Vom Blues zum Jazzblues

Der tut nix! Der will nur üben!
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Pfaelzers KSM

Vom Blues zum Jazzblues

Beitrag von Pfaelzers KSM » Samstag 5. Mai 2018, 17:55

Guten Tag, liebe Freunde des freundlichen 12-Takters,

Ziel dieses KSMs ist es, Jazzblues spielen zu lernen, und das ohne Notenkenntnisse und große Harmonielehreausflüge...
Voraussetzung wäre es, schon mal ein 12taktiges Bluesschema gesehen und möglichst auch gespielt zu haben.

1. How to get a cool jazzy bluessound:

Bevor wir überhaupt über Akkorde reden, sollten wir zunächst mal über den Sound reden, so dass sich das Ganze nach Jazzblues anhört, denn sonst macht das alles keinen Spaß.
Nein, ihr müsst keine F-Loch-Gitarren kaufen und auch keine geschliffenen 12er Saiten aufziehen...ihr müsst bloß ein wenig anders spielen...

:evil: Uffgebasst: Der dicke arrogante Jazzer erzählt jetzt, wie man Sound nur mit der Spieltechnik, d.h. mit den Fingern macht :evil:

Zunächst mal:
Wenn wir so Blues spielen: http://www.stratcat.de/Blues-WS/Blues-WS-Standard.mp3

hört sich das nicht so jazzy an.....


a. "Jazzy" Voicings:

Deshalb müssen wir für unsere Akkorde andere VOICINGS nehmen (d.h. wir tun sie anders greifen tun, dann tun sie anders klingen tun):

Für 7er-Akkord (auch Dominant-Sept-Akkorde oder kurz dom7 genannt), aus denen ein Blues üblicherweise besteht, sind folgende beiden Voicings für den Anfang sehr sinnvoll:

Bei Grundton auf der E-Saite:
Bild


Grundton auf der A-Saite:
Bild

Zur freundlichen Beachtung: Es werden nur die gegriffenen Saiten angeschlagen, den Rest bitte dämpfen.
Zur noch freundlicheren Beachtung: Die Zahlen bezeichnen die musikalischen Funktionen der Noten, d.h. welche Finger ihr zum Greifen benutzt, ist eurem persönlichen Gusto überlassen.
Zur freundlichsten Beachtung: Die 1 markiert den Grundton. Will ich also einen C7 mit Grundton auf der E-Saite greifen, benutze ich das erste Voicing im 8. Bund, alldieweil im 8. Bund der E-Saite das C ist...Will ich einen C7 mit Grundton auf der A-Saite greifen, benutze ich Voicing 2 im 3. Bund, alldieweil C auf der A-Saite im 3. Bund ist...

So, jetzt haben wir ein wenig Transferleistung unserem Hirn abverlangt, nämlich die Griffbilder zu erlernen und in die richtige Tonart zu transferieren. Bevor das nicht erreicht ist, bitte erst mal üben (das ist ein Workshop, da darf man Jehova sagen).


b. "Jazzy" Rhythm:

Um dass wir noch ein wenig mehr jazzy klingen, wäre es auch schön, wenn die ganze Sache was mit Swing zu tun hätte...
Haben wir also obige Voicings gelernt, versuchen wir es mal mit folgenden 2 Rhythmuspatterns:

a.) Saa-dab: http://www.stratcat.de/Blues-WS/Blues-WS-saa-dab.mp3

b.) Sab-Daa: http://www.stratcat.de/Blues-WS/Blues-WS-sab-daa.mp3

Zur freundlichen Beachtung: Saa-dab und Dab-Saa ist die lautmalerische Umschreibung der Patterns. Es ist imho wesentlich hilfreicher, diese Lautmalerei singen und spielen zu lernen als wenn ich jetzt haargenau auseinanderklabüstere, auf welche Zählzeit welcher Akzent liegt...(wer's genauer wissen will: das sind ternäre Achtel).
Zur freundlicheren Beachtung: Man nennt diesen Rhythmus "Charleston". Warum, weiß ich nicht. Man kann keinen Charleston darauf tanzen…
Zur noch freundlicheren Beachtung: Wenn man das Plättchen (ugs: Plectrum) zur Seite legt und die Finger zum Anschlagen nimmt, klingt es mehr nach Jazz.
Und zur freundlichsten Beachtung: Wenn man nach dem kurzen Akzent (also dab bzw. sab) die Finger der Anschlaghand wieder zum Dämpfen rhythmisch auf die angeschlagenen Saiten legt, swingt es noch mehr...

