Was man eben leider nicht so hinbekommt als Homerecorder

Produktion, Homerecording & PA
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Diet
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Was man eben leider nicht so hinbekommt als Homerecorder

Beitrag von Diet » Samstag 4. Dezember 2021, 00:28

Moin,

Raum ist ein Stichwort.
Als Homerecorder hat man in der Regel einen suboptimalen Raum zur Verfügung.
Das notwendige Resultat ist Raum "aus der Dose". Die sind heutzutage wirklich sehr gut und vielfältig.
Aber mehr auch nicht :(

Hier unten mal ein Beispiel.
Das klingt alles total alt und ist es auch, klar. Das ist ja aber auch irgendwie richtig geil für diese Musik.

Wenn man genau auf die Stimme hört, dann hört man immer genau die Position zum Mikro.
Mal ist er nah, mal weg davon.
Was man dann dort hört, das ist echter Raum.
Ganz unabhängig, ob man den hier im Beispiel nun gut findet oder nicht.
Es gibt etliche andere Beispiele für echten Raum.
Welcher Homerecorder hat den in gut? Kaum einer.

Und den in der Form nachzuvollziehen mit digitalen Räumen, das ist für Otto Normalrecorder meiner Meinung nach immer noch nicht nachvollziehbar.
Ich kann das jedenfalls nicht. Wer es kann, der möge es mir bitte vorführen.
Momentan denke ich, es liegt nicht am Können irgendwelcher Cracks, sondern an den Mitteln.
Es gibt einfach noch kein wirkliches digitales Pendant zum echten Raum.
Vielleicht geht das gar nicht? Keine Ahnung :?

In der elektronischen Musik, wie auch immer man das nennen soll, spielt das nicht so die Rolle.
Wenn man aber sozusagen wirklich "naturnah" klingen will, also wirklich so wie im echten Raum, dann ist genau da ganz klar die Grenze zum "echten" Studio.
Da kommt man mit digitalen Mitteln einfach (noch?) nicht hin. Also Normalo Homerecorder erst recht nicht.
Trotz aller wunderbaren Hall und Room Plugins, die es heute so gibt.

So ist jedenfalls mein ganz subjektives Empfinden dazu.



Gruß Diet

THB
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Re: Was man eben leider nicht so hinbekommt als Homerecorder

Beitrag von THB » Samstag 4. Dezember 2021, 01:38

100% Zustimmung.
Als bestes Beispiel für mich gelten die Aufnahmen bei Chess. Egal ob Fleetwood Mac oder Rolling Stones, es klingt anders, für mich offener, luftiger und es gibt einen besonderen Hall-Sound (extrem bei It‘s all over now) der für mich diese Aufnahme charakterisiert. Ich zweifle daran dass das nur mit dem Outboard Equipment zu tun hat.
Ein weiteres Beispiel ist Led Zeppelin IV oder auch die Garten-Aufnahme auf Physical Graffiti mit dem Flugzeug….
Ein vielleicht klassisches Gegenbeispiel ist dann vielleicht Joe Meek, der wohl in einer Etagenwohnung produziert hat, und sehr viel Effekte zusammengepuzzelt hat.
Aber vielleicht bedarf es der Kreativität, mehr Räume wie Duschkabine, gekachelten Hauswirtschatsraum o.ä. zu entdecken.
Wir einmal einen 1964 Marshall, also den 45 Watt Bluesbreaker mit 4x10 in einen ca. 120qm großen gekachelten Raum mit langer Fensterfront gestellt (Hafenklang Studio, Carsten Rehder Str.) , ein MD 421 in ca. 2,5 Meter Entfernung davor gestellt. Der Amp war nahezu voll aufgedreht, Gitarre war eine Melody Maker mit PAFs. Zu hören ist das ganze als Travers Blues auf der in Hamburg aufgenommenen LP von Screaming Lord Sutch, mehr als ein Kepex war als Effekt nicht im Einsatz….
"Let me explain something about guitar playing.
Everyone's got their own character.
Everyone's approach to what can come out of six strings is different from another person, but it's all valid. "
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THB
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Re: Was man eben leider nicht so hinbekommt als Homerecorder

