der nette Herr Pfälzer hat geschrieben:Warum man über einen "Dur"-Blues eine Moll-Penta spielen kann.
1. Blaue Statik:
Viele Gitarristen bezeichnen einen konventionellen Blues als "Dur-Blues". Das ist natürlich falsch, da wir es nicht mit Dur-Akkorden (die als erste Erweiterung eine große Septim, ugs. maj7 haben), sondern mit Dominant-Sept-Akkorden (kurz dom7 oder ugs: "Siebener").
So, und jetzt kommt der casus knactus: Im Gegensatz zur klassischen Harmonielehre, in der dom7-Akkorde immer eine bestimmte harmonische Funktion (nämlich als V. Stufe zur Hinleitung zur Tonika, d.h. erste Stufe) haben, sind sie im Blues funktionsfrei und somit außerhalb jeglicher modalen Harmonik.. Anders gesagt: Es gibt funktionale dom7-Akkorde (wie z.B. in einer I-IV-V-I oder II-V-I-Verbindung) und statische dom7-Akkorde (wie z.B. im Blues).
2. Siebte Statik:
Verweilen wir doch noch einen Moment bei statischen dom7-Akkorden: Diese haben also keine Zielfunktion und sollen auch nichts einleiten oder harmonisch provozieren, sondern stehen einfach da, weil sie ein wenig Spannung verbreiten (die kommt btw. daher, dass zwischen Terz und Septim eines dom7.-Akkordes ein Tritonus liegt, aber das interessiert nur peripher, solange wir einen dom7 am typischen Klang erkennen).
Da statische dom7-Akkorde außerhalb der klassischen Harmonisierung einer Tonleiter stehen, können wir sie beliebig verändern, ohne auf modale Regeln Rücksicht zu nehmen. Wir können z.B. die Terz weglassen und durch die gr. 2 (sus2-Akkord) oder 4 (sus4-Akkord) ersetzen (wie z.B. bei "Pinball wizard"), oder wir können die kl. Terz als #9 obendrauf packen ("Hendrix-Akkord"), um die Spannung noch etwas zu erhöhen.
All das können wir aber nur tun, wenn es ein statischer dom7-Akkord ist; und das sind die Akkorde im Blues.
3. Was hat das mit der Moll-Penta zu tun:
Die Moll-Terz (noch mehr ihre leicht angezogene Verwandte, die Blues-Terz) hat in einer Moll-Penta die Funktion, Spannung zu erzeugen. Spielen wir sie über einen dom7-Akkord, erhalten wir den typischen dom7#9 (nochmal: Hendrix-Akkord) Sound; und das wollen wir. Und das ist harmonisch okay, da wir uns ja nicht im modalen Kontext befinden.
Ursprünglich wurde über einen statischen dom7-Akkord zur Improvisation nur sein Arpeggio (1-#3-5-7) benutzt, die Mollterz wurde als ein zusätzlicher Ton beim Solieren über einen statischen dom7-Akkord angesehen, ähnlich wie die b5 auch als Blue Note klassifiziert. Sie war also eigentlich nur als zusätzliches Farbmuster gedacht, etablierte sich aber (wahrscheinlich, weil sie in der Root-Position einfacher zu greifen ist als die große Terz) recht schnell bei Gitarristen als die "eigentliche Terz" (man beachte in diesem Zusammenhang z.B. Bluespianisten, die noch viele Jahre an der großen Terz als eigentliche Terz festhielten). Durch die Verbreitung der Gitarre als führendes Bluesinstrument (z.B. durch Robert Johnson, aber auch durch Charlie Christian, der die Blues-Penta als erster im Jazz etablierte), änderte sich die Hörgewohnheit dergestalt, dass man die Mollterz über einen dom7 sofort als "bluesig" erkannte. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das durch "Erzblues" wie Albert King oder Muddy Waters zementiert, während "Fröhlich-Blueser" wie BB King bei der Dur-Terz als Hauptelement blieben, diese aber durch Verwendung der Mollterz weiter würzten. Und da ist auch schon die Lösung in Sicht:
4. Einfache Lösung für die Terzverwirrung:
Der Trick besteht darin, über einen Dominantblues den jeweiligen Arpeggio (also bei einem C-Blues über C7 den C7-Arp = c-e-g-b, über F7 den F7-Arp etc.) des Akkordes mit der Mollpenta des Grundakkordes (also bei einem C-Blues die C-Mollpenta über ALLE Akkorde) zu mischen. Eine weitere Lösung besteht darin, die Moll-Penta 3 Habtöne unter der Root (sogenannte "Dur-Penta", was aber Blödsinn ist) zu benutzen und zusätzlich in sie die Mollterz einzupflegen, was dann so aussieht (und btw. ziemlich nach Larry Carlton und Robben Ford klingt):
VORSICHT: Das sieht zwar vom Greifen her aus wie eine Blues-Penta, hat aber ganz andere Funktionen als diese, die bitte das Ohr beachten sollte...
5. Kurzfassung:
Warum also die Mollpenta über einen dom7-Blues?
Weil es so klingt, wie wir es gewohnt sind. Und weil uns im Blues modale Harmonielehre mal am Tüffel tuten kann, außer wir wollen sie benutzen...aber dann könnte es schon die böse Musik mit "J" sein.....