Allgemeine Gedanken zu Musiktheorie & musikalischer Praxis

Die dunkle Seite der Macht
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setneck
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Re: Allgemeine Gedanken zu Musiktheorie & musikalischer Prax

Beitrag von setneck » Mittwoch 6. Februar 2019, 20:42

Ist es nötig, dass hier versöhnt wird - hab ich was verpasst? :|
Ich hab das ja wohl losgetreten, weil ich Unverständnis für Batz' Unterrichtsmethodik geäußert habe (die er danach etwas ausführlicher erläuterte - da machte es für mich wieder Sinn, wenngleich ich trotzdem anders fahre...).
Klar, jeder soll mit Musiktheorie und Praxis so umgehen, wie es ihm beliebt. Ich habe recht spät mit der Gitarre angefangen (so kurz vor'm Abi), mein Lehrer war ein Klassenkamerad, der mir u.a. die Grundlagen der Harmonielehre beibrachte - und plötzlich verstand ich das Zeugs, das im Musikunterricht ausschließlich vom Lehrer und drei geigenden Mädels behandelt wurde. Für den Rest (incl. meiner einer) war das ähnlich Abstrakt wie Quantenphysik. Tja, da fiel der Groschen zwar spät, aber ich wollte ja nur Lieder spielen, die mir gefielen - und das ging recht schnell (gut, an der Motorik war noch zu arbeiten), Kadenz plus drei Mollparallele, kannste fast alles mit spielen (bei vielen Stücken ist deutlich weniger nötig), Dur-Tonleiter, Molltonleiter, fertig. Dann Bluesschema, Pentatonik, fertig ist die Laube. Ab und an mal "krumme" Griffe (Born to be wild), oder leicht fremde, unerwartete (Smoke on the water... :mrgreen: ), was braucht man mehr?
So hab ich dann auch meinen Unterricht aufgebaut (ich war nach zwei Wochen Unterricht plötzlich auch Gitarrenlehrer und meiner Schülerin eben zwei Wochen voraus - es wurde später mehr, die "Differenz" und die Schüler, und was soll ich sagen: diejenigen, die mit meinem Unterricht am besten zurecht kamen, haben's am weitesten gebracht (eine schöne Mischung aus Stolz und Neid, wenn Dein Schüler eher in einer Band rockt als Du, mit der Gitarre, die Du Dir nicht leisten konntest...).
So kam es dazu, dass ich Musiktheorie nur in Maßen genieße, einen gewissen Grundstock aber gerne voraussetze. Ich halte keiner Diskussion über Stufenakkorde oder Kirchentonleitern stand - aber Tonart bestimmen oder transponieren sind Basics.
Improvisieren ist auch nicht meine Stärke (bin ja seit Jahren überzeugter Covermucker), beim Spielen läuft von der Theorie nur sehr wenig durch meine Hirnwindungen (vielleicht dran vorbei?).
in diesem Sinne: :prost: :banana03:
Schöne Jrööss,
Thomas

Duke

Re: Allgemeine Gedanken zu Musiktheorie & musikalischer Prax

Beitrag von Duke » Mittwoch 6. Februar 2019, 21:05

M. L. Schwan hat geschrieben:...
Das Beispiel mit der Tritonussubstitution bei Smoke on the water halte ich persönlich auch für sehr weit hergeholt und ich finde man braucht nicht versuchen alles mit Gewalt in ein Schema zu pressen.

Fest steht auch, dass man mit gutem Musiktheoriewissen sich beim Songwriting leichter tut (und wenn man nach Schema F vorgeht auch nicht mal dabei kreativ sein braucht...
Würde ich vollumfänglich unterschreiben.

Musiktheorie finde ich wichtig und extrem hilfreich.
Beim Beispiel SOTW oder einigen Grunge-Nummern finde ich das krampfhafte herleiten wollen einfach unpassend - weil es um Ausnahmen bzw. Erweiterungen der Wissenschaftlichen Regeln geht.

Muss übrigens jede Wissenschaft aushalten (und aushalten können), dass es in Statistiken Ausreißer gibt, die sich mit den ansonsten ermittelten Zusammenhängen und Gesetzmäßigkeiten nicht vereinbaren lassen, aber trotzdem vorhanden sind.
Zuletzt geändert von Duke am Mittwoch 6. Februar 2019, 22:14, insgesamt 1-mal geändert.

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Batz Benzer
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Re: Allgemeine Gedanken zu Musiktheorie & musikalischer Prax

Beitrag von Batz Benzer » Mittwoch 6. Februar 2019, 21:32

setneck hat geschrieben:Ist es nötig, dass hier versöhnt wird - hab ich was verpasst? :|
Ich hab das ja wohl losgetreten, weil ich Unverständnis für Batz' Unterrichtsmethodik geäußert habe (die er danach etwas ausführlicher erläuterte - da machte es für mich wieder Sinn, wenngleich ich trotzdem anders fahre...).
Nö, Du warst für mich nicht der Anlass; Du bist ja auch kein Kämpfer gegen die Theorie. ;)

Lieben Gruß,

Batz.
"Lennon was the soul of the Beatles, Harrison was the spirit, Paul was the heart, and Ringo was the drummer."