Beitrag von THB » Samstag 4. Dezember 2021, 01:41

Bo hat oben ja einen Sound, der mich spontan an Time is on my side erinnert: Chess.
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THB
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Re: Was man eben leider nicht so hinbekommt als Homerecorder

Beitrag von THB » Samstag 4. Dezember 2021, 01:58

https://www.chicago.gov/content/dam/cit ... Studio.pdf

Auf den letzten Seiten ist der Grundriß von 2120 South Michigan Avenue

http://www.bluesaccess.com/No_36/chess.html

und hier ein Artikel zur Hallkammer…..
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Mintage
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Re: Was man eben leider nicht so hinbekommt als Homerecorder

Beitrag von Mintage » Samstag 4. Dezember 2021, 11:00

Das ist genau das, was all die digitalen Helferlein nicht realisieren können: Raumklang !

Die Kultstudios ( Sun, Chess etc. ) hatten einen Raumklang, der die Instrumente
"natürlich" klingen ließ - erst recht im klassischen Aufnahmeverfahren, wenn alle
Musiker im Raum spielten.

Diese Aufnahmen sind - für mich - die am besten klingenden !

Die heutigen Aufnahmen erreichen nicht ansatzweise die "atmende Luftigkeit" der
Instrumente...!

Grüße
Rainer

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BruderM
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Re: Was man eben leider nicht so hinbekommt als Homerecorder

Beitrag von BruderM » Samstag 4. Dezember 2021, 12:34

Stimmt alles, ist aber vielleicht auch für einige Genres wichtiger als für andere....
Hier läuft in einem anderen Tab grade Todd Rundgrens Utopia, auch eine Top-Produktion, wo aber Raumklang für mich nicht erkennbar (und wohl auch nicht so wichtig ist).

Bei den alten Stax/Sun-Geschichten bis zu Beatles&Co ist natürlich Raum seeehr wichtig und hier bei mir im Keller auch nicht zu realisieren.
Ich kriege aber noch nicht einmel genug gute Leute für eine live-Session zusammen, die mit oder ohne Raum aufnahmewert wäre, aber das ist eine andere Geschichte.

Gruß
Marc
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Re: Was man eben leider nicht so hinbekommt als Homerecorder

Beitrag von Batz Benzer » Samstag 4. Dezember 2021, 12:37

Dann nimm nur den Raum auf! :clown:
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tommy
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Re: Was man eben leider nicht so hinbekommt als Homerecorder

Beitrag von tommy » Samstag 4. Dezember 2021, 12:43

Ich glaube, wir müssen auch über die Art der Mikrofonierung sprechen.
Die Raumbeschaffenheit, in dem -wie von Rainer beschrieben- alle gemeinsam spielen, ist natürlich extrem entscheidend. Aber nur wenn ihr Einfluss über entsprechende Mikros auch aufgenommen wird.
Soweit ich richtig informiert bin, wurden bspw. bei Chess und Sun immer Hauptbestandteile der Musik mit Raummikros (u.a. Kugel Charakteristik) aufgenommen. Nahfeld wurde dann nur unterstützend hinzugemischt.

Beispiel anhand eine Drumaufnahme:
Vergleicht mal eine Drumaufnahme, nur mit Overhead, Bassdrum und Raummikro (bspw. Grenzflächenmikro) mit einer kompletten Nahfeldabnahme der Kessel und Becken ohne Raum-, teilweise sogar ohne Overhead Mikrofonierung.

Chorgesang ist ein weiteres Beispiel, wo meistens nur Kondenser aus einiger Entfernung aufnehmen. Dazu ggf. noch Athmo Mikros (meistens von der Decke hängend).
Hier ist im klassischen Bereich ein natürlicher Raumklang zwingend angestrebt und auch nur auf diese Weise erreichbar.

Moderne Pop Produktionen werden heute leider meistens nur im Nahfeld Verfahren aufgenommen und klingen für mich zwar äusserst "sauber" (kein Übersprechen) aber ziemlich steril. Ein Umstand der mich regelmäßig veranlasst, für ein "echtes" Musikerlebnis meine alten Jazzplatten oder gute Liveaufnahmen rauszukramen. :D
LG, Tommy


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Andrea Joy

Re: Was man eben leider nicht so hinbekommt als Homerecorder

Beitrag von Andrea Joy » Samstag 4. Dezember 2021, 14:42

Ich denke Diet du hast allg sehr recht.
Das ist sehr schwierig und dann wohl die höchste Kunst, sowas als Homerecorder bewerkstelligen zu wollen.

