Ellie oder: Wie ein Instrument inspirieren kann
Ellie oder: Wie ein Instrument inspirieren kann
1. Die Geschichte (wer das langweilig findet, möge bei 3. weiterlesen...Onkel p erzählt vom Krieg):
Als ich noch jung war, Haare hatte und Säbelzahntiger die Welt bevölkerten, spielte ich in mehreren Top40-Formationen und einer Van-Halen-Coverband. Nach einem Gig mit einer der Söldnertruppen fuhr ich mit dem Saxofonisten nach Hause, dessen Cassettenspieler im Auto seltsame, aber ungemein faszinierende Töne von sich gab, nämlich diese hier:
Ich war vom Ton dieser Gitarre (und natürlich vom Gitarristen) vollkommen fasziniert...erkundigte mich, was das denn sei (eine Gibson L5) und nach ihrem Preis...und der war hoch, sehr hoch...ich wusste damals gar nicht, dass eine Gitarre so teuer sein kann...
Jahre später (und ein paar unbefriedigende billige L5-Kopien später) ging mir Top40-Musik so auf den Sack, dass ich beschloss, alternativ ein wenig Jazz und Fusion zu machen...und da begegnete mir wieder dieser Sound (die Musik beginnt bei 1:22):
Und so ging ich los...und damals (ohne Web und Thomann) war es schwierig, überhaupt eine L5 in Deutschland zu finden oder zu testen...und ich fuhr aus der Pfalz nach Leverkusen, um wenigstens eine L4 zu testen...und die klang nicht so wie ich wollte (weil ich noch nicht so spielen konnte, wie ich wollte und keinen Tone dafür hatte). Und die L4 kostete so viel wie 2 Strats und eine Paula zusammen...und der Preis der L5 lag noch höher.
Und wieder Jahre später (und einige hochpreisigere Jazzgitarren später, u.a. D'Angelico, Ibanez und Gibson ES137 und 175) ging mir Top40-Musik auf den Rücken und solierende Trompeter, die nichts können, aber 5 Chorusse brauchen, um das zu beweisen, so auf den Sack, dass ich mit einer äußerst bemerkenswerten Sängerin ein Duo gründete...und bei der Stücksuche lief mir wieder dieser Sound über den Weg:
Und wieder war es der Preis, dieser immens hohe Preis…und die L5 ist auch gebraucht nur unwesentlich günstiger.
Und dann…dann kam Ellie: Eine Inzahlungnahme eines befreundeten Händlers, Hals verzogen, verwatzt, mit Riefen am Headstock-Hals-Übergang aber wohlklingend. Für "nur" 4.500 Euro. Und ich hatte genau 10 Minuten Bedenkzeit, der nächste Interessent stand schon vor der Tür.
Und ich tat es. Mein Bankkonto wurde auf den "bitte kontaktieren Sie dringend ihren Berater"-Status gesetzt, und war es viel Arbeit, sie wieder schön zu machen, aber sie war die meine.
2. Die Inspiration:
Diese Gitarre ist ehrfurchtsgebietend: Groß, barock, deutlich schwerer, als man denkt, sie zeigt, dass sie aus dichten, massiven Hölzern und schwerer Hardware besteht. Sie verübelt kleinste Verstimmungen, Vergreifer werden nicht toleriert, mangelnde dynamische Kontrolle wird durch Nichtklingen bestraft.
Aber wenn du durch ihre Schule gegangen bist und weißt, wie du sie behandeln musst, dann belohnt sie dich…mit diesem unglaublich dichten, obertonreichen Sound, mit einer Dynamik und Saitentrennung, die kein anderes Instrument bieten kann und mit dieser Fähigkeit, jedes andere Instrument mit einem Klangteppich zu tragen. Und dazu das Gefühl dieses herrlich massiven Halses, mit genau der richtigen Rundung, den minimal hervorstehenden Walnussstreifen zwischen den 3 Teilen Riegelahorn (Gibson konnte noch nie gut lackieren), und selbst gut riechen tut sie.
Als ich Ellie das erste Mal in die Probe mitnahm, sprach meine Sängerin: "Die Gitarre musst du unbedingt behalten. Die klingt wie ein ganzes Orchester". Und wann hat je ein Vocalist sich so positiv über eine Gitarre geäußert….
