Pentatonik, Patterns, Fingersatz usw. lernen

Der tut nix! Der will nur üben!
kiroy

Pentatonik, Patterns, Fingersatz usw. lernen

Beitrag von kiroy » Mittwoch 5. Dezember 2018, 12:14

Hallo zusammen!

Vorgeschichte:
Ich glaube, es war Weihnachten 1965, da bekam ich von meinen Eltern eine Gitarre geschenkt und ein Freund meines Vaters zeigte mir die ersten Akkorde (A, D, E, G, C). Fast alle Lieder, die ich damals so kannte, kamen mit diesen Akkorden aus. Irgendwann kaufte ich mir von meinem Taschengeld noch eine Grifftabelle, entdeckte den Barree-Griff aus dem E-Dur-Akkord und lernte, diesen auf den ersten 12 Bünden anzuwenden. Als ein paar Freunde und ich eine Band gründeten, begann ich, auf der hohen E-Saite einzelne passende Töne zu spielen und nannte das "Solo". Bald darauf schaffte ich es, diese fünf Töne auch auf den tieferen Saiten zu finden und legte mir ein Schema zurecht, mit dem ich (fast) immer die passenden Töne spielen konnte. Das dürfte so 1970 gewesen sein. Damit habe ich mich bisher immer irgendwie durchgemogelt. :oops:

Heute:
Jetzt habe ich festgestellt, dass ich damals (und eigentlich bis heute) ziemlich ahnungslos war. :oops:
Dass die o. g. fünf passenden Töne "Pentatonik" heißen könnten, ist mir vor ca. 3 od. 4 Jahren aufgefallen.
Dass es bestimmte Pentatonik-Patterns gibt, weiß ich erst seit ein paar Wochen. Ebenso war mir bis vor wenigen Wochen nicht klar, was "Fingersatz" bedeutet. Ich habe stets mit dem einen (von mir selbst ausgedachten) Schema soliert und dabei irgendeinen Finger der linken Hand genommen, der gerade in der Nähe war. Ob ich einmal den Zeigefinger und beim nächsten Mal den Mittel- oder Ringfinger genommen habe, habe ich nicht beachtet. Wie's gerade so kam bzw. was mir bequemer erschien. Der kleine Finger war dabei nie beteiligt und lungerte nur untätig in der Gegend rum. Außerdem habe ich noch nie darauf geachtet, ob ich mit der rechten Hand die Saiten von oben nach unten oder von unten nach oben anschlage. :kopf_kratz01:

Tja, und jetzt? Was mache ich mit dieser ganz neuen Erkenntnis?
Wie bekommt man es nach rund 50 Jahren falschem Gitarrenspiel hin, die alten Angewohnheiten abzutrainieren?
Wie schaffe ich es, dass meine Finger mal das machen, was ich will? ;)

Ich übe jetzt ab und zu mal mit den Fingern der linken Hand den Fingersatz (also jeder Finger einen Bund). Das klappt nach einer Weile auch einigermaßen, ist aber beim nächsten Mal wieder weg. Ganz abgesehen davon, dass das bei irgendeinem Pattern nicht mal ansatzweise funktioniert. Ständig funkt mir ein anderer Finger dazwischen, der da nicht hingehört. Am schlimmsten ist es, wenn ich versuche, ein Solo, das ich schon länger nach meiner Art spiele, mit dem korrekten Fingersatz und womöglich in einem bestimmten Pattern zu spielen. Da stelle ich mich an, wie ein Gitarrenschüler nach der ersten Unterrichtsstunde. :mimimimi:

Wie würdet Ihr an "die Sache" rangehen?
Habt Ihr ähnliche Erfahrungen?
Oder habt Ihr es gleich richtig gelernt?

Loki
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Re: Pentatonik, Patterns, Fingersatz usw. lernen

Beitrag von Loki » Mittwoch 5. Dezember 2018, 12:20

:kopf_kratz01:
besteht denn akuter Bedarf, deine Spielweise zu ändern?

