Pfusch am Hals

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tommy
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Pfusch am Hals

Beitrag von tommy » Dienstag 4. August 2020, 20:36

Moin,

ich hab' so'n Hals :twisted: ...




....an meiner 95er American Standard Strat...einen Maple Neck, der seit Jahren Probleme bereitet. Immer mal wieder! Immer was Neues!

Heute möchte ich Euch an meinen vorläufigen Erkenntnissen teilhaben lassen. Vielleicht kann der Ein oder Andere da etwas gewinnbringend für sich herausholen.

Beginnen wir also am Anfang anno 1999:
In diesem Jahr kaufte ich die o.g. Strat im zarten Alter von ca. 4 Jahren (also...die Strat...nicht ICH!).
Da war mit dem Hals soweit alles noch in Ordnung, wenn man mal davon absah, dass die Seitenkanten der Bundstäbchen fett in Lack getaucht waren. Fender hat zu der Zeit die Maple Griffläche mit eingebauten Bünden lackiert und anschließend die Bundkronen freigeschliffen.

Meine erste Amtshandlung war, mit einer scharfen Klinge die Bundstäbchen vollständig vom Lack zu befreien, weil sich bereits Schmodder unter diesem abgesetzt hatte. Das sah nicht schön aus, leider auch nicht hinterher! Es hatte sich neben den Bundschlitzen schon eine Art Schmodderfraß breitgemacht. Egal, die Strat ließ sich gut spielen.
Leider aber nicht sehr lange! Innerhalb sehr kurzer Zeit verschlimmerten sich die ohnehin schon sichtbaren Bundkerben zusehends. Offensichtlich einem viel zu weichen Bundmaterial geschuldet!
Todesverachtend spielte ich die Gitarre trotzdem noch jahrelang weiter, bis wirklich nichts mehr ging und sie trotz sehr hoher Saitenlage in vielen Bereichen nur noch schnarrte.
Eine Neubundierung musste her....und damit fing das Elend erst richtig an!
An dieser Stelle möchte ich bemerken, dass ich die jüngst, zusammen mit einem fähigen, langgedienten Gitarrenbauer gewonnenen Erkenntnisse gleich in meine Verlaufsschilderung mit einfliessen lasse. Heute bin ich schlauer. Als es jeweils pressierte war eher Ratlosigkeit an der Tagesordnung!

Doch der Reihe nach:
Ich ließ den Hals also bei einem ziemlich bekannten Gitarrenbauer neu bundieren. Ebenfalls bat ich darum, den Hals sauber zu schleifen und neu zu lackieren.
Gesagt, getan...ich erhielt ihn augenscheinlich makellos zurück. Kein Schmodder mehr, saubere Abrichtung, blitzeblanke Bünde der härteren Art, kein Schnarren...alles tutti. Wirklich hübsch!
Ein paar Wochen später: Was ist das!? Sämtliche Bundenden standen plötzlich weit und scharfkantig aus dem Griffbrett heraus! Aber so richtig, mit Verletzungsgefahr!
Erste Erkenntnis: Das Holz ist heftig geschrumpft!
Ok, Feile und Schmirgel geschnappt und nachgearbeitet. Enden verrundet und poliert. Alles wieder gut...fast. Ich musste noch die Halskrümmung anpassen. Der Hals war viel zu gerade, mit Tendenz zu Rückwärtsgebogen. Also Trussrodmutter gelöst bis es wieder stimmte.

Komischerweise musste ich in gewissen Abständen den Vorgang wiederholen. Irgendwann war dann Ruhe. Allerdings war die Spannmutter da schon kurz vor lose (3/4 Umdrehung). Egal, die Gitarre funktionierte jetzt problemlos....bis eines Tages, vielleicht vor ca. einem Jahr, der Trussrod zu schnarren anfing. Das Problem trat immer nur sporadisch auf, wenn ich sie länger in der Hand hatte (Thema Handwärme). Anfangs reichte es aus, wenn ich von hinten gegen den Hals schlug. Dann war erst einmal wieder Ruhe.
Leider trat das Problem aber immer häufiger auf und wurde schließlich inakzeptabel. Anziehen des Halsstabes hätte zwar geholfen, war aber mit einer Fehlstellung der Halskrümmung einher gegangen...kam also nicht infrage.
Stand letzte Bandprobe: Die Gitarre war unspielbar, Mist!