Ich plappere mal nach...
um 3dimensionale Klänge zu recorden, ist es auch erforderlich sie wirklich räumlich abzuhören.
D.h. gute Monitore zu haben und nicht zu nah davorzusitzen.



Es ist jetzt nicht da beste Video von Kush Audio aber diese ganze Playlist ist allg. mega inspirierend! :thumbsup03: :thumbsup03:
Es geht weniger um Technik, sondern um unsere Herangehensweisen beim Hören und Wahrnehmen von Musik.
Sie bietet viele neue Sichtweisen und alle Videos sind excellent präsentiert.

Ich nutze fürs Musikhören per Kopfhörer auch gelegentlich das Waves Ocean Way:
https://www.waves.com/plugins/nx-ocean- ... lle-plugin

Man hat im Kopfhörer ja sonst nur das Linke und Rechte Signal ohne Mitte, wie sie sich sonst zwischen den Lautsprechern abbildet.
So beschäftigt man sich auch mit dem Raumsignal und der Energie der Musik unter dem Hörer in einer neuen Weise.

Ich denke es geht stark darum sich das Raumbild auch geistig immer klarer zu machen und dann die zu verfügungstehende Technik zu benutzen.
(Wie in Jörgs gelöschtem Post angesprochen)

Deine Musik ist doch schon sehr gut gemischt Diet...da jetzt noch weiterzukommen, das erfordert dann eben wohl den anteilmäßig höchsten Zeitaufwand sowie evtl. auch das Verbessern von Equipment. Ich weiß natürlich nicht wieviel: UAD plugins etc. und bessere Abhören und Raumeinmessung und neue Monitore dafür ebenfalls nötig wären.

Da es aber ein Hobby ist womit ich mich auch phasenweise beschäftige und ich mich in Einzelheiten verliere, wollte ich mal antworten.
Sage auch gerne: Du hast das gut im Griff - bringst als Resultat klasse Songs auf gutem Aufnahmeniveau.

Der letze C. Junkies Song ist fein aber als ich dann die Originalaufnahme erstmalig angehört habe, war ich sofort davon begeistert und habe sie mir runtergeladen. Eine ganze Band die zusammenspielt und dann mit Studioproduktion - das bleibt eine andere Liga.
Da mache ich mir auch gar nichts mehr vor.

Ja man stößt an die Grenzen und macht Erfahrungen - danach gehts weiter.
Mein Tip: probiere weiter Deine Vorstellungen von Räumlichkeit zu Hause aufzunehmen, mit dem neuen Input der kommt, aber nehme dir evtl. mal ein/zwei deiner besten Songs und gehe damit in Studio, wo du zusammen mit dem Ingenieur mal verbesserst - evtl neu einsingst ;)
Dann siehst du was überhaupt möglich werden kann.

LG Andrea

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Re: Was man eben leider nicht so hinbekommt als Homerecorder

Beitrag von tommy » Samstag 4. Dezember 2021, 15:19

Andrea Joy hat geschrieben:
Samstag 4. Dezember 2021, 14:42
Mein Tip: probiere weiter Deine Vorstellungen von Räumlichkeit zu Hause aufzunehmen...
...Wobei als authentisches Ergebnis ja bestenfalls die Hörwahrnehmung des Wohnzimmers/Arbeitszimmers/Badezimmers/Besenschranks...(je nachdem, wo Dieter zuhause aufnimmt) zu erreichen ist.
Das kann aber bei seiner üblichen Art der Musik durchaus trotzdem gute Ergebnisse bringen. Ist natürlich auch Geschmacksache.
Ein ganzes Symphonieorchester in Dieters Wohnzimmer könnte allerdings problematisch werden und dürfte neben der Enge auch nicht dem Soundgefüge entsprechen, welches man schlechthin hier erwartet. Das innere Auge hört ja mit. :mrgreen:


@Dieter: Ich würde zuhause echt mal mit Raummikrofonen experimentieren.
Ergebnis sollte "Dieter live im Wohnzimmer" sein. Deine Musik (kleine Besetzung) gibt das m.E. her!
LG, Tommy


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