mitzubestimmen. Also nicht zu hoffen ---hm wie wird es wohl heute)

Dennoch ensteht u. besteht ja grade die wirklich gute Musik auch aus dem Teil der Inspiration des Moments und im Zusammenklang mit dem anderen Spieler. Dieses Ergebnis kann man ja gar nicht vorher genau selbst bestimmen! Das steht für mich also etwas im Widerspruch zur Logik von Zawinuls Aussage: "When you don't know if it's good why did you play it?" So platt kann er das also nicht gemeint haben.

Die Aussage zielt also doch eher genau auf das Selbstbewusstsein von S: Henderson ab.
Ich würde das somit also nicht ausschließlich als überheblich deuten - sondern evtl. sogar als einen klugen :) Hinweis!
Nett gemeint und mit ernstem Hintergrund. Wer weiss :D ....

Was wissen wir denn wirklich über andere Menschen? "Erkenne dich selbst" heisst es doch im Orakel von Delphi und "A room full of mirrors"
bei J. Hendrix :afro:

LG Andrea

Benutzeravatar
MonacoFranke
Beiträge: 916
Registriert: Dienstag 21. Oktober 2014, 20:07

Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von MonacoFranke » Sonntag 22. April 2018, 17:10

Pfaelzers KSM hat geschrieben:Ohne die Neigung, immer zu wissen,was ich spiele, wäre ich nie an den Punkt gekommen, frei spielen zu können... Paradox, nicht wahr?
Ich denke, dass wirklich gute Musiker

1.) nie mit dem Erreichten zufrieden,

2.) immer von Selbstzweifeln geplagt sind und

3.) ständig nach Verbesserung streben.

Das kann Mitmusiker bisweilen zum Wahnsinn treiben, aber ich halte das für legitim.

Schließlich geht es nicht um Leben und Tod, sondern es ist viel ernster (frei nach Bill Shankly)!

Beste Grüße
Frank
Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.

Duke

Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von Duke » Sonntag 22. April 2018, 17:26

Ingolf hat geschrieben:...
Demgegenüber ist die hier geschilderte Zawinul'sche Haltung für mich arrogant und narzisstisch. Um nicht zu sagen: dumm.
War auch mein erster Gedanke + sadistisch, wenn man bedenkt, dass er einen unsicheren Künstler vor sich hatte.

Hier geht es ja nicht darum, ob jemand ausreichend viele Töne, in Time und um komplexen musikalischen Zusammenhang konstruiert und dann runter gespielt hat.
Henderson ging es wohl darum, ob sein Werk - was ein gutes Solo in jedem Fall sein sollte - dem Meister gefallen hat.
In dem Zusammenhang ist die Antwort echt ka... :roll:

Abgesehen glaube ich ja daran, dass man intensive musikalische Momente nicht immer planen kann. Manchen Dinge passieren einfach. Oft in einem Grenzbereich (rhythmisch und tonal) und sind dann nur bedingt reproduzierbar.

Benutzeravatar
Diet
Beiträge: 7369
Registriert: Dienstag 21. Oktober 2014, 21:32
Kontaktdaten:

Re: Eine kleine Anekdote zum Solospiel

Beitrag von Diet » Sonntag 22. April 2018, 18:59

Moin,

Zawinul ist Wiener.
Wiener Schmäh fällt mir zu seiner Antwort ein.
Das ist total typisch, Wiener Schmäh in Reinkultur und das meine ich tatsächlich ernst.
Wirklich :undwech:
Zynisch, auf eine herablassenden Weise leicht aggressiv.
Ich komme damit z.B. überhaupt nicht zurecht. Mein Fell ist zu dünn dafür.
Ein Besuch Wiens hat mir da gereicht.

Gruß Diet

Antworten