Und im Gegensatz zu allen anderen Jazzgitarren, die ich je besessen habe (und das mögen in der Summe 15 Stück gewesen sein), hört ihre Inspiration nicht irgendwann auf, wenn der Reiz des Neugekauften verflogen ist…nein, sie inspiriert mich jetzt seit 5 Jahren, und es ist eine Freude, Gigs mit ihr zu spielen, aufzunehmen, oder einfach nur ein wenig "Free-Floating" auf ihr herumzuspielen.
3. Was lernen wir daraus:
Wenn es eine Gitarre gibt, von der du träumst, die dir aber zu teuer ist, dann kauf sie trotzdem. Alle Surrogate wirst du wieder verkaufen, und im Endeffekt gibst du für Ersatzbefriedigungen mehr aus, als wenn du einmal heftig zuschlägst (für das Geld, das ich durch Kauf und Wiederverkauf der oben genannten Jazzgitarren ausgegeben habe, hätte ich zwei L5 kaufen können…). Die Gitarre mag nur 10% (so man das in Zahlen fassen kann) besser sein, aber die Inspiration, die sie dir gibt, kann dir keine andere Gitarre geben.
Ich besaß z.B. 3 verschiedene Electromatics…das sind gute Gitarren…aber dann habe ich einmal den Geldbeutel weit aufgemacht, eine White Falcon (PE) gekauft und seit dem ist Ruhe…und die Falcon gibt mir das, was die Electromatic nicht geben kann…die 5% mehr, die eine Welt mehr sind.
Über all die Jahre hat nur der Preis verhindert, dass ich eine L5 erstanden habe…und wenn ich bedenke, wie viel Frust (und monetären Verlust) ich durch den Kauf von mindestens einem Surrogat pro Jahr im Endeffekt eingesackt habe und wie viel Freude mir dadurch entgangen ist, muss ich konstatieren, dass es in der Hinsicht für den Musiker etwas wertvolleres geben sollte als Geld: Die Inspiration eines wirklich guten Instrumentes.
Und solange man schon beim Kauf darüber nachdenkt, wie der Wiederverkaufswert sein könnte, wie der Markt aussieht usw. dann hat man sie noch nicht gefunden…diese instrumentale Inspiration.
Möge sie mit uns allen sein.
Als ich noch jung war, Haare hatte und Säbelzahntiger die Welt bevölkerten, spielte ich in mehreren Top40-Formationen und einer Van-Halen-Coverband. Nach einem Gig mit einer der Söldnertruppen fuhr ich mit dem Saxofonisten nach Hause, dessen Cassettenspieler im Auto seltsame, aber ungemein faszinierende Töne von sich gab, nämlich diese hier:
Ich war vom Ton dieser Gitarre (und natürlich vom Gitarristen) vollkommen fasziniert...erkundigte mich, was das denn sei (eine Gibson L5) und nach ihrem Preis...und der war hoch, sehr hoch...ich wusste damals gar nicht, dass eine Gitarre so teuer sein kann...
Jahre später (und ein paar unbefriedigende billige L5-Kopien später) ging mir Top40-Musik so auf den Sack, dass ich beschloss, alternativ ein wenig Jazz und Fusion zu machen...und da begegnete mir wieder dieser Sound (die Musik beginnt bei 1:22):
Und so ging ich los...und damals (ohne Web und Thomann) war es schwierig, überhaupt eine L5 in Deutschland zu finden oder zu testen...und ich fuhr aus der Pfalz nach Leverkusen, um wenigstens eine L4 zu testen...und die klang nicht so wie ich wollte (weil ich noch nicht so spielen konnte, wie ich wollte und keinen Tone dafür hatte). Und die L4 kostete so viel wie 2 Strats und eine Paula zusammen...und der Preis der L5 lag noch höher.
Und wieder Jahre später (und einige hochpreisigere Jazzgitarren später, u.a. D'Angelico, Ibanez und Gibson ES137 und 175) ging mir Top40-Musik auf den Rücken und solierende Trompeter, die nichts können, aber 5 Chorusse brauchen, um das zu beweisen, so auf den Sack, dass ich mit einer äußerst bemerkenswerten Sängerin ein Duo gründete...und bei der Stücksuche lief mir wieder dieser Sound über den Weg:
Und wieder war es der Preis, dieser immens hohe Preis…und die L5 ist auch gebraucht nur unwesentlich günstiger.
Und dann…dann kam Ellie: Eine Inzahlungnahme eines befreundeten Händlers, Hals verzogen, verwatzt, mit Riefen am Headstock-Hals-Übergang aber wohlklingend. Für "nur" 4.500 Euro. Und ich hatte genau 10 Minuten Bedenkzeit, der nächste Interessent stand schon vor der Tür.