- George Martin

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tommy
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Re: Allgemeine Gedanken zu Musiktheorie & musikalischer Prax

Beitrag von tommy » Mittwoch 6. Februar 2019, 21:44

Mal ein anderer Ansatz:

Ich weiß jetzt, dass man mit Tritonussubstitution prima Grunge und Progrock Songs komponieren kann. Aber woher weiß ich, ob meine erkenntnisreiche Komposition auch gut klingt? Hier hilft m.E. nur wieder mein Bauchgefühl.

Ich habe auch Abi von Reininghaus gelesen. "Kein Lehr- sondern ein Verstehbuch".
Trotzdem gelingt es mir häufig nicht, einen kausalen Zusammenhang zwischen musiktheoretischen Erkenntnissen und einem mir gut gefallendem musikalischem Ergebnis zu erkennen.
Defacto komponiere ich aus dem Bauch heraus bis das Ergebnis gefällt. Anschließend ist es bei mir tatsächlich so, dass ich manchmal verstehen möchte, was ich da fabriziert habe. Aber eigentlich mehr zur eigenen Bespaßung, weniger mit effektivem Nutzen.
Ich glaube, unterschiedliche Menschen brauchen unterschiedliche Ansätze, um zum Ziel zu kommen. Hat wohl was mit linker und rechter Gehirnhälfte zu tun. :)
LG, Tommy


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Re: Allgemeine Gedanken zu Musiktheorie & musikalischer Prax

Beitrag von M. L. Schwan » Mittwoch 6. Februar 2019, 22:31

tommy hat geschrieben: Ich habe auch Abi von Reininghaus gelesen. "Kein Lehr- sondern ein Verstehbuch".
Trotzdem gelingt es mir häufig nicht, einen kausalen Zusammenhang zwischen musiktheoretischen Erkenntnissen und einem mir gut gefallendem musikalischem Ergebnis zu erkennen.
Bei den Sachen die ich von A.v.R. gelesen habe wundert mich das wenig :boing02:

Nein, ich kann seinen Schreibstil nicht ab, ich geb's ja zu. :tuete01:
Sorry für offtopic
Viele Grüße
- Der Schwan -

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Ingolf
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Re: Allgemeine Gedanken zu Musiktheorie & musikalischer Prax

Beitrag von Ingolf » Mittwoch 6. Februar 2019, 22:54

Batz Benzer hat geschrieben:Findest Du? - Am Ende sollte mich meine musikalische Inspiration führen; da kann Wissen bisweilen in die verführerisch leichte Ecke (Schema F) leiten, finde ich.
Andererseits weiß ich dafür schneller, wo ich zu suchen habe; da haste völlig Recht! :prost:
Genau dieses Spannungsfeld ist: SPANNEND! :banana01:

Ich nehme mal zwei meiner absoluten Lieblingssongwriter, vielleicht kennt ihr die auch. Beide gehören für mich essentiell zu meiner musikalischen Sozialisation.

Der eine ist Elvis Costello. Begonnen hat er als nicht- notenlesender Autodidakt. als dieser hat er in seiner Frühzeit epochale Alben abgeliefert (This Year's Model, Armed Forces, Imperial Bedroom und viele mehr). Später hatte er den Wunsch, mit einem Klassik- Ensemble zusammenzuarbeiten (das Brodsky- Quartet) und hat das Notenlesen erlernt, also formalen musikalischen Fundamentalunterricht erhalten. Er sagt heute von sich, daß viele Songs von ihm nicht hätten geschrieben werden können, wenn er sich nicht diesbezüglich musikalisch weitergebildet hätte.

Der andere ist Andy Partridge, seines Zeichens Hauptsongwriter von XTC und wahrscheinlich der beste/kreativste/erfindungsreichste Songwriter seiner Generation (dieselbe Generation wie Costello übrigens). Er ist ebenfalls Autodidakt, aber formal nicht ausgebildet, und er steht für das ewige Kind auf der Suche nach dem noch nie dagewesenen Akkord/der absolut neuen Melodielinie/der bisher unbekannten Phrasierung. Seine Arbeit mit XTC war bahnbrechend (Alben wie Drums & Wires, Black Sea, English Settlement, Nonsuch usw.). Er sagt von sich, daß er Angst hat, durch formale musikalische Weiterbildung seinen intuitiven Zugang zur Musik zu verlieren und hat dies (obwohl ein hochintelligenter Mann) bis auf den heutigen Tag so beibehalten.

Hier gibt es sicherlich kein richtig oder falsch. Offensichtlich muß jeder Musik so betreiben, wie es sich richtig anfühlt, und wie man sieht, kann die Herangehensweise sich diametral unterscheiden.

Ich persönlich denke aber, daß, wenn einen die Muse mal eine Zeit lang gar nicht küssen mag, es unglaublich gut tut, sich näher mit dem zu beschäftigen, was andere musikalisch tun oder getan haben (das heißt schon, sich weiterzubilden), weil das aus meiner Sicht neue Räume eröffnet und das Denken/Kreieren/Schmoren im eigenen Saft beendet.

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