M. L. Schwan hat geschrieben:Hi,
ich überlege mir evtl. nebenbei in eine Bigband einzusteigen.
War von Euch schon jemand in dieser Richtung tätig und kann von seinen Erfahrungen berichten?
Ja, hallo, ich kann berichten.
Ich bin seit ein paar Monaten Gitarrist in einer Jazzband, die mal eine Bigband werden möchte.
Kann voll bestätigen, was der Herr Pfälzer so schön beschrieben hat.
Von vorne:
Lange habe ich in Bands herumgeturnt. Letztendlich wurden immer die üblichen Verdächtigen Titel gespielt, was mich dann aufgrund des meist geringen Entwicklungspotentials auf die Dauer reichlich abgetörnt hat.
Vor einem Jahr dann ins Basslager gewechselt und in einer gemischten Band zusammen mit auch klassischen Instrumenten Neues entdeckt.
Jazzgitarre wollte ich schon immer mal, habe bei Ausschreibungen von Bigbands angefragt, bin aber mehrfach als 'Rocker' abgewiesen worden.
Vor ein paar Monaten hat es geklappt. Ein namhafter Bandleader hat mir die Möglichkeit in einem seiner Schülerprojekte (55+
) gegeben.
Ich bin Notenunkundig aber nicht ganz befreit von Harmonielehrewissen. Vor 10 Jahren hatte ich schon einmal Unterricht bei einem Jazzer. Davon ist noch so Einiges hängengeblieben. Also ran an den Speck ...
Das erste Arrangement war erschlagend. Mit versteinerter Mine saß ich davor ohne zu spielen. So ein Schais. Ich geb' auf.
Nein, habe ich nicht, denn ich verliere nicht gerne. Nächste Probe harnäckig nachgefragt. Diese Klavierarrangements sind ja nicht immer Gitarrenkompatibel. Da hat mir der Leader dann die passenden spielbaren Akkorde aufgezeigt und es ging ein wenig.
Mit der Zeit dann immer besser. Mittlerweile spielen wir so 8 Jazzstücke und ich kann so halbwegs bis ganz gut mithalten mit den schnellen Akkordwechseln. Mehralsdreiklänge (ohne die läuft garnix) funktionieren auch ganz gut. Habe unglaublich schnell dazugelernt.
Improvisatorisches Solieren mit den ständigen Tonartwechseln funktioniert auch ganz gut. Das Ohr entwickelt sich. Oft muß ich noch eine Runde dranhängen, weil immer nur Gebläsesolis sind schon ermüdend. Da ist so eine Gitarre schon deutlich vielseitiger ...
Natürlich frage ich mich, wie lange die es noch mit mir aushalten. Wo ich nicht vom Blatt spiele, dauert halt alles länger. Auch den richtigen Groove zu finden ist nicht so einfach. Bislang darf ich noch bleiben, was für mich eine immense Vorbereitung in der Freizeit bedeutet.
Es ist aber schön eine deutliche Weiterentwicklung einzufahren.
Natürlich werde ich von den Bläsern als Rhythmusfuzzie auch belächelt. Wobei ich Gitarrespielen mit all den zugehörigen Facetten durchaus als anspruchsvoller sehe, als immer nur auf einer Tonleiter herumzublasen. Meine Stunde wird aber kommen ...
Achja, mittlerweile habe ich mitbekommen, dass Jazzgitarristen für Bigbands wohl nur sehr schwer zu bekommen sind. Zumindest im Hobbybereich. Ich bin für die aktuelle Möglichkeit dankbar. Bis zu meinem Rausschmiß (vielleicht irgendwann).
Wer es sich zutraut, sollte das ruhig mal machen. Raus aus der langweiligen Top40-Routine ...