Bei mir ergibt sich der Fingersatz auch automatisch. ZB kann ich Hammer on's bei Doublestops auf e und h nur mit dem kleinen Finger spielen weil ich die anderen nicht genug gebeugt bekomme

Bei Satrianis Tears in the rain gibt es für mich auch keine Alternative, ich habe eben keine Hände wie Holdsworth (der mit zwei Fingers um den Kopf fassen kann)

Solange du den Ton sauber spielen kannst ohne groß nachzudenken ist doch alles in Ordnung
Lust ist, wenn ich spiele. Frust ist, wenn ich mich höre

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Wizard
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Re: Pentatonik, Patterns, Fingersatz usw. lernen

Beitrag von Wizard » Mittwoch 5. Dezember 2018, 13:57

Hendrix hat mal in einem Interview gesagt "Ich weiß, meine Fingersätze sind nicht so wie sie sein sollten, aber ich hab mir das so angewöhnt" ;)
Gruß Peter

immer noch aktuell: >>> leben und leben lassen <<<

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tommy
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Re: Pentatonik, Patterns, Fingersatz usw. lernen

Beitrag von tommy » Mittwoch 5. Dezember 2018, 13:58

Moin Roland,

erst eimal ziehe ich ganz tief meinen Hut davor, dass Du hier als langjähriger Gitarrenrecke so offen über Deine spielerischen "Unzulänglichkeiten" schreibst!

Da auch mich musiktheoretische Wissenschaften meistens völlig überfordern, möchte ich hier versuchen, das Thema Pentatonik und Fingersatz aus meiner simplen und lernfaulen Sicht näherzubringen.

Hierzu möchte ich vorausschicken, dass es mehrere Pentatoniksätze pro Tonart, mit gleicher Wirkung auf dem Griffbrett gibt. Herausgesucht habe ich den einen, der am einfachsten zu greifen ist. Den kannst Du zu jeder Tonart benutzen.
Es handelt sich um die eine Moll Pentatonik, von der auch die sogenannte Blues Pentatonik abgeleitet wird. Also das Gedudel, was sehr oft in der populären Blues- und Rockmusik Anwendung findet.

Nehmen wir die Grundtonart A anhand des Beispiels "Highway to Hell" und benutzen jetzt die o.g. simpelste "Moll Dudel Pentatonik":

1. Deine linke Zeigefinger Dudelbegrenzung ist der Bund, dessen Grundton auf der dicken E Saite (Standard Tuning) das A ist. Diese findest Du im 5. und im 17. Bund. Wir nehmen den 5.!
Der gesamte 5. Bund wird also ausschließlich auf allen Saiten vom Zeigefinger beackert.
Alle 6 Saiten auf dem 5. Bund passen übrigens zur Tonart A! Geil, oder? Ja, deshalb ist es für mich auch die einfachste Dudel Pentatonik!

2. So, nun zu den restlichen 3 Mett Enden...äh...Fingern:
Ich habe da mal 'ne Zeichnung gemacht. Jeder Finger ist hier ausschließlich nur für SEINEN Bund zuständig.
Die eingekreisten Finger bestimmen die reine "Dudeltonleiter", hier für die Grundtonart (meistens Strophe) "A".
Die kleinen Kreise in Anführungszeichen zeigen populäre (kein Jazz! :mrgreen: ) Erweiterungsmöglichkeiten für den zuständigen Finger an.

Bild

3. So, nun lass mal Highway to Hell oder irgend ein Rock oder Bluesstück in "A" laufen und gniedel in o.g. Manier dazu.
Sollte aber bspw. der Song in Grundtonart "G" sein, dann verschiebst Du die Choose auf den Bund, wo auf der dicken E Saite der Ton.....na?.....richtig, "G" liegt!
Noch etwas: Die betreffenden Töne der dicken E Saite sind auf dem Griffbrett ja mehrmals vorhanden. Probiere das Lagenspiel auch gerne in der höheren Lage oder mische die Lagen etc..
Probiere auch Bendings und Slides innerhalb der gesamten Tonleiter.
Sollte der kleine Finger partout nicht gehorchen wollen, lasse den Ringfinger seine Arbeit mitmachen. Ist zwar nicht ideal, aber nützt ja nix!

4. Zusatz:
Ausgehend von dem hier gezeigten, einfachsten Fingersatz, liegen links und rechts davon andere, schwierigere Fingersätze mit den gleichen Tönen. Zumindest Teile dieser benachbarten Fingersätze kann man als Erweiterung mit integrieren. Das nennt man dann erweitertes Lagenspiel.