Mit diesem Problem ging ich jetzt zu meinem Gitarrenbauer des Vertrauens (den ich damals schon die Bundierung hätte überlassen sollen, aber zu der Zeit leider aus den Augen verloren hatte).
Er teilte mir mit, dass das Problem mit der zu groß gefrästen Trussrodnut bei Fender kein Einzelfall sei. Dass die Trussrods trotzdem selten klappern sei dem Umstand geschuldet, dass eine relativ kräftige Verspannung der Stäbe das verhindere.
Also versetzte er auch meinen Trussrod in ausreichende, klapperfreie Krümmung und glich die nun auftretende Fehlkrümmung des Halses durch ein entsprechendes Abrichten der Bünde wieder aus.
Der Hals funktioniert nun bei toller, schnarrfreier Saitenlage wieder einwandfrei! Mal sehen, ob es nachhaltig so bleibt.

Was war nun das Dilemma, abgesehen von der nonchalanten Fertigungsqualität seitens Fender?
Der genannte damalige Gitarrenbauer hat den Hals lackiert und offensichtlich nicht lange genug trocknen lassen. In das im inneren (noch lackierbedingt) feuchte, aufgequollene Holz hat er die Bundstäbchen fest eingesetzt.
Erst danach trocknete das Holz langsam aus und schrumpfte. Da es ja durch den Lack hermetisch versiegelt war, dauerte der Prozess relativ lange.
Die Folge: Die Bundenden traten heraus!

Aber nicht nur das! Die Holzschrumpfung bewirkte auch, dass sich der Druck der Bundstäbchen auf die Bundschlitze verstärkte. Das Holz wurde praktisch "weggedrückt" und verformte sich dergestalt, dass der Hals eine Krümmung nach hinten vollzog. Um ihn wieder gerade zu bekommen, musste die Spannung des Spannstabes letztlich so weit gelockert werden, dass er in der zu großen Fräsnut zu "klappern" anfing.

Fazit: Der Teufel ist ein Eichhörnchen!


Puh, soviel Text! Ich hoffe, ich habe Euch nicht zu sehr gelangweilt!

Also...seid nett zu Euren Hälsen und achtet darauf, wem Ihr sie in die Finger gebt :mrgreen: ! Bleibt kritisch!

:prost:
LG, Tommy


Esst mehr Obst!

Colombo

Re: Pfusch am Hals

Beitrag von Colombo » Dienstag 4. August 2020, 21:25

Ja Tommy, so kann es gehen mit den Gitarrenbauern.
Leider habe auch ich eine negative Erfahrung mit meiner schönen alten 1978er Stratocaster machen müssen.

Ich hatte diese mal in den 80ziger Jahren zum Abrichten gegeben, da sie in den oberen Lagen schnarrte. Danach war alles gut, nur die Vintage Bünde waren nun so flach, das man sehr bedacht darauf spielen musste.
Im vergangenen Jahr habe ich mich dann umgeschaut wer mir den Hals neu Bundieren kann. Nach mehreren Kontaktaufnahmen habe ich mich dann für einen entschieden, bei dem ich ein gutes Gefühl hatte.

Aber da habe ich mich leider getäuscht. Von der Absprache, wie und was gemacht werden sollte wurde nichts eingehalten. Im Gegenteil, sogar die Bünde wurden schief eingesetzt. Als Antwort bekam ich, das hörst du doch nicht.

Auch sollte der Farbton der Neulackierung dem Alter der Gitarre angepasst werden. Leider so sagte er mir, habe ich den Farbton nicht getroffen und alles wieder entfernt. Ich habe jetzt nur Klarlack aufgetragen, nachdunkeln wird sie ja von alleine.

