Dr. No Motherbrain Analog Delay

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Batz Benzer
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Dr. No Motherbrain Analog Delay

Beitrag von Batz Benzer » Freitag 21. Mai 2021, 14:20

Ja, ich bin in die Optik der Dr. No-Elaborate verliebt, und zwar schwerst: Hier geht es nicht nur um die inneren Werte, nein, hier muss auch das Äußere passen! Entsprechend sind viele Pedale des niederländischen Anbieters kleine Kunstwerke, herrlich verspielt und somit nahezu sämtliche Sinne ansprechend.

Diese Objekte zu sammeln habe ich mir zur Aufgabe gemacht; alles aus Eindhoven, was auch nur im Entferntesten in Richtung "Diorama-Pedal" tendiert, möchte ich langfristig gerne mein Eigen nennen. :mrgreen:

So auch das Motherbrain, ein Delay-Pedal, das anstelle normaler Potinköpfe drehtbare Mini-Gehirne aufweist: Junge, ist das herrlich detailverliebt! :D

Bild

(Bildquelle: Equipboard.com)

Wovon auch die Beschriftung kündet: "Memory" ist das klassische Feedback-Poti und regelbar zwischen Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis (Short Term/Long Term), "Insanity" entspricht der Verzögerungslänge und "Present" übernimmt den Mix-Anteil zwischen Dry und Wet.

Die restliche Peripherie besteht aus einem Fußschalter, einer grünen LED, In und Out stirnseitig sowie dem 9V-Anschluss rechter Hand.

Optisch ist das Pedal schon mal ein humorvoller Kracher, was mich natürlich sehr neugearig auf die inneren Werte macht. Zumal mir diese in der Theorie Rätsel aufgeben: Spricht die Beschriftung des Motherbrains von "Analog Delay", beschreibt der Begleittext auf des Docs Seite das Aggregat als "Analog Voiced Delay" und lässt damit offen, dass es evtl. doch nicht wirklich analog arbeitet. :kopf_kratz01:

Da Dr. No's Motto "Analog Or Die" lautet, sollte man davon ausgehen dürfen, dass es nicht digital zu Werke geht. Der "Moon Canyon" aus gleichem Hause tut dies aber inkonsequenterweise in der Delay- und Raum-Sektion; insofern kann ich hier leider keine endgültige Aussage treffen.

Letzten Endes isses mir aber auch vollkommen wumpe, warum das Gerät gut oder weniger gut klingt; der Glaubenskrieg zwischen Analog und Digital findet in mir nicht statt. ;)

Bild

(Bildquelle: Effectsdatabase.com)

Also auf in medias res und dem Gehirn Inhalte zugeführt: Sind alle drei Potis auf Linksanschlag, liegt alleine das Originalsignal an. Der Hersteller legt großen Wert auf die Festetellung, dass dieses Signal unbearbeitet durchgereicht wird und sich dann das Delay hinzu gesellt; dies scheint mir in der Tat gewährleistet.

Kommen wir zum Klangbild des verzögerten Signals: Dieses ist in meinen Ohren insofern ziemlich eigen abgestimmt als es eher auf der dunklen Seite des Mondes beheimatet ist. Und das empfinde bereits mit Single Coils als dunkler als ich es bisweilen haben mag, zumal es sich nicht beeinflussen lässt; ein entsprechendes Trimpoti im Inneren habe ich leider nicht finden können.

Auch nehmen die Höhen rapide mit jeder Wiederholung ab, überdies wird das Signal ziemlich schnell brüchtig und klingt "kaputt", tönt nach "anlogem 8-Bit". Da ich seit den 80ern mit analogen Delays vertraut bin, kommt mir das hier arg übertrieben und aufgesetzt vor, zumal es so keine natürliche Ausklingphase gibt.

In der Praxis bedeutet dies, dass unser Signal bei längeren Delay-Einstellungen schnell abstirbt. Also erhöhe ich Feedback, komme dann aber zu schnell in die Selbstoszillation, so dass der für mich klanglich interessante Raum dazwischen quasi nicht zur Verfügung steht: Oha! :?