Soweit erst einmal der rudimentäre Teil für den schnellen Erfolg.
Ach ja, wenn Du den reinen (eingekreiste Finger) Fingersatz einfach 4 Bünde weiter nach links oder 9 Bünde nach rechts verschiebst, bekommst Du zur entsprechenden Grundtonart die Dur Dudelvariante. Auch hier gibt es "Tüddelchen" Zwischenerweiterungen, auf die ich hier nicht weiter eingehe, um den Rahmen nicht zu sprengen. Probiere es einfach aus!


An die Theorie Profis: Ich bitte meine rudimentäre Herangehensweise zu entschuldigen! Sollte sie als schädlich erachtet werden, bitte ich die Löschung zu veranlassen. :thumbsup02:

:prost:
LG, Tommy


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Re: Pentatonik, Patterns, Fingersatz usw. lernen

Beitrag von telly45 » Mittwoch 5. Dezember 2018, 14:23

Ergänzend zu Tommys Aussagen würde ich dir empfehlen, Roland, das erweiterte Lagenspiel auf jeden Fall zu trainieren. Sprich, dass du eine A-Pentatonik wie von Tommy gezeichnet über das ganze Griffbrett verteilt mit den entsprechenden Tönen spielen kannst. Dabei muss man sich nicht sklavisch an irgendwelche vorgegebenen Fingersätze halten, sondern man macht es so wie Herr Hendrix oder meinereiner: nimm die Finger, die dir persönlich am besten dazu taugen, denn was sich über Jahrzehnte eingeschliffen hat, kann man nicht in ein paar Wochen wegtrainieren.

Wenn du dieses System + erweitertes Lagenspiel einmal drauf hast, kannst du zu nahezu jedem zeitgenössischen Song ein Solo fiedeln. Wie Tommy schon schrub, funktioniert diese Moll-Pentatonik genauso für die entsprechend verknüpfte Dur-Tonart, also zu A-Moll z.B. C-Dur oder E-Moll und G-Dur.
Gruß Rainer

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Re: Pentatonik, Patterns, Fingersatz usw. lernen

Beitrag von tommy » Mittwoch 5. Dezember 2018, 15:21

Ach ja, Nochwas:

Du spielst natürlich beim Dudeln nicht artig alle zur Verfügung stehenden Töne schön in der aufgezeichneten Reihenfolge, sondern suchst Dir nach Belieben die passenden Töne nach Gefühl aus.
Innerhalb der Tonleiter/Pentatonik ist alles erlaubt!
Eigentlich auch noch ausserhalb, aber dann wird's u.U. Jazz! :panic: :mrgreen:
LG, Tommy


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kiroy

Re: Pentatonik, Patterns, Fingersatz usw. lernen

Beitrag von kiroy » Mittwoch 5. Dezember 2018, 16:05

Hi tommy,

erst mal vielen Dank für Deine ausführliche Antwort! :thumbsup03:

Naja, so oder so ähnlich mache ich es ja bisher.
"Mein" Pattern (oder Pentatonik-Satz, wie Du es nennst?) sieht bisher so aus:

Bild

Das ist offenbar eine Mischung aus dem 1. und dem 2. Pattern.
So spiele ich meine Soli, wie gesagt, schon viele Jahre. Manchmal improvisiert, manchmal am Original entlang, meistens beides gleicheitig. Dabei ist es völlig unvorhersehbar, welchen Finger ich jeweils einsetze. Der, der gerade in der Nähe ist und Lust hat. :shock: Entsprechend schlecht/ungenau/unvorhersehbar ist mein Solo-Spiel.

Mir ist mittlerweile schon klar, was eine Pentatonik ist. Ich hab's ja (unbewusst) jahrzehntelang so gemacht.
Natürlich weiß ich, wohin ich "mein Pattern" verschieben muss, um in eine andere Tonart oder von Blues in eine "normale" Skala zu wechseln. Ich setze sogar manchmal auch "Blue-Notes" ein (manchmal auch mehr "blue" als gewollt). :mrgreen:
Mir geht es aber jetzt darum, "mein Pattern" zu verlassen und (hoffentlich) mein Spiel zu verbessern, indem ich mich eben an so etwas wie den "richtigen Fingersatz" und das "erweiterte Lagenspiel" (wie telly geschrieben hat) rantraue. Mir macht dieses (wie Du schreibst) "Jeder Finger ist hier ausschließlich nur für SEINEN Bund zuständig" große Probleme, weil die Finger nicht so wollen, wie ich. Und ich kann mir nicht merken, wo das jeweils andere Pattern bzw. der andere Pentatonik-Satz liegt. Ich verfalle dann immer wieder in mein altes Muster (s. o.) und habe gehofft, dass hier jemand eine Idee hat, wie man das lernt oder dass jemand das gleiche Problem hatte und einen Tipp oder eine Methode hat, wie man das abstellt.