Er hatte mir auch angeboten den Griffbrettradius von 7,5“ auf 9, 5“ umzuschleifen. Das habe ich aber abgelehnt.
Nach dem ich die Gitarre abgeholt hatte überprüfte ich den Radius und stellte fest, dass dieser keine 7,5“ noch 9,5“ hatte. Der wurde einfach frei Schnauzte geschliffen. Ich denke dass er die Lackierung, die er versaut hatte einfach abgeschliffen und dabei nicht mehr auf den Radius geachtet hat.
Jetzt fühlt sich der Hals nicht mehr so schön an wie zuvor, da einiges an Material abgetragen wurde. Das war bestimmt auch der Grund für die schiefen Bünde, da er keine Führungsnut mehr hatte um diese nach zu sägen.

Nach der Beurteilung der Bünde wurden die nur Abgerichtet und weiter nichts. Die Bundkronen wurden nicht ausgeformt und auch nicht feingeschliffen, geschweige denn poliert.

Das war aber noch nicht alles, bei der Abholung teilte er mir mit, dass er die PUs noch neu eigestellt hat. Die Gitarre würde ja jetzt mit der Einstellung viel besser klingen.

Schwer enttäuscht habe ich mich dann an die Arbeit gemacht und die Bünde aufgearbeitet und anschließend die PUs wieder neu eingestellt.
Die Freude an der Gitarre ist nicht mehr vorhanden, denn immer wieder ärgere ich mich darüber wenn ich sie in den Händen halte.
Sie ist halt nicht mehr das für mich was sie mal war. Die erste Gitarre die ich mir gekauft hatte und die mich ein Leben lang begleiten sollt.

Mein Fazit daraus, immer genau alles Schriftlich festzulegen, denn im Nachhinein kann man die mündliche Absprache nicht nachweisen und Schadensersatz einfordern.

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Re: Pfusch am Hals

Beitrag von Molle » Dienstag 4. August 2020, 21:52

wer schreibt, der bleibt
You won´t part with yours either

Colombo

Re: Pfusch am Hals

Beitrag von Colombo » Dienstag 4. August 2020, 21:58

Molle hat geschrieben:
Dienstag 4. August 2020, 21:52
wer schreibt, der bleibt
:kopf_kratz01:

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Re: Pfusch am Hals

Beitrag von Wizard » Dienstag 4. August 2020, 22:15

Colombo hat geschrieben:
Dienstag 4. August 2020, 21:58
Molle hat geschrieben:
Dienstag 4. August 2020, 21:52
wer schreibt, der bleibt
:kopf_kratz01:
Bleibt was? :kopf_kratz01:

Was für Geschichten!, fast nicht zu glauben, aber so ist das Leben...















:lol: :lol: :lol:

Sorry
Gruß Peter

immer noch aktuell: >>> leben und leben lassen <<<

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Re: Pfusch am Hals

Beitrag von tommy » Dienstag 4. August 2020, 22:22

Colombo hat geschrieben:
Dienstag 4. August 2020, 21:25

Mein Fazit daraus, immer genau alles Schriftlich festzulegen, denn im Nachhinein kann man die mündliche Absprache nicht nachweisen und Schadensersatz einfordern.
Wobei Schadensersatz das emotionale Loch ja nicht füllen kann.

Insofern ist ein Gitarrenbauer wertvoll, der auch den emotionalen Aspekt nachvollziehen kann, der seine Zielsetzung nicht nur auf die reine Funktion richtet (und dann auch selbst diese noch nicht einmal wirklich wichtig nimmt).
Das gibt schon echt Pfeifen da draussen! :roll:
LG, Tommy


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Re: Pfusch am Hals

Beitrag von Magman » Dienstag 4. August 2020, 22:24

Lieber Tommy, ich würde einfach mal sagen, du hast halt einfach Pech gehabt mit dem Hals. Sowas gibt es gar nicht mal so selten. Es gibt viele Hälse die sich als Gurken rausstellen. Nagel das Ding an die Wand als Schlüsselbrett oder so und kauf dir bei Warmoth oder Allparts nen passenden Hals wenn du die Gitarre liebst. Qualität zahlt sich aus!


