Electro Harmonix Key9

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Batz Benzer
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Electro Harmonix Key9

Beitrag von Batz Benzer » Montag 20. September 2021, 20:14

Gegenstand meiner heutigen Betrachtung ist ein Vibe aus dem Hause... wie kein Vibe!?? - Dann doch wohl Chorus, Fuzz oder was Neues von Dr. No? - Auch nicht!?? :shock:

Okay, betreten wir gemeinsam Neuland...

Bild

(Bildquelle: www.coolguitargifts.com)

Heute also mal was ganz anders, ein Electro Harmonix Key9 liegt devot vor mir auf dem Boden; also eines jener EHX-Pedale, die sich anschicken, Keyboard-Sounds - Orgel, Synth und sonstige Tastenklänge - im weitesten Sinne abzusondern. Ja, spannend, wollte ich diesen Dingern doch schon lange mal auf den Zahn fühlen. :mrgreen:

Und mit Fühlen liege ich denn auch gleich richtig, denn abseits des Höreindrucks ist hier das Spielgefühl entscheidend: In der Theorie gefallen B9, C9, Mel9, Key9 und Synth9 einer ganzen Menge Gitarristen; kommt es jedoch zum tatsächlichen Spielen, ist es bei den meisten schon wieder Essig mit der Begeisterung. Ob mir das wohl auch passieren wird...? ;)

Doch beginnen wir wie üblich zunächst einmal mit dem optischen Eindruck: Im typischen EHX-Hammond-Gehäuse für etwas umfangreichere Effekte finden sich rechter Hand der Input, links die beiden Outputs für Keys (Effektsignal) und Dry; an der Stirnseite versteckt sich der 9V-Anschluss, der trotz beiliegendem 9,6V-Netzteils auch mit nur 9 Volt auskommt; ganz im Gegensatz zum Good Vibes aus gleichem Hause, was auf eben diese 9,6 Volt besteht.

Regler sind das weiße Preset-Poti, zwei Volumen für Dry und Effekt sowie zwei Control-Dreher für individuelle Einstellungen je nach Preset; der Fußschalter auf der Oberfläche und die rote Kontroll-LED runden die Peripherie ab.

So, jetzt aber auf in die Praxis: Wie klingt es, wie fühlt es sich an? - Kurze Antwort: Je nach Preset und Einstellung unterschiedlich, so dass wir also ins Detail gehen müssen.

Gleich ist allen neun Presets, dass sich zunächst einmal Ernüchterung breit macht, allerdings in unterschiedlichem Maß: Dies liegt zunächst einmal am Gitarristen selbst, hier also: Mir! :panic:

Denn: Ich kann auf der Gitarre nicht typisch einem Keyboarder spielen; alleine das Verkneifen von Bends und Slides gerät mir zur Konzentrationsübung.

Außerdem klingt es, wenn man die eigene Gitarre trocken dazu hört, nie so ganz überzeugend aus Spielersicht; diesen Abstrich muss man also gleich mal, auch als Nicht-Urologe, machen.

Spielt mein Gegenüber, so verpufft der Effekt und ich höre wieder primär eine Orgel; diese Wirkung sollte man nicht unterschätzen! :ugeek:

Das Manual säuselt was von Bridge-Pickup; der Grund liegt darin, dass das Key9 gerne ordentlich Signal hätte. Darüber hinaus klingen diverse Gitarren und Pickup-Einstellungen auch tatsächlich unterschiedlich, wobei aber lauter tatsächlich grundsätzlich besser ist, so dass z.B. ein Compressor vorneweg zu zielgerichteteren Ergebnissen führt und das Verwenden von anderen Tonabnehmer-Kombinationen oder leiseren Klampfen leichter macht.

Alles andere steht und fällt mit dem jeweiligen Preset; also beginnen wir mal mit "1" und "Dynamo", welches einen "Dyno My"-Sound, basierend auf einem gemoddeten Fender Rhodes-Elektropiano, bietet. Control 1 waltet den Bassbereich, Control 2 das Klicken der Höhen.

Das funktioniert gut, so darf es gerne anfangen! Das Tracking ist, wenn man nicht in 16tel durch das Pedal hetzt, vollkommen ausreichend, so dass man es folglich ab jetzt gerne vergessen darf.

Der Sound ist ebenfalls ordentlich... glaube ich, denn das Original habe ich jetzt nicht präsent.

Preset "2" ist "Wurli" und bietet damit eine Wurlitzer-Orgel: Auch das weiß haptisch wie klanglich zu gefallen; die beiden Controls kümmern sich um Tiefe und Geschwindigkeit des geschmackvollen Tremolos.

Preset "3", "Suitcase", ist für mich von entscheidender Wichtigkeit, da Kaufgrund: Ich wollte ein Fender Rhodes mit Phaser und hier isses! Cntrl1 regelt den Bassanteil wie den Höhenklick, Cntrl2 den Phaser; das klingt wirklich ganz ausgezeichnet und empfiehlt sich für warme Schwurbelsounds der 70er! :thumbs:

Allein dieses Preset wäre mir den Kauf wert gewesen; alles, was jetzt noch kommt, ist mir gern gesehener Bonus.

