In ganz genau diese Kategorie fallen für mich jene Pedale, die Marshall Anfang der 90er auf den Markt gebrettert hatte: Bluesbreaker, Drive Master und Shred Master. Ganz normale Stangenware seinerzeit, ja, fast schon zu omnipräsent.
Dem Bluesbreaker konnte ich anno Achtziger nix abgewinnen; heute hätte ich soooo gerne ein Exemplar. Der Rock Master ist gleich dem Guv'nor ohne FX-Loop und der Shred Master war das High Gain-Utensil der Stunde, weshalb ich auch diesen der drei Brüder mein Eigen nannte.
Als ich dann jedoch von Art Of Sound getunte Marshalls spielte, brauchte ich das Pedal nicht mehr und habe es vakooft; wirklich vermisst habe ich es eigentlich nie.
Bis es mir vor ein paar Tagen wieder in den Sinn kam und ich mich erinnerte, dass das schon ein gutes Klangwerkzeug war; ob sich die Welt wohl auch bereits erinnert oder würde ich diesmal vielleicht VOR die Welle kommen und was Schönes günstig abräumen können...?
Zzzooonnnnkk! Nö, leider bin ich nicht der erste; und die Preise sind schon durch die Decke, ganz ohne mich! Bluesbreaker zwischen 450€-700€; was soll das!?? - Schon schlimm genug, dass 150€ mittlerweile wohl der realistische Shred Master-Preis ist...
Naja, jetzt isser eben hier, also wollen wir uns auch freuen und nicht ob vergangener Unbill grämen. In der originalen Box ("HE HAS THE BOX!"), die für alle drei Modelle gleich war.
(Bildquelle: Audiofanzine.com)
Das pultförmige Metallgehäuse birgt fünf recht gut vorm Fuß geschütze Potis für Gain, Bass, Contour, Treble und Volume; hinten gibt es dann In, Out und 9V-Anschluss. Der Fußschalter selbst ist zentral auf der "Pultfläche" positioniert, darüber eine rote Status-LED.
Das macht auch 30 Jahre später noch einen soliden, wenngleich natürlich genutzten Eindruck; schön, dass man hier nicht schätzen muss, sondern sehen kann, wie widerstandsfähig der Klotz tatsächlich ist: Die Potis laufen nicht mehr superrund und die Mutter der Output-Buchse springt gerne mal ab; der Rest funktioniert, wenngleich die Klappe für die Batterie fehlt, was aber auf nahezu alle zur Disposition stehende Exemplare zutrifft.
Lassen wir den Tiger aus dem Tank: Obgleich der Shred Master auch zivil zerren kann, geht die Sonne mit Humbuckern wie Single Coils erst bei Gain jenseits der 14h auf, davor tönt er belegt, undynamisch und wenig spritzig; Mid bis High Gain lautet das Gebot, eine Wall of Sound aus Gitarre das Gesetz!
Dabei bringt El Shreddo bereits grundsätzlich ordentlich Bass-Reserven mit, im Höhenbild geizt er hingegen etwas, so dass es in meinen Ohren schon definitiv den Rechtsanschlag bei Treble braucht, und das ist sonst eher nicht meine Art: Ergo BRÜLLT er eher als dass er kreischt, ist mehr Joe Cocker denn Axl Rose.
Er hat also eine Grundwärme nebst druckvollem Oumpf! und runde, sirupdicke Höhen; was ist im Mittenbereich los?
Hier regiert der Contour-Regler, wie ihn die eine oder der andere vielleicht von den Valvestate-Amps desselben Herstellers aus derselben Zeit kennt: Von 12h nach links gedreht, macht das Poti so ziemlich das, was ein konventioneller Mittenregler im Uhrzeigersinn über den gesamten Regelweg macht; dreht man jedoch nach rechts, werden die Mitten zunächst verschoben und dann ab ca. 16h radikal rausgefiltert.
Logisch, wenn man bedenkt, wie das Klangideal der Zeit aussah: Metallica-Epigonen verlangten nach scoopbaren Amps, und ganz genau diese Sounds sind von 16h bis Vollauslastung gegeben; davor jedoch spielt die interessante, weil ortbare Musik, die sich im Mix entsprechend behaupten kann.
Die Effektivität dieses Contour-Reglers darf man nicht unterschätzen; er ist eines der beiden Alleinstellungsmerkmale des Ed von Shred. Das andere ist besagt bassig-warmes Klangbild, druckvoll und souverän, welches am anderen Ende des Frequenzspektrums von extrem federnden, milden Höhen komplementiert wird. Das macht das Marshall-Brikett tatsächlich noch mal schöner als die Barber Dirty Bomb, die bislang als Fachkraft für solche Zwecke im Hause Benzer als gesetzt galt, im Vergleich zum Altvorderen aber eher dem Attribut "dirty" Rechnung trägt; ich bin überrascht!
Obertöne kommen ganz von alleine, Shreddy Van Halen trägt den Gitarristen und verzeiht auch den ein oder anderen kleinen Spielfehler, ist eben gutmütig wie beschrieben. Und aufs Kontrollieren des Gain-Grads mithilfe des Gitarrenvolumens reagiert die Wundertüte auch noch recht manierlich.
Ebenfalls erwähnenswert ist die Tatsache, dass trotz des bassreichen Timbres auch der Hals-Humbucker der Paula selbst bei Gain am Anschlag transparent, wenngleich sehr warm bleibt.
Jetzt verstehe ich so langsam, warum das Ding wiederentdeckt wurde: Es gibt zwar zeitgenössische Klangwerkzeuge, die eindeutig in dieselbe Richtung gehen, aber 100%ig nachgebastelt kriege ich den Meister nicht; klar, dass es eben für manche das Original sein muss, Radiohead inlusive!
Es ist quasi die HotRod-Variante des JCM900, die Marshall hier feilbietet. Oder besser: Ein Röhren-JCM900 mit einer Valvestate-Klangregelung. Das variiert natürlich jeweils mit dem nachgeschalteten Amp, entspricht aber so am ehesten dem Charakter des Shred Masters.
Damit ist er so ziemlich der Gegenentwurf des haarig-kratzigen Rock Master, bzw. Guv'nor, der eher für die 80er und den JCM800-Klang steht; bei diesem ist das Klangbild offen, beim Shred vom Jupiter eher dicht und kompakt.
Eine Sache noch zum Schluss: Die Volumen-Reserven des Pedals empfinde ich als überraschend gering. Nicht schlimm, aber Erwähnung finden sollte diese Tatsache ebenso wie derdiedas Fakt, dass es bei hohen Gain-Einstellungen auch entsprechende Nebengeräusche gibt, die für mein Empfinden jedoch durchaus im normalen Rahman sind.
Fazit: Der Shred Master von Marshall ist ein Kind seiner Zeit mit dennoch klarer Relevanz auch für die Gegenwart; ein echter MiaB-Breitwand-High Gain-Klassiker vom Traditionshersteller, der den Gitarristen trägt, bisweilen ein Auge zudrückt und einfach Spaß macht!
Was das Ding kosten darf, soll bitte jeder für sich selbst entscheiden; ich habe meine Wahl jedenfalls getroffen und bereue sie nicht.
Lieben Gruß,
Batz.