:prost:
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STOMPIN' HEAT …we are ready to rock :mosh:

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Re: Pfusch am Hals

Beitrag von tommy » Dienstag 4. August 2020, 23:42

Magman hat geschrieben:
Dienstag 4. August 2020, 22:24
Lieber Tommy, ich würde einfach mal sagen, du hast halt einfach Pech gehabt mit dem Hals. Sowas gibt es gar nicht mal so selten. Es gibt viele Hälse die sich als Gurken rausstellen. Nagel das Ding an die Wand als Schlüsselbrett oder so und kauf dir bei Warmoth oder Allparts nen passenden Hals wenn du die Gitarre liebst. Qualität zahlt sich aus!


:prost:

Hahaha....das Problem ist, ich liebe gerade den Hals (wenn er denn funktioniert)! Er ist völlig anders als die aktuellen. Dazu gehört ein recht eigenwilliges Profil, welches wohl nur in den 90ern hergestellt wurde. Desweiteren hat er bei der Bundierung auf meinen Wunsch spezielle Bünde bekommen. Und letztlich habe ich auch noch nachträglich die Griffbrettkanten abgerundet.
Dazu kommt, dass der Hals wohl auch maßgeblich dazu beiträgt, dass die Strat klingt wie sie klingt, was mir ausgesprochen gut gefällt. Das der Hals über die Jahre wunderbar nachgedunkelt ist, ist noch ein zusätzliches Sahnehäubchen.
Will sagen, dass ist MEIN ganz spezieller, personalisierter Hals! Über 2 Jahrzehnte mit mir "zusammengewachsen"!

Jeglicher von mir unternommene Versuch, etwas Gleichwertiges zu bekommen, ist bislang gescheitert!
Als Gewohnheitstier möchte ich darauf verzichten, mich umzugewöhnen. Colombo hat es eigentlich ganz gut beschrieben. Ich befürchte, dass die Strat mit verändertem Hals mich emotional nicht mehr anspricht.

Du merkst, müsste ich unbedingt eine Entscheidung treffen, würde ich eher den Body an die Wand nageln! :lol:

Nichtsdestotrotz...sollte der Hals jetzt wieder die Grätsche machen, muss ein neuer her. Das müsste dann schon ein für mich sehr tauglicher sein. Da fällt mir eigentlich nur Warmoth ein. Ob es sich dann aber lohnt, soviel Geld auszugeben für eine Strat mit schwerem 90er Swimmingpool Body, steht auf einem anderen Blatt.
Wie gesagt, es ist in erster Linie der aktuelle Hals, der mich -von den Defekten abgesehen- bei der Gitarre anmacht und an den ich mich in 2 Jahrzehnten so sehr gewöhnt habe.
LG, Tommy


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Deluxeplayer
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Re: Pfusch am Hals

Beitrag von Deluxeplayer » Mittwoch 5. August 2020, 00:03

Hallo Tommy!

Na, es hört sich für mich so an, als sei nicht "der Hals" die Ursache deiner Probleme, sondern die Nachbehandlung der Bünde, bzw. der Lackierung.

Vielleicht solltest du da einfach nochmal jemanden ranlassen der was davon versteht... :kopf_kratz01:


LG - Carsten

Colombo

Re: Pfusch am Hals

Beitrag von Colombo » Mittwoch 5. August 2020, 00:18

Es ist gar nicht so einfach einen zu finden der seine Arbeit auch vernünftig ausführt. Auf Anfrage können die alle alles perfekt.

Im Nachhinein bereue ich es die Gitarre nicht nach Thomann geschickt zu haben. Für den Preis den ich bezahlt habe, hätte ich beim Thomann neue Bünde und den Plek Service bekommen. Und die hätten mir bestimmt nicht den Radius um geschliffen oder mir die Bünde schief eingesetzt.

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