Also ran an den Rest: Preset "4" namens "Mallets" bietet holzige Marimba-Klänge. Jou, hier fehlt mir persönlich ein Raum, da das Klanggeschehen schnell abgehakt wirkt und auch dynamisch nicht immer aus dem Quark kommt; hilft auch der per Control waltbare Chorus nix, obgleich er gute Arbeit leistet.

"Eighty Eight" bietet als Preset "5" erneut ein Rhodes, dieses Mal jedoch mit Tremolo, einzustellen durch die beiden Cntrls. Schöne Variation des gelungenen Grundklangs!

Unter "6" findet sich das Klangbild eines Dyno My (siehe 1), hier jedoch mit Chorus (Cntrl1 für Depth, Cntrl2 waltet Speed). Oha, ich hätte es für einen E-Gitarren-Leslie-Effekt mit mittigem Orgel-EQing gehalten; es macht einen 1a "The Air That I Breathe"-Hollies-Sound, der mich an Klampfe plus Rotary erinnert: Schöööön! :sabber:

Die "7" mit ihrem "Vibes"-Sound, welcher sich anschickt, Vibraphon-Klänge zu imitieren, ist meine persönliche Enttäuschung, da ich fürchterlich auf Vibraphon-Sounds abfahre, hier aber nicht geboten bekomme, was ich mir gewünscht habe. Was zum großen Teil an unerwünschten Verstimmungen liegt je tiefer ich Töne wähle; Für kurze, eher perkussive Momente vielleicht gerade noch ausreichend, aber auch nur kurz gehaltene Einzeltöne klingen in meinen Ohren übelst verstimmt; echt schade! :roll: - Cntrl1 regelt den Treble-Anteil, Cntrl2 die Geschwindigkeit des Tremolos.

Hinter Tor "8" sitzt "Organ" (Cntrl1 Höhen, Cntrl2 die Lesllie-Geschwindigkeit) und somit eine Hammond-Imitation, die zwar "Dschonn Locht" in Ansätzen durchaus möglich macht, was aber in Reinkultur dem C9-Modell und seinem "Lord Purple" vorbehalten ist, welches eh' ob seines Mellotron-Flöten-Klanges noch auf meinem Zettel steht und im Vergleich als "Lord Extra" gelten darf. Dennoch mehr als brauchbar, auch wenn es an Zerre und Autorität vielleicht ein wenig mangelt.

Last not least bietet die "9" mit "Steel Drum" ebendieses Klangbild, wobei ich mir auch hier einen Raum-Effekt gewünscht hätte, damit es nicht so abgehackt tönt; das können auch die beiden Control-Regler für den Chorus nicht beeinflussen. Nicht nur aufgrund dieser erinnert mich dieses Preset an die Mallets von Nummer 4; not my cup of tea!

Unterm Strich also eine durchwachsene Ausbeute mit Highlights und kleinen Enttäuschungen, zumal manche Presets wie z.B. Mallets und Steel Drums sehr ähnlich klingen und arbeiten. Aber klar, man möchte hier wohl gerne mehr als eines dieser 9er-Pedale an den Menschen bringen, was in meinem Falle auch als gelungen gelten darf. Verdammt...! :mad01: :D

Mein Tipp ist es also, nicht neun Hammer-Sounds zu antizipieren, sondern drei bis vier echt gute, mit denen "man" arbeiten kann; zumal "man" ja auch nicht alle Presets bei einem Multieffekt mag. ;)

Außerdem darf man keine Wunder erwarten: Shit in, shit out. Und wer von uns spielt schon auf der Gitarre dasselbe wie auf einem Keyboard (Fingerstyle kann hier bisweilen zielführender als das Plectrum sein)? - Es braucht also Übung, wie bei einem neuen Instrument, das sollte bereits vor dem Kauf bedacht werden; somit wäre es für manchen vielleicht die bessere Lösung, sich gleich ein Keyboard zuzulegen, wenn man ohnehin etwas neu lernen muss.

Zur Verarbeitung kann ich nichts Negatives sagen; hier wird sich mit der Zeit erweisen, wie verlässlich El Geräto auf Dauer sein Werk verrichtet.

Fazit: Wo Licht, da auch Schatten; nicht alle neun Presets des Key9 sind gelungen, und wie wichtig einem welcher Klang ist, gilt es selbst herauszufinden. Für mich sind es zwei wirklich nutzbare Drittel, und sechs gute Sounds für knapp unter 200€ gehen für mich schon in Ordnung, wenngleich ich mich mit 150€ hätte besser arrangieren können, da es so 25€ pro Sound (und nicht 30€) wären (Effekte wie Chorus, Phaser und Tremolo nicht mitgerechnet).