Das Pedal reagiert bei alldem recht dynamisch: Lautere Töne haben mehr Feedback, bis sie sich in ihrer eigenen Brüchtigkeit verlieren, leisere sind bei derselben Einstellung nach drei, vier Wiederholungen schon zerlegt. Und ganz laute Abschnitte können dann schon wieder oszillieren, obgleich dies vielleicht gar nicht erwünscht ist; es agiert also auf gewisse Weise unberechenbar, so dass ich andauernd beim Feedback nachregle.

Möchte es vielleicht gar nicht als Delay, sondern vielmehr als kurzes Slapback-Echo interpretiert werden? - Hier macht es dann auch tatsächlich eine sehr gute Figur und die oben beschriebene Dynamik Sinn, da die dunklere Klangfarbe auch höhere Effekteinstellungen zulässt, die einen verblüffend authentischen Raum zaubern; überdies kommt das komische Ausklingverhalten nicht zum Tragen, da Feedback und Time entsprechend stark begrenzt sind.

Okay, ein Rockabilly-Echo also? - Jepp, in diesem Metier fühlt sich das Motherbrain hörbar wohl und kann mit genretypischen Soundscapes aufwarten, die man nur als amtlichst bezeichnen kann! :thumbs:

Doch aufgepasst beim Mix, denn der Present-Regler bietet die ungewöhnliche Möglichkeit, dass die Delays lauter als das Originalsignal ausfallen; ein schönes Alleinstellungsmerkmal des Mutterhirns!

Lege ich nun mein Donner Yellow Fall Analog Delay daneben und vergleiche die beiden, so ist das Konkurrenzprodukt mit einem Preis von 27€ klar flexibler und berechenbarer; das mit 246€ fast zehnfach kostenintensivere Dr. No-Gerät kann in Sachen Vielseitigkeit nicht mithalten!

Zumal die Wiederholungen beim Yellow Fall natürlicher klingen, durch den klareren Attack - der Denkapparat tönt verwaschender - ortbarer sind und nicht bereits nach fünf Wiederholungen ausbröseln wie ein zu schwaches Fuzz; ja, es gefällt mir vom Verhalten grundsätzlich besser, wenngleich Räumlichkeit wie das dynamische Verhalten beim Hirn-Slapback mit dem Donner nicht zu toppen sind.

Ich bin sehr wohlwollend, wenn es um Pedale von Dr. No geht und lasse mich auch gerne mal auf andere Klangphilosophien ein. Hier jedoch muss ich schlicht passen: Der Kaiser ist ja - bis auf ein kleines Blättlein überm Gemächt mit dem Gesicht von Elvis darauf - nackt! :shock:

Halten wir also fest: Optik huiiiiii, Klang pfui mit der Nischen-Ausnahme Rockabilly-Slapback; hier dafür schwerst überzeugend und klanglich markant. Nö, da bleibe ich lieber bei meinem Nux Tape Core, bzw. tc electronic Flashback als jeweiliges Haupt-Delay; möchte ich es anlog und/oder oszillieren, entspricht besagtes Donner-Teil eher meiner Wahl.

Sucht man hingegen ein eher schwer zu berechnendes Delay, deren Ausklingphase bei längeren Wiederholungen eher einem sterbenden Wegbröseln ähnelt, wird man hier fündig.

Ein Verriss...? - Kurz und schmerzlos: Ja; das kann ich mir einfach nicht schön lügen! Und verstehe jetzt auch, warum das Motherbrain vergleichsweise häufig aus zweiter Hand zu erwerben ist und es keine Klangbeispiele auf YouTube gibt.