@ telly:
Auch Dir vielen Dank.
Genau das "erweiterte Lagenspiel" ist das, was ich überhaupt nicht kann und jetzt gerne lernen würde.

@ Loki:
richtig Akut ist der Bedarf nicht, aber da ich gerade Zeit habe, würde ich mich eben gerne verbessern.
Ich spiele einen Ton schon ohne groß nachzudenken, aber genau deshalb kommt da eben ab und zu auch Mist heraus... :oops:

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Re: Pentatonik, Patterns, Fingersatz usw. lernen

Beitrag von tommy » Mittwoch 5. Dezember 2018, 17:11

Hi Roland,

die rechte Begrenzung eines Patterns ist zugleich die linke Begrenzung des nächsten Patterns. Wie Du siehst hast Du bei Deinem erweiterten Teil, die Hälfte des folgenden Teils schon gemacht.
Jetzt fehlen nur noch die richtigen Folgetöne auf der E, A und D Saite, dann hast Du das nächste des passenden Patterns.
Die richtigen sind E...10. Bund, A...10. Bund und D...10. Bund.
Wie gesagt: Rechte Begrenzung der Lage ist im entsprechenden Kontext immer auch die linke Begrenzung der nächsten Lage.
Sofern Du kein exorbitant ausgeprägtes fotographisches Verständnis hast, bleibt nur die o.g. Tatsache und gleichzeitiges Auswendiglernen der möglichen 4 Lagenstellungen. Der Rest ist dann häufiges Anwenden.
Um die Lagen inklusive richtiger Fingersätze zu Verbinden bleibt eigentlich nur Umgreifen oder Sliden.
Damit veränderst Du aber nur den Tonhöhenumfang.
Um mehr Abwechslung in das Spiel zu bekommen brauchst Du allerdings andere Tonleitern (bzw. Bestandteile von diesen) mit ihren entsprechenden Pattern oder Du improvisierst nach Gefühl.

Um Auswendiglernen kommst Du m.E. aber nicht herum.
LG, Tommy


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Re: Pentatonik, Patterns, Fingersatz usw. lernen

Beitrag von Batz Benzer » Mittwoch 5. Dezember 2018, 17:52

tommy hat geschrieben:Um Auswendiglernen kommst Du m.E. aber nicht herum.
Exakt; ist 'ne reine Fleißarbeit! :thumbsup03:

Am besten gestern schon konsequent anfangen, damit es morgen besser klappt.
"Lennon was the soul of the Beatles, Harrison was the spirit, Paul was the heart, and Ringo was the drummer."

- George Martin

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Re: Pentatonik, Patterns, Fingersatz usw. lernen

Beitrag von tommy » Mittwoch 5. Dezember 2018, 18:09

Was vielleicht auch hilft:

Spiele mal den von mir favorisierten Grundpattern bis zum letzten Ton auf der dünnen E Saite. Jetzt rutsche auf dieser zum nächsten passenden Ton hoch. Von diesem spielst Du jetzt rückwärts die dazu passenden Töne bis zur tiefen E Saite und gleich wieder hoch, ohne, die neue Lage zu verlassen (also eine neue Figur).
Jetzt rutscht Du vom letzten Ton der hohen E Saite wieder weiter hoch bis zum nächsten passenden Ton und machst immer so weiter.
Wenn Du alles richtig gemacht hast wirst Du merken, dass Du beim 5. Mal wieder die Figur des Anfangspatterns erwischt, nur eine Oktave höher in der 17. Lage.

Dieses Verfahren hilft m.E. ganz gut beim Merken der Pattern-Figuren und schult das Gehör.

Ich selbst mache das nur manchmal und kann die Figuren noch nicht auswendig. Ich spiele aber auch lieber intuitiv. Das reicht mir für meine "mageren" Anwendungen. Habe halt keinen großen Anspruch. Hauptsache das Dengeln macht Spaß! :tuete01:
LG, Tommy


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