Und ich tat es. Mein Bankkonto wurde auf den "bitte kontaktieren Sie dringend ihren Berater"-Status gesetzt, und war es viel Arbeit, sie wieder schön zu machen, aber sie war die meine.
2. Die Inspiration:
Diese Gitarre ist ehrfurchtsgebietend: Groß, barock, deutlich schwerer, als man denkt, sie zeigt, dass sie aus dichten, massiven Hölzern und schwerer Hardware besteht. Sie verübelt kleinste Verstimmungen, Vergreifer werden nicht toleriert, mangelnde dynamische Kontrolle wird durch Nichtklingen bestraft.
Aber wenn du durch ihre Schule gegangen bist und weißt, wie du sie behandeln musst, dann belohnt sie dich…mit diesem unglaublich dichten, obertonreichen Sound, mit einer Dynamik und Saitentrennung, die kein anderes Instrument bieten kann und mit dieser Fähigkeit, jedes andere Instrument mit einem Klangteppich zu tragen. Und dazu das Gefühl dieses herrlich massiven Halses, mit genau der richtigen Rundung, den minimal hervorstehenden Walnussstreifen zwischen den 3 Teilen Riegelahorn (Gibson konnte noch nie gut lackieren), und selbst gut riechen tut sie.
Als ich Ellie das erste Mal in die Probe mitnahm, sprach meine Sängerin: "Die Gitarre musst du unbedingt behalten. Die klingt wie ein ganzes Orchester". Und wann hat je ein Vocalist sich so positiv über eine Gitarre geäußert….
Und im Gegensatz zu allen anderen Jazzgitarren, die ich je besessen habe (und das mögen in der Summe 15 Stück gewesen sein), hört ihre Inspiration nicht irgendwann auf, wenn der Reiz des Neugekauften verflogen ist…nein, sie inspiriert mich jetzt seit 5 Jahren, und es ist eine Freude, Gigs mit ihr zu spielen, aufzunehmen, oder einfach nur ein wenig "Free-Floating" auf ihr herumzuspielen.
3. Was lernen wir daraus:
Wenn es eine Gitarre gibt, von der du träumst, die dir aber zu teuer ist, dann kauf sie trotzdem. Alle Surrogate wirst du wieder verkaufen, und im Endeffekt gibst du für Ersatzbefriedigungen mehr aus, als wenn du einmal heftig zuschlägst (für das Geld, das ich durch Kauf und Wiederverkauf der oben genannten Jazzgitarren ausgegeben habe, hätte ich zwei L5 kaufen können…). Die Gitarre mag nur 10% (so man das in Zahlen fassen kann) besser sein, aber die Inspiration, die sie dir gibt, kann dir keine andere Gitarre geben.
Ich besaß z.B. 3 verschiedene Electromatics…das sind gute Gitarren…aber dann habe ich einmal den Geldbeutel weit aufgemacht, eine White Falcon (PE) gekauft und seit dem ist Ruhe…und die Falcon gibt mir das, was die Electromatic nicht geben kann…die 5% mehr, die eine Welt mehr sind.
Über all die Jahre hat nur der Preis verhindert, dass ich eine L5 erstanden habe…und wenn ich bedenke, wie viel Frust (und monetären Verlust) ich durch den Kauf von mindestens einem Surrogat pro Jahr im Endeffekt eingesackt habe und wie viel Freude mir dadurch entgangen ist, muss ich konstatieren, dass es in der Hinsicht für den Musiker etwas wertvolleres geben sollte als Geld: Die Inspiration eines wirklich guten Instrumentes.
Und solange man schon beim Kauf darüber nachdenkt, wie der Wiederverkaufswert sein könnte, wie der Markt aussieht usw. dann hat man sie noch nicht gefunden…diese instrumentale Inspiration.
Möge sie mit uns allen sein.
Zuletzt geändert von Pfaelzers KSM am Dienstag 14. August 2018, 13:55, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Ellie oder: Wie ein Instrument inspirieren kann
Wow, ich liebe Liebesgeschichten
Aber den Mut, eine Gitarre mit verzogenem Hals für den Preis zu kaufen, muß man erst mal aufbringen. Respekt!
Aber den Mut, eine Gitarre mit verzogenem Hals für den Preis zu kaufen, muß man erst mal aufbringen. Respekt!