Das Key9 klingt immer besser, wenn man nicht selbst spielt und ist gewöhnungsbedürftig, da man sein Gitarrespiel "auf Schlüsselbrett umstellen" muss; beide Phänomene sind m.E. direkt dafür verantwortlich, dass das EHX-Aggregat viel und gerne wiederverkauft wird. Und das würde ich gerne jedem potenziell Interessiertem im doppelten Sinne ersparen. 8-)

Hier noch zwei m.E. gute Demos, da sich hier den Möglichkeiten unbedarft genähert wird und somit ein ungefilterter Eindruck entsteht:





Lieben Gruß,

Batz.

PS: Vielen Dank an Ulrich für den vertrauensvollen Tausch! :prost:
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Wizard
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Re: Electro Harmonix Key9

Beitrag von Wizard » Montag 20. September 2021, 22:10

Danke fürs Review, Batz! :thumbsup03:

Trifft sich gut, war nämlich auch schon von mir anvisiert, aber nicht zum Kaufen, dafür isses mir doch zu speziell.

Alles in allem haut es mich aber nicht grad vom Hocker - ich würde es mir aber zum Rumspielen kaufen wenn Geld das geringste meiner Probleme wäre.

Man darf nicht vergessen, dass sauberes Spiel unerlässlich ist: du sagtest es ja "shit in shit out" - und auch ich gehöre bei solchen Geräten
zu denen, die immer und immer wieder so kleine Schweinereien wie Bendings und Slides, der Gewohnheit geschuldet, nicht unterlassen können.

Jede Generation solcher Teile wird besser, und in ungefähr 25 Jahren, reale Schätzung meinerseits, wird es fast authentisch klingen...
Gruß Peter

immer noch aktuell: >>> leben und leben lassen <<<

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Re: Electro Harmonix Key9

Beitrag von 75Deluxe » Montag 20. September 2021, 22:54

Hallo Batz, kannst du mal einen Versuch machen, ob bzw. wie gut das Ding mit Akustikgitarre funktioniert?
Eigenbau-Strat, Gibson Les Paul DeLuxe, Rickenbacker 660/12, Egnater Rebel 30 Combo, Sigma Hummingbird Custom, Rickenbacker 4003 S Bass, Maruszczyk Jake 4+Bass, Fender Deluxe-8 Lapsteel, Duesenberg Pomona Lapsteel, ...

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Batz Benzer
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Re: Electro Harmonix Key9

Beitrag von Batz Benzer » Dienstag 21. September 2021, 10:52

Moin Jochen,

Dein Wunsch war mir Befehl: Funktioniert 1a, vielleicht ob der tendenziell höheren Saitenlage sogar noch etwas besser. :thumbsup03:

@Wizard: Nur haben wir in 25 Jahren vielleicht nix mehr davon... und da ich jetzt lebe, genieße ich auch jetzt, was mir das Leben zu bieten hat. ;)

Liebe Grüße,

Batz.
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Re: Electro Harmonix Key9

Beitrag von tommy » Dienstag 21. September 2021, 11:19

Was man alles so veranstaltet, nur um sich keinen Keyboarder an den Hals holen zu müssen! :lol02:

:undwech:
LG, Tommy


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Re: Electro Harmonix Key9

Beitrag von Batz Benzer » Dienstag 21. September 2021, 11:21

Ich besitze ja auch noch so 'nen Roland Gitarren-Synthi mit Hexaphonischem Pickup... tatsächlich nutze ich das Teil mit einem angeschlossenen Keyboard! :irre01: :mrgreen:
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Re: Electro Harmonix Key9

Beitrag von tommy » Dienstag 21. September 2021, 11:22

Batz Benzer hat geschrieben:
Dienstag 21. September 2021, 11:21
Ich besitze ja auch noch so 'nen Roland Gitarren-Synthi mit Hexaphonischem Pickup... tatsächlich nutze ich das Teil mit einem angeschlossenen Keyboard! :irre01: :mrgreen:
So kenn' ich Dich! :rofl: :thumbsup03:

Das Kabelbinder Phänomen: Ich benutze für alles Mögliche Kabelbinder, nur noch nie für das Kabel binden. :mrgreen:
Zuletzt geändert von tommy am Dienstag 21. September 2021, 11:29, insgesamt 1-mal geändert.
LG, Tommy


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Re: Electro Harmonix Key9

Beitrag von Batz Benzer » Dienstag 21. September 2021, 13:26

:D :prost:

So, nachdem ich heute mal alle Bill Withers-Hits mitgespielt habe, gab es gerade "Velcro drunter", was meine Art ist zu sagen "Verweile doch, du bist so schön". 8-)

Morgen sind dann Simon & Karbunkel und das Concert in Central Park dran. :mrgreen:

Im Ernst: Für gelegentliche Solo-Einwürfe oder mal 'ne warme Schwurbelfläche ist das Ding bestens geeignet; es macht eben bloß keinen Solo-Keyboarder aus mir. Was mich auch gewundert hätte, da ich noch nicht mal an der E-Gitarre ein ausgesprochen virtuoser Solist bin. :rofl:

Was mich hieran erinnert:

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Re: Electro Harmonix Key9

Beitrag von FretNoize » Samstag 25. September 2021, 07:39

:lol:
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