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das klassische bigband-artiges Begleitpattern zu benutzen. Hierzu spielen wir swingende Viertel:

Das klingt dann so: http://www.stratcat.de/Blues-WS/Blues-WS-viertel.mp3

Und noch eine freundliche Anmerkung: Wenn wir das Daumenfleisch nehmen, nicht so fest und mit offenen Ohren anschlagen, obige Voicings nehmen und dabei auch noch gut die nicht zu spielenden Saiten dämpfen, dann klingt das schon sehr jazzy...und alle bisherigen (und folgenden) Soundfiles sind mit einer Strat über eine Twin-Sim mit exakt den gleichen Einstellungen aufgenommen...so viel zum Sound aus dem Fingern

2. Harmonisch vom Blues zum Jazz-Blues:

a.) Standardblues:

Ein 12taktiger Standardblues sieht normalerweise so aus:

I / IV / I / I / IV / IV / I / I / V / IV / I / V

(es ist hoffentlich klar, dass die römischen Zahlen Akkordstufen anzeigen)

Also in A: A = I, D = IV, E = V

-> Ins Schema eingesetzt: A7/D7/A7/A7/D7/D7/A7/A7/E7/D7/A7/E7

Soweit sollte das bekannt sein...


b.) Huch, die 2-5-1:

Dem geneigten Jazzer sind im Originalbluesschema zu wenig Wechsel, es könnte mehr Bewegung passieren. Um eine solche Bewegung zu erzeugen, benutzt der geneigte Jazzer gerne das, was man als II-V-I-Verbindung bezeichnet....
Anmerkung: Wer jetzt genau wissen will, woher eine II-V-I harmonisch kommt, kann dies in den unzähligen Harmonielehren auf dem Markt tun. Ich weiß auch, dass die folgenden Erläuterungen nicht 100%ig kompatibel mit der üblichen Herangehensweise an II-V-Ier ist, aber es sind statische dom7-Akkorde und damit darf man das.

Bei einem "normalen" Blues (= dom7-Blues) brauchen wir für die II. Stufe einen Moll-7-Akkord 2 Halbtöne (= Bünde) höher als der Grundton (also bei einem Blues in C einen d-moll7, bei einem Blues in G einen a-moll7 etc.).
Eine II-V-I in C ist also: dm7 (als II), G7 (als V) und C7 (als I);
in A ist die II-V-I also b-moll7 (als II) - E7 (als V) - A7 (als I)...

:!: (Bitte beachten: Ich verwende das englische b = h. ein b-moll7 entspricht also dem deutschen h-moll7.) :!:

Hier nun zwei Voicings für den Moll-7-Akkord:

Mit dem Grundton auf der E-Saite:

Bild

Mit dem Grundton auf der A-Saite:

Bild

(es sollte inzwischen klar sein, wie das mit dem Grundton funktioniert: Will ich das erste Voicing für einen bm7 spielen, suche ich mir das b als Grundton (= 1 im Griffbild) auf der E-Saite (dort ist es im 7.Bund…), beim zweiten auf der A-Saite.

Nun verändern wir mal Takt 9 und 10 des Bluesschemas durch das Einfügen einer II-V-I:

.../ II / V / I / V

Das wäre also in A: bm7-E7-A7-E7

Das klingt dann so: http://www.stratcat.de/Blues-WS/Blues-WS-turn1.mp3

Gar nicht mal so unjazzy, oder?



c.) Dreh dich um!

Um diese Veränderung von Takt 9 und 10 schöner einzuleiten, können wir die II. Stufe im 9. Takt etwas stärker provozieren bzw. "anlocken". Dazu benutzen wir Takt 8, indem wir dort die V. Stufe der zweiten Stufe spielen...

Häääää?

Machen wir es uns einfacher: Wir spielen dort die VI. Stufe unserer Grundtonart (als dom7-Akkord. Das ist zwar harmonisch nicht ganz hasenrein, klingt aber gut). Diese finden wir 3 Halbtöne (= Bünde) unterhalb des Grundtons. In C ist also A die VI. Stufe, in E wäre C# die sechste Stufe usw.

Wir hätten also folgende Akkordfolge ab Takt 7:

..../ I / VI / II / V / I / V

In A also: A7 / F#7 / bm7 / E7 / A7 /E7

Das hört sich so an: http://www.stratcat.de/Blues-WS/Blues-WS-turn2.mp3


Diese Akkordfolge (I - VI - II- V - I) nennt man Turnaround. Dieses Ding begegnet einem unwahrscheinlich oft....

-> Und weil der Turnaround so schön ist, können wir ihn nochmal einsetzen: Nämlich in Takt 11 und 12....

(Aber, sagt der gestresste Lernwillige, das sind doch nur 2 Takte für 4 Akkorde??? Ja, sagt der relaxte dicke p, dann wechseln wir halt halbtaktig).