Top ten reasons why I'm lazy
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Re: Ellie oder: Wie ein Instrument inspirieren kann
Es war zu sehen, dass sie reparabel war...wenn ein Rindvieh am Halsstab rumstellt (und die Gitarre an eine Außenmauer hängt) braucht man Geduld und ein wenig Glück, um das wieder zu korrigieren...und eine Neuabrichtung der Bünde...FretNoize hat geschrieben:Aber den Mut, eine Gitarre mit verzogenem Hals für den Preis zu kaufen, muß man erst mal aufbringen. Respekt!
Aber das tat und tut diesem bestimmten Sound keinen Abbruch.
Es geht mir weniger um die Liebesgeschichte (obwohl....vielleicht um die auch ), sondern um die Erkenntnis, besser einmal in den sauren monetären Apfel zu beissen, als doch nur Ersatzbefriedigungen zu erstehen, deren Halbwertszeit vergleichsweise kurz ist, weil sie eben nicht ganz das sind, was das Herz begehrt....
Re: Ellie oder: Wie ein Instrument inspirieren kann
tolle Geschichte, tolle Gitarre!
Aber, was mir spontan am meisten aufgefallen ist: Du (natürlich auch die Gitarre) siehst auf dem Foto top aus! Jung und rank und schlank und gesund, soweit man das beurteilen kann; vielleicht hat Ellie ja auch dazu einen Beitrag mit ihrer nicht enden wollenden Inspiration geleistet, ich freue mich für Dich!
Aber, was mir spontan am meisten aufgefallen ist: Du (natürlich auch die Gitarre) siehst auf dem Foto top aus! Jung und rank und schlank und gesund, soweit man das beurteilen kann; vielleicht hat Ellie ja auch dazu einen Beitrag mit ihrer nicht enden wollenden Inspiration geleistet, ich freue mich für Dich!
Viele Grüße,
Christian
Christian
Re: Ellie oder: Wie ein Instrument inspirieren kann
Moin,
hach... das ist schön
Hat Spaß gemacht, die Geschichte zu lesen
Gruß Diet
hach... das ist schön
Hat Spaß gemacht, die Geschichte zu lesen
Gruß Diet
Re: Ellie oder: Wie ein Instrument inspirieren kann
Die Lieblingsgibson als besonders schöne Abrundung deiner Karriere!
Ich denke du kannst nun entspannt und klangerfüllt deine weiteren DUO Auftritte servieren.
LG Andrea
Ich denke du kannst nun entspannt und klangerfüllt deine weiteren DUO Auftritte servieren.
LG Andrea
Re: Ellie oder: Wie ein Instrument inspirieren kann
Das macht der Hut, der die Fleischmütze und die 3 grauen Haare verdeckt...und natürlich die Schminkkunst der Visagistin, die mich rennoviert hat.Chrissi hat geschrieben:Jung
Das ist der Vorteil, wenn man dicke Jazzgitarren spielt: man kann den Bauch dahinter versteckenrank und schlank
Ja doch, etwas gesünder leben tu ich schon...gesund
Freut mich, dass es dir gefällt (keine Ironie)!
Re: Ellie oder: Wie ein Instrument inspirieren kann
Dem schließe ich mich anDiet hat geschrieben: hach... das ist schön
Hat Spaß gemacht, die Geschichte zu lesen
Gruß Peter
immer noch aktuell: >>> leben und leben lassen <<<
immer noch aktuell: >>> leben und leben lassen <<<
Re: Ellie oder: Wie ein Instrument inspirieren kann
Schön.
Ist Ellie denn von Ella Fitzgerald herrührend?
Ist Ellie denn von Ella Fitzgerald herrührend?
SKARAMANGA ist hier:
https://www.facebook.com/SkaHamburg
https://www.facebook.com/SkaHamburg
Re: Ellie oder: Wie ein Instrument inspirieren kann
Schön gesagt, sehe ich genauso.Pfaelzers KSM hat geschrieben: ...
Und solange man schon beim Kauf darüber nachdenkt, wie der Wiederverkaufswert sein könnte, wie der Markt aussieht usw. dann hat man sie noch nicht gefunden…diese instrumentale Inspiration.
...
Zu einem Instrument, das zu einem passt, gehört auch immer. eine "Verliebtheit".
Eine L5 ist natürlich für sich schon die Königin unter den Gitarren.
Wenn jetzt noch eine findet, bei der alles passt - toll, freut mich für dich.