Dennoch aus persönlicher Sicht kein Fehlkauf, da ich das Pedal eben auch der Optik halber unbedingt haben wollte, mit Rock'n'Roll eine Menge anfangen kann und aus zweiter Hand gekauft habe (danke, Wolfgang!). ;)

Fazit: Ein wirklich toll anzusehendes Echo, welches sich für authentische 50er Jahre-Slapback-Sounds anbietet, darüber hinaus aber klanglich enttäuscht, da das Angebot meines Erachtens zu speziell geraten ist; überdies ist das PLV - der Optik und generell höchsten Verarbeitungsqualität zum Trotze - in meiner Wahrnehmung schlicht desaströs, so dass ich dieses Produkt weder empfehlen kann noch möchte.

Es sei denn, Du hast Deinen Haaren gerade einen Ölwechsel spendiert, auch des Nachts im Bett noch eine Gretsch oder Tele umhängen, legst Wert auf Stil auch im Detail, guckst optimalerweise gerne Zombie-Filme, brauchst maximal XXL-Slapback-Echo und verfügst über entsprechende finanzielle Mittel; dann lautet mein Tipp durchaus: Go, cat, go!!! :thumbsup03:
"Lennon was the soul of the Beatles, Harrison was the spirit, Paul was the heart, and Ringo was the drummer."

- George Martin

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tommy
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Re: Dr. No Motherbrain Analog Delay

Beitrag von tommy » Freitag 21. Mai 2021, 15:34

Hi Micky,

Vorsicht...Weltidee:

Wenn Du die Optik so geil findest, nimm Dir ein Pedal, das Dir klanglich gefällt und pörgel Walnüsse auf die Potiachsen! :thumbsup02:

:undwech:
LG, Tommy


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Batz Benzer
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Re: Dr. No Motherbrain Analog Delay

Beitrag von Batz Benzer » Freitag 21. Mai 2021, 15:39

Die Assoziation hatte ich ebenfalls! :D :prost:
"Lennon was the soul of the Beatles, Harrison was the spirit, Paul was the heart, and Ringo was the drummer."

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Paulasyl
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Re: Dr. No Motherbrain Analog Delay

Beitrag von Paulasyl » Freitag 21. Mai 2021, 15:59

Anscheinend ticken Gitarrerogehirne gleich. Ich dachte ebenfalls an Walnüsse.
Mein Körper besteht zu 65% aus Müdigkeit, der Rest ist Hunger.

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Re: Dr. No Motherbrain Analog Delay

Beitrag von tommy » Freitag 21. Mai 2021, 16:40

Paulasyl hat geschrieben:
Freitag 21. Mai 2021, 15:59
Anscheinend ticken Gitarrerogehirne gleich. Ich dachte ebenfalls an Walnüsse.
Ich bin fest davon überzeugt, dass das nix mit Gitarrerogehirnen zu tun hat.

Das liegt m.E. einfach daran, dass man schleichend einen an der Bimmel bekommt, wenn man sich mehrere Jahre in diesem Forum rumtreibt.
Ich selbst bin hier mal als völlig vernünftiger und sachlicher Mensch angefangen. :cry:



:mrgreen:
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Re: Dr. No Motherbrain Analog Delay

Beitrag von Paulasyl » Freitag 21. Mai 2021, 17:23

Komisch, ich glaube, ich hatte schon vorher einen an der Mütze. :boing01: :panic:
Mein Körper besteht zu 65% aus Müdigkeit, der Rest ist Hunger.

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Re: Dr. No Motherbrain Analog Delay

Beitrag von tommy » Freitag 21. Mai 2021, 18:02

Paulasyl hat geschrieben:
Freitag 21. Mai 2021, 17:23
Komisch, ich glaube, ich hatte schon vorher einen an der Mütze. :boing01: :panic:
Dein Forumsbeitritt war also sozusagen eine logische Konsequenz. :mrgreen:
LG, Tommy


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Wizard
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Re: Dr. No Motherbrain Analog Delay

Beitrag von Wizard » Freitag 21. Mai 2021, 18:52

tommy hat geschrieben:
Freitag 21. Mai 2021, 16:40

Ich selbst bin hier mal als völlig vernünftiger und sachlicher Mensch angefangen. :cry:
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Gruß Peter

immer noch aktuell: >>> leben und leben lassen <<<

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