Unser Blues-Schema sieht also ab Takt 7 jetzt so aus:
..../ I / VI / II / V / I - VI / II - V

Also in A:

...A7 / F#7 / bm7 / E7 / A7 - F#7 / bm7 - E7

Und das klingt dann so: http://www.stratcat.de/Blues-WS/Blues-WS-turn3.mp3


3. Der fertige Jazzblues:


Dies ist also das 12taktige Schema eines dom7-Jazzblues (bitte lernen und nie wieder vergessen):

I / IV / I / I / IV / IV / I / VI / II / V / I - VI / II - V


Also in A: A7 / D7 / A7 / A7 / D7 / D7 / A7 / F#7 / bm7 / E7 / A7 - F#7 / bm7 - E7

Und das klingt dann so: http://www.stratcat.de/Blues-WS/Blues-WS-fertisch.mp3


So, und jetzt setzt euch die Hornbrillen auf und zieht die Rollkragenpullis an und dann losgejazzt….
Zuletzt geändert von Pfaelzers KSM am Samstag 5. Mai 2018, 21:09, insgesamt 1-mal geändert.

SilviaGold

Re: Vom Blues zum Jazzblues

Beitrag von SilviaGold » Samstag 5. Mai 2018, 19:57

Pfaelzers KSM hat geschrieben:
...


Wir hätten also folgende Akkordfolge ab Takt 7:

..../ I / VI / II / V / I / V

In A also: A7 / F#7 / bm7 / E7 / bm7 /E7

….

Erstmal lieben Dank für alles :thumbsup03: ..es regt immer mal wieder an mich damit zu beschäftigen.
Habe grade bis hier gelesen und denke mal da für das rote bm7 muss ein A7 hin?? Du hast dich bestimmt verschrieben.

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Butterkräm
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Re: Vom Blues zum Jazzblues

Beitrag von Butterkräm » Samstag 5. Mai 2018, 20:37

Das gab es von Dir doch schon mal? War das noch im alten Forum?
Egal, da eben sehr interessant! Das habe ich jahrelang und auch heute gerne noch als tägliche Improvisationsübung benutzt. Am besten in Ab, Db oder Eb, damit auch die eher nicht so geläufigen Akkorte mal geübt werden. Und das dann von der erste Lage bis zur zwölften, so habe ich mir eingebildet, lernt man das Griffbrett gut kennen. Das das bei mir so funktioniert hat, möchte ich aber nicht behaupten, das können andere besser. ;-)
Interessant finde ich Folgendes: Bitte einmal die Noten aller vorkommenden Akkorde in der aufsteigenden Reihenfolge aufschreiben! Was fällt auf? ;-)
Grüße,
Hannes

SilviaGold

Re: Vom Blues zum Jazzblues

Beitrag von SilviaGold » Samstag 5. Mai 2018, 20:51

Ja genau -mir kam das auch sofort bekannt vor jepp!
Alter Hut für uns was Hannes :lol: ...ne bisher spiele ich Blues nicht in # oder b :mrgreen: ... soweit bin ich noch nicht
in meiner geistigen Orientierungsstufe ...aber meine Gitarre ist immer in Eb :D

Das muss in der GitarrenLounge gewesen sein. Umso besser wenn jetzt einiges nach und nach wieder hier auftaucht!

Kannst du das mit der Tonfolge nicht mal für uns tun Hannes?... :lol: kommt die Obertonreihe raus?

Pfaelzers KSM

Re: Vom Blues zum Jazzblues

Beitrag von Pfaelzers KSM » Samstag 5. Mai 2018, 21:13

SilviaGold hat geschrieben:
Pfaelzers KSM hat geschrieben:
...


Wir hätten also folgende Akkordfolge ab Takt 7:

..../ I / VI / II / V / I / V

In A also: A7 / F#7 / bm7 / E7 / bm7 /E7

….

Erstmal lieben Dank für alles :thumbsup03: ..es regt immer mal wieder an mich damit zu beschäftigen.
Habe grade bis hier gelesen und denke mal da für das rote bm7 muss ein A7 hin?? Du hast dich bestimmt verschrieben.
Danke! Hab mich da tatsächlich verschrieben bzw. ist bestimmt ein copy/paste-Fehler.

Und ja, hatte ich schon mal veröffentlicht (anno dunnemals im Orangenen....). Habe es heute ein wenig für einen meiner Schüler überarbeitet und dabei gedacht, ich könnte es ja hier wieder veröffentlichen. Freut mich wenn es euch gefällt.

Duke

Re: Vom Blues zum Jazzblues

Beitrag von Duke » Sonntag 6. Mai 2018, 11:28

HI Jörg,

wie immer sehr interessant. 8-)
Die Changes bei z. B. "Need your love so bad", sind ja abgekocht nix anderes als ein Turnaround. :kopf_kratz01:

Für einen Backingtrag ist das ist einem Durchgang aber etwas kurz. ;-)

So 4 - 6 Durchgänge am Stück